Blinde Schalker in der Bundesliga

Wo ist der Ball? Die Blindenfußballer müssen nicht nur auf das Signal des Balles hören, sondern auch auf diverse Kommandos der Trainer und Tor-Guides. „Für den Kopf ist das alles sehr anstrengend“, sagt Kapitän und Abteilungsleiter Bayram Dogan. | Foto: Kurt Gritzan
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  • Wo ist der Ball? Die Blindenfußballer müssen nicht nur auf das Signal des Balles hören, sondern auch auf diverse Kommandos der Trainer und Tor-Guides. „Für den Kopf ist das alles sehr anstrengend“, sagt Kapitän und Abteilungsleiter Bayram Dogan.
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Seit März hat der FC Schalke 04 eine neue Abteilung: Blindenfußball! Die Mannschaft vom VfB 09/13 Gelsenkirchen schloss sich sieben Jahre nach Gründung den Königsblauen an und spielt unter blau-weißer Flagge nun dort weiter in der Bundesliga. Bayram Dogan brachte damals den Blindenfußball 2008 nach Gelsenkirchen.

„Wenn man zwei oder weniger als zwei Prozent sieht, dann gilt man gesetzlich als blind“, erklärt Bayram Dogan, Abteilungsleiter und Kapitän der Blindenfußball-Mannschaft des FC Schalke 04. „Ich sehe nur hell und dunkel. In meiner Umgebung kann ich mich aber gut orientieren“, erklärt der 41-Jährige. In seinem Haus ist alles ganz genau auf seine Bedürfnisse abgestimmt. Der Fußboden ist dunkel, die Küchenschränke hell, die Arbeitsplatten dunkel. „Ich versuche Kontranste zu schaffen.“ Im Blindenfußball geht das nicht immer so einfach.

„Bis ich 15 Jahre alt wurde, hatte ich noch zehn Prozent Sehkraft“

Mit 33 begann der Gelsenkirchener mit Blindenfußball. Damals allerdings noch bei der BSG Essen, wo er aber auch nur ein Jahr blieb. „Vorher habe ich bei den Sehenden lange mittrainieren können. Vor allem als Jugendspieler. Bis ich 15 wurde, hatte ich bis zehn Prozent Sehkraft, auch wenn es bis dahin alles immer verschwommener wurde.“

Nachdem 2006 die Engländer den Blindenfußball nach Deutschland brachten und in Berlin vorstellten und Dogan im Folge-Jahr in Essen mitspielte, wollte er in seiner Nähe Selbiges ins Leben rufen. „Ich werde nie mein erstes Training vergessen, als ich selbstständig in der Soccerhalle mich frei bewegt habe“, sagt Dogan und lächelt dabei, während er in Erinnerungen schwelgt.

Wer nicht „Voy! Voy! Voy!“ ruft, begeht ein Foulspiel

Die Soccerhalle ist allerdings keine optimale Lösung gewesen. Dadurch, dass im Blindenfußball viele Kommandos gegeben werden, hallt es in einer Halle zu sehr. Insbesondere der Ausruf „Voy! Voy! Voy!“ ist für Fußballer im Blindenfußball unabdingbar. „Das kommt aus dem Spanischen und heißt ‚Ich komme‘. Sobald man drei Meter vor seinem Gegenspieler, der den Ball führt, steht, muss man das rufen. Ansonsten begeht man ein Foul“, erklärt Dogan wie selbstverständlich. Denn woher weiß er, ab wann er drei Meter davor steht? „Der Ball gibt ein Rassel-Geräusch von sich und der Rest ist Gefühl und ein gutes Gehör.“ Passiert einer Mannschaft ein Foulspiel zum vierten Mal, gibt es einen Strafstoß aus acht Metern. Das Spielfeld selbst ist 40 Meter lang und 20 Meter Breit. Auf der Platzanlage an der Fürstinnenstraße können die Blindenfußballer spielen, ohne vom Hall einer Halle gestört zu werden.

Das Spielfeld selbst ist in drei sogenannte „Ruferzonen“ eingeteilt. Der Torwart, der übrigens seinen seinen Tor-Raum (5x2 Meter) nicht verlassen darf, darf nur in der Ruferzone bis zu zehn Metern Anweisungen geben. Selbiges gilt für die anderen beiden Zonen selbstverständlich auch. In der mittleren Zone steht ein Trainer und hinter dem gegnerischen Tor ein weiterer sogenannter Tor-Guide, der dem Stürmer Kommandos geben kann wie „Ball ist heiß“ oder beispielsweise auch 8/2“. Dabei steht die 8 für die Entfernung bis zum Tor und die 2 für die Anzahl von Gegenspielern, die einem noch gefährlich werden könnten. „Jedes Team kann natürlich eigene, spezifische Kommandos sich ausdenken. Aber es gibt einige, die sich überall ähneln.“

Drei Ruferzonen, drei Schiedsrichter und zwei Elfmeter-Möglichkeiten

Beim „Elfmeter“ gibt es zwei Varianten. Zum einen die bereits beschriebene nach vier Foulspielen, so dass Spieler dann aus acht Metern schießen müssen. Zum anderen die Variante mit sechs Metern, wenn der Torwart seinen Tor-Raum verlässt oder ein Foulspiel im „Sechsmeter-Raum“ begangen wird.

Dogan freut sich, dass „seine“ Abteilung von Schalke komplett übernommen wurde, so wie sie ist. „Wir stehen schon seit Jahren mit „Schalke hilft!“ in Kontakt, die uns auch immer wieder unterstützt hat. Nun sind unsere gefestigten Strukturen komplett unter S04-Fahne. Ein tolles Gefühl“, gibt der Diplom-Kaufmann zu, der an der Universität Essen/Duisburg sein Studium in Wirtschaftswissenschaften 2007 erfolgreich abgeschlossen hat.

Wo ist der Ball? Die Blindenfußballer müssen nicht nur auf das Signal des Balles hören, sondern auch auf diverse Kommandos der Trainer und Tor-Guides. „Für den Kopf ist das alles sehr anstrengend“, sagt Kapitän und Abteilungsleiter Bayram Dogan. | Foto: Kurt Gritzan
Kapitän und Abteilungsleiter Bayram Dogan: „Wie kannst du nur so blind sein?‘ rufen wir uns immer wieder zu, wenn einer den Ball nicht trifft.“ | Foto: Kurt Gritzan
Autor:

Raphael Wiesweg aus Gelsenkirchen

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