Schizophrenie
Wenn Realität verschwimmt

Seit ihr erwachsener Sohn psychisch erkrankt ist, kämpft seine Familie an sämtlichen Fronten: bei Ärzten und in Kliniken, bei Ämtern und Gericht. "So vieles läuft schief", sagt seine Mutter.  | Foto: Gerd Altmann / Pixabay
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  • Seit ihr erwachsener Sohn psychisch erkrankt ist, kämpft seine Familie an sämtlichen Fronten: bei Ärzten und in Kliniken, bei Ämtern und Gericht. "So vieles läuft schief", sagt seine Mutter.
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Bis 2018 lebte Mats (Name durch die Redaktion geändert) nach Aussage seiner Mutter ein ganz normales Leben: Sein Masterstudium als Bauingenieur hatte er fast abgeschlossen, nur noch die Abschlussarbeit fehlte. Zu diesem Zeitpunkt fielen Freunden und seiner Familie erstmals Wesensveränderungen auf.

"Er war bisweilen gereizt, zog sich zurück und wendete sich spirituellen Themen zu", erinnert sich seine Mutter Petra (Name durch die Redaktion geändert). Er selbst habe zu diesem Zeitpunkt über nachlassende Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisstörung geklagt.
"Im Juli 2020 konnte Mats nicht mehr für sich selbst sorgen, er versäumte es, seine Rechnungen zu bezahlen und sich arbeitslos zu melden", erinnert sich seine Mutter. Petra beschreibt ihn als "teilweise sehr verwirrt". "Für uns als Familie stand zu diesem Zeitpunkt fest, dass er sich in einer Psychose befindet", schildert die 61-Jährige.

Tagelang geflüchtet, in Wäldern übernachtet

Der Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert: Mats sei tagelang geflüchtet, habe in Wäldern übernachtet, sei nicht erreichbar gewesen. Als er wieder auftauchte, begab sich Mats freiwillig in eine Psychiatrie, so die Mutter. "Dort wurde statt der Schizophrenie eine ,Anpassungsstörung' fehldiagnostiziert, Mats ohne medikamentöse Behandlung entlassen", sagt Petra. Und weiter: "Es folgten weitere Krankenhaus-Aufenthalte, in geschlossenen und offenen Einrichtungen unter anderem in Gelsenkirchen und Bochum, mit verschiedenen Medikamenten, die teils starke Nebenwirkungen hatten. Eines knockte Mats nahezu aus, er konnte nur noch im Bett liegen." Die Eltern hätten die Ärzte gebeten, auf ein anderes, empfohlenes Medikament umzustellen, aber der Bitte sei nicht gefolgt worden.

Schizophrenie ist gekennzeichnet durch Wahrnehmungsstörungen.  | Foto: Daniel R / Pixabay
  • Schizophrenie ist gekennzeichnet durch Wahrnehmungsstörungen.
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Nach 13 Monaten Medikament eigenständig abgesetzt

Nach 13 Monaten habe Mats das Medikament eigenständig abgesetzt. Die Suche nach einem neuen Psychiater gestaltete sich nach Aussage der Mutter schwierig. "Obwohl Mats dringend Hilfe benötigte, erhielt er erst vier Monate später einen Termin", sagt Petra. Es sei gekommen, wie es kommen musste: "Die Psychose verschlimmerte sich ohne Medikamente, wieder folgte eine Einweisung", sagt die Gelsenkirchenerin. So zieht sich die Krankengeschichte durch. Wie Petra sie schildert, ist sie geprägt von verschiedenen Diagnosen, der Einstellung mit unterschiedlichen Medikamenten mit teils sehr starken Nebenwirkungen. "Wenn wir als seine Familie ihn nicht eng begleiten würden, würde Mats untergehen", sagt seine Mutter.

Kampf mit Ämtern und Betreuern

Sie kämpft aber nicht nur an der medizinischen Front, sondern auch mit Ämtern, rechtlichen Betreuern und gegen Vorurteile. "Seit 2021 hat Mats jetzt den vierten Betreuer", schildert Petra. Monate, in denen trotz Betreuung keine Leistungen vom Jobcenter gezahlt wurden, überbrückten die Eltern. Immer wieder sei das Konto des Sohnes leer, Schulden entstünden.
Beim Betreuungsgericht versuchte Petra, eine Behandlung durchzusetzen, die Mats, inzwischen wieder in psychotischem Zustand, ablehnte. Ohne Erfolg. "Auch der Betreuer erkannte die Notsituation nicht", sagt Petra. "Mats verschwand und wurde erst nach Tagen, fast erfroren, in Österreich aufgegriffen."

Momentan geht es bergauf

Inzwischen scheint Mats auf dem richtigen Weg zu sein: "Dank einer mittlerweile besseren medikamentösen Einstellung verfolgt er wieder motiviert seine Ziele: Er richtet seine neue Wohnung ein, trifft sich mit Freunden, geht wieder seinen Hobbys nach, bereitet sich auf einen Tough Mudder Lauf vor und bewirbt sich um einen Arbeitsplatz als Bauingenieur", sagt Petra. Damit das alles funktioniert, ist es für die Familie wichtig, anonym zu bleiben. "Die Krankheit ist so stigmatisiert, dass unsere Familie lieber nicht namentlich genannt werden möchte."
Sie will weiterkämpfen - "für mehr Aufklärung über die Krankheit - gerade auch in Fachkreisen, und für eine frühe adäquate medikamentöse und psychologische Therapie, um Erkrankte zu schützen und die Prognose zu verbessern".

weiterführende Links: 

Jens Jüttner 
https://www.jensjuettner.com/

BoFit LWL Klinik Bochum
https://uk-bochum.lwl.org/de/klinik-fur-psychiatrie-psychotherapie-und-praventivmedizin/die-klinik/ambulanz/bofit-fruherkennung-therapie/

Dr. Jan Dreher 
https://psychiatrietogo.de/2022/10/22/neues-video-zu-aripiprazol-ist-online/

Josef Bäumel Psychoedukation
https://www.uke.de/suchergebnisseite/index.html?q=Psychose+wegbegleiter&t=0#evo-resultsPage

Info Psychose
https://www.janssenwithme.de/de-de/psychose/

https://www.janssenmedicalcloud.de/de-de/therapiegebiete/psychiatrie/schizophrenie#psychose-wissen

https://www.trialog-psychoseseminar.de/grundidee/wesen-des-trialogs-und-des-psychoseseminars/

Seit ihr erwachsener Sohn psychisch erkrankt ist, kämpft seine Familie an sämtlichen Fronten: bei Ärzten und in Kliniken, bei Ämtern und Gericht. "So vieles läuft schief", sagt seine Mutter.  | Foto: Gerd Altmann / Pixabay
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Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

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