Die Polizei, ein rotes Tuch für die Schalke-Fans

Dutzende Polizisten strömten in die Nordkurve. Foto: Klaus Wieschus
3Bilder
  • Dutzende Polizisten strömten in die Nordkurve. Foto: Klaus Wieschus
  • hochgeladen von Raphael Wiesweg

„Wenn es am Ende um eine Fahne ging – was soll ich dazu sagen?“ Horst Heldt wunderte sich wie viele Schalker Verantwortliche über das harte Vorgehen der Polizei im Fußball-Spiel am Mittwochabend zwischen dem FC Schalke 04 und PAOK Saloniki. Doch Heldt irrt und gerade in dieser von ihm rhetorisch gestellten Fragen liegt schon der Kern des Problems.

Über 54.000 Zuschauer wurden am vergangenen Mittwoch, 21. August, in der Veltins-Arena Zeugen, wie plötzlich ein „massives Aufgebot“ (Polizei) von Polizisten in die Schalker Nordkurve ging. Durch jeden Eingang über die komplette Nordkurve verteilt, zudem auch noch von unten über eine Treppe, also hinter dem Tor von Timo Hildebrand, strömten dutzende grün gekleideten Menschen mit einer weißen Kopfbedeckung in die blau-weiße Masse. Die ersten Polizisten, die unten bei den Ultras hineingingen, sollen sofort mit Schlägen, Tritten und mit Fahnenstangen angegriffen worden seien, weswegen man sofort Pfefferspray eingesetzt habe, berichtete die Polizei in einer extra anberaumten Pressekonferenz am Donnerstagmittag und rechtfertigte somit den von vielen angeprangerten harten Einsatz gegen die Schalker Fans.

Die „Sonne von Vergina“ war Auslöser für schäumende Griechen

Auslöser für diesen Einsatz war eine Fahne. Eine rote Fahne, die ungefähr 2x5 Meter groß ist, mit einer gelben Sonne und gelber Schrift. Das Banner drückt die Freundschaft der Schalker Ultras zum mazedonischen Fußball-Klub Vardar Skopje aus und zeigt die 16-strahlige „Sonne von Vergina“. Für die Griechen allerdings noch mehr. Denn das Zeigen dieser Fahne ist aus Sicht der Griechen eine Provokation, die laut Polizei sogar zu einer „Volksverhetzung“ führe und die Gäste alle zur Weißglut getrieben habe. Das Zeigen dieses Symbols ist also hier nicht (nur) als sportliches, sondern vielmehr als historisch-politisches Statement anzusehen. Kurz gesagt: Noch heute erkennen die Griechen Mazedonien nicht als Land an. Deswegen wird sogar in der EU auf griechischem Druck hin die Republik Mazedonien nur „Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien“ genannt. Zunächst habe der Schalker Wachdienst mit der Polizei den Kontakt zu den Ultras gesucht und gebeten, die Fahne sofort herunterzunehmen. Was allerdings nicht geschah und den Polizeieinsatz dann zur Folge hatte.

Die Rechtfertigungen der Polizei am Donnerstag für diesen Einsatz gingen dennoch gefühlt ins Leere. Zu erschrocken war man von Bildern, wie die Beamten in der Schalker Nordkurve vorgingen. Auch ein Video macht in diesen Tagen schnell die Runde, das bei YouTube (Stand: Freitagmittag) bereits über 420.000 Mal angeklickt wurde. Es wurde inmitten des Polizeieinsatzes von einem Fan gefilmt, wie die Polizei vorgeht. Es scheint, als würden die Polizisten teilweise willkürlich das Spray und Gummiknüppel einsetzen.

Kapitulation durch Gewaltandrohung seitens PAOK Saloniki?

Die Nachfrage eines Journalisten am Donnerstag „Kapitulation durch Gewaltandrohung?“ verneint die Polizei (natürlich) sofort, zeigt aber den Eindruck, den Außenstehende nach diesem Einsatz gewonnen haben. Denn, das zählt auch zu dieser Seite der Geschichte, es scheint, dass die griechischen Offiziellen sehr viel Druck auf die Polizei ausgeübt haben. „Ich habe der Polizei von einem Einsatz abgeraten“, sagte noch Patrick Arnold, Fanbeauftragter des S04. Doch das half anscheinend nicht. „Wir mussten von einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben Dritter ausgehen“, rechtfertigte Klaus Sitzer, Einsatzleiter der Polizei, den Einsatz. 2.500 Menschen waren angeblich kurz davor, den Platz zu stürmen und drohten mit Gewalt. Schon kurz vor dem Einsatz sollen Sitzschalen auseinander genommen und Drohungen ausgesprochen worden sein. Das zumindest, waren die Argumente der Gäste, weswegen es wohl überhaupt zu diesem Polizeieinsatz kam.

Mit diesen 2.500 Menschen waren aber die griechischen Fans gemeint, die schon zuvor mit Bengalos und Kanonenschlägen negativ aufgefallen waren. „Wir haben enorme Probleme mit dem Verhalten der griechischen Offiziellen“, wird Schalkes Vorstandsmitglied Peter Peters auf der Schalker Homepage zitiert. „Das Agieren von denen gegenüber der UEFA hatte ein erhebliches Drohpotenzial. Es hat mich erschrocken, in welcher Form sie auf den UEFA-Delegierten eingewirkt haben. Da wurde von Platzstürmung zum Erwirken eines Spielabbruchs die Rede. Der FC Schalke 04 ist in seinen gefühlten 100 Europapokalspielen, die allein ich erlebt habe, auch mehrfach provoziert worden. In so einem Fall ist es die Aufgabe, auf die eigenen Fans einzuwirken. Wir hätten deshalb erwartet, dass sich die Offiziellen und die griechischen Polizisten in einem solchen Fall um ihre eigenen Fans kümmern.“ Der Klub wird deswegen auch ein Protestscheiben hinsichtlich des Verhaltens von PAOK Saloniki an die UEFA senden. Außerdem unterstrich Peters abermals, dass man das Verhalten der Polizei gegenüber der eigenen Fans völlig verurteile. „Dieser Einsatz war völlig unverhältnismäßig. Wir können dies absolut nicht gutheißen und bringen dafür nicht das geringste Verständnis auf.“ Muss er auch nicht, das bringt keiner. Doch die Medaille hat zwei Seiten.

Eine bewusste und somit dumme Provokation der Schalker Ultras

Natürlich hätte man sagen können, dass die Polizisten zuvor schon die griechischen Fans hätte beruhigen müssen. Doch Auslöser, wie eingangs schon erwähnt, war das Zeigen der „Sonne von Vergina“. Und dieses Banner haben die Schalker Ultras Mitte der ersten Halbzeit erstmals hochgehalten. In der zweiten Halbzeit dann wieder. Das Banner ist schon in manch anderem Spiel eingesetzt worden. Sowohl in der Bundesliga als auch – tatsächlich – letztes Jahr im Champions League-Spiel gegen Olympiakos Piräus. Doch es hängt nicht in jedem Heimspiel dort, was somit am Mittwochabend durchaus eine bewusste Provokation darstellt. Denn nur zu gut werden auch mittlerweile alle Schalker Fans wissen, warum das Rückspiel in Saloniki am 27. August unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden muss. Letztes Jahr hissten österreichische Fans im Stadion von Saloniki genau die gleiche Fahne. Das traurige Ende: Griechische Fans stürmten den Platz, der Verein bekam eine Drei-Spiele-Sperre für internationale Heimspiele aufgebrummt, die auch noch am kommenden Dienstag gilt.

87 verletzte Fans wegen Pfefferspray-Einsatz

Es hätte also durchaus Gleiches in der Arena passieren und mehr Verletzte geben können, als „nur“ die 87 Personen, die vom Roten Kreuz unmittelbar nach dem Schalke-Spiel am Mittwoch – vor allem wegen des Tränengas’ – behandelt werden mussten. Es rechtfertigt in keinster Weise den harten Einsatz der Polizei, auch wenn Peter Peters selbst sagt: „Polizisten haben – wie wir alle wissen – auch keinen einfachen Job. Sie müssen häufig in kürzester Zeit Entscheidungen treffen. Egal, was sie tun, sie werden immer kritisiert.“ Und es ehrt Schalke auch, sich schützend vor die eigenen Fans zu stellen und das Verhalten der griechischen Offiziellen sowie auch der Fans zuvor ist zu bestrafen. Doch es wäre gar nicht erst dazu gekommen, wenn Schalke Fans dem ersten Rat des Schalker Wachdienstes gefolgt wären. Denn anscheinend wusste sie nur zu gut um die politische Brisanz bei diesem Thema. Und dann, Herr Heldt, ist es nicht einfach nur mehr eine Fahne.

Autor:

Raphael Wiesweg aus Gelsenkirchen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.