Wenn Kinder (Alkohol) trinken

Das Trinken von alkoholischen Getränken gehört zu unserer europäischen Kultur und ist in vielen Traditionen fest verankert. Ein edler Tropfen Wein zu einem guten Essen oder andere alkoholische Getränke in Maßen genossen, sind als problemlos anzusehen. Jedoch gerade jetzt in der Karnevalssession, die bald mit dem Rosenmontag ihren Höhepunkt hat, gehen viele mit dem Trinken ziemlich locker und oft auch leichtfertig um.
Doch gerade vor diesem Hintergrund, darf man nicht vergessen, dass das binge drinking bei Jugendlichen, aber auch Kindern ein recht zweifelhaftes Freizeitvergnügen ist. Zwar ging der Alkoholkonsum bei den 12- bis 25-jährigen, die mindestens einmal in der Woche trinken, von 60% im Jahr 1973 bis auf 29% im Jahr 2008 zurück. Was man aber mit Sorge betrachten muss, ist die Tatsache (Quelle Statistisches Bundesamt), dass die Anzahl der im Krankenhaus aufgrund akuten Alkoholmissbrauchs vollstationär behandelten 12- 15-jährigen von 2194, im Jahr 2000, auf 4512, im Jahr 2008, gestiegen sind. Weitere Zahlen zum Vergleich, die aber auch Bedenklich machen. Bei den 10- 20-jährigen lag die Anzahl der vollstationären Aufenthalte wegen diesbezüglichem Alkoholmissbrauchs im Jahr 2008 bei 25700 Patienten, der Anteil der 20- 25-jährigen war mit 10354 über die Hälfte geringer.
Die Ursachen für eine medizinische Behandlung im Krankenhaus sind sicherlich im sogenannten binge drinking zu sehen, das aber verschieden definiert wird. So ist die umgangssprachliche Bedeutung dafür, wenn man Trinken wie bei einem Trinkgelage sieht. In der Epidemiologie wird der Konsum hinsichtlich des binge drinking so definiert, dass bei einer Trinkgelegenheit, die über einen beliebig langen Zeitraum dauern kann, mindestens 5 Glas Alkohol getrunken wird, das entspricht mindestens 0,6 Liter Wein, 1,8 Liter Bier oder 0,2 Liter Spirituosen. In den USA wird die Trinkgelegenheit auf ein Zeitfenster von 2 Stunden spezifiziert.
Seit 2004 gibt es noch eine weitere Definition, die den Konsum von der Menge Alkohol bewirkt, die eine Blutalkoholkonzentration von 0,8 Promille ergibt.
Es stellt sich nun die Frage, warum Kinder und Jugendliche trinken. Alkoholkonsum vermittelt das Gefühl von Erwachsensein, ein Ablösen von den Eltern, bedeutet aber auch einen Status innerhalb einer Gruppe (Clique). Wenn man 15 und 16-jährige nach ihren Trinkmotiven fragt, so liegt weit vorne die Antwort, dass man Spaß haben will, bezüglich der Wirkung wird bessere Kontaktfreudigkeit, Entspannung und Problemlösung angegeben. Von den 12- 15-jährigen haben im Zeitraum von einem Jahr 65,2% mindestens schon einmal Alkohol konsumiert. Bei der Altersgruppe darüber, den 16- und 17-jährigen, sind es hingegen schon 93,1% im Jahr. Von den 12- 15-jährigen trinken 6,4% regelmäßig alkoholische Getränke bei den 16- und 17-jährigen ist es die über 5fache Anzahl von 36%.
Wenn man hingegen das binge drinking betrachtet, so sind ein geringer sozialer Status, riskanter Alkoholkonsum der Eltern, Konfliktproblematik im Elternhaus, widersprüchlicher Erziehungsstil, zu viel Taschengeld, aber auch Störungen des Sozialverhaltens und Trinken als vermeintliche Lösung von emotionalen Problemen als Auslöser anzusehen.
Hier noch einige Zahlen die im Zusammenhang mit dem binge drinking stehen. 20,4% der 12- 17-jährigen Jugendlichen haben innerhalb von 30 Tagen mindestens einmal 5 Gläser oder mehr getrunken. 5,8% der Jugendlichen in dieser Altersgruppe gaben an, innerhalb einer Woche mindestens 5 Gläser oder mehr getrunken zu haben. 6,2% konsumieren eine solche Menge, die selbst für einen Erwachsenen schädlich ist. Der Anteil der jugendlichen Mädchen ist in allen Fällen geringer, als der der Jungen.
Natürlich birgt solch exzessives Trinkverhalten einige nicht unerhebliche Gefahren. Bei den 15- 20-jährigen sind ein Drittel aller tödlichen Verkehrsunfälle mit Alkoholkonsum assoziiert. Alkoholisierte Jugendliche fahren häufig selber mit dem Auto oder steigen zu alkoholisierten Fahrern ins Fahrzeug. Zu nennen sind auch Gewalttaten, bei denen es bei Tätern und Opfern zu Verletzungen führen kann. Besonders relevant sind ebenfalls Suizidhandlungen, Versuche und vollendete Handlungen. Durch die enthemmende Wirkung des Alkohols verbindet man frühe sexuelle Aktivität, die auch häufig wechselnde Sexualpartner beinhaltet.
Man darf auch nicht vergessen, die direkten gesundheitlichen Störungen anzuführen. Eine akute Gefährdung entsteht durch eine schwere Intoxikation, die in den meisten Fälle mit einer Bewusstlosigkeit einhergeht. Durch Unterzuckerung des jugendlichen oder kindlichen Organismus können irreversible Hirnschädigungen entstehen. Komplexe Störungen des Säure-Base-Haushaltes und des Kaliumspiegels rufen Hirnschwellungen und Nierenversagen hervor. Oft passiert es, dass durch den harntreibenden Effekt des Alkohols ein Flüssigkeitsmangel entsteht, der zu einem Kreislaufschock führt. Ob bei einem ersten binge drinking Hirnschädigungen entstehen, kann noch nicht belegt werden. Jedoch sollte man sich vor Augen führen, dass das jugendliche Gehirn mit 21 Jahren noch immer nicht seine volle Reife erreicht hat. Außerdem geht man davon aus, dass früher und häufiger Konsum zu einer medizinisch diagnostizierten Abhängigkeit(F10.2 Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol (Abhängigkeitssyndrom) ) führen kann.
Wie kann man dem entgegengehen? Wem obliegt die Verantwortlichkeit?
Natürlich sollte man hier alle Mittel ausschöpfen, die schon bestehen. Besonderer Augenmerk liegt dabei auf die Einhaltung des Jugendschutzes, der die Abgabe von branntweinhaltigen Getränken, Spirituosen und branntweinhaltige Mixgetränke (Alcopops) an unter 18-jährige verbietet. Weiter ist die Abgabe von anderen alkoholhaltigen Getränken (Bier, Wein, Sekt) an unter 16-jährige nicht gestattet. Des Weiteren ist auch der Verzehr nicht gestattet. Allerdings sollte der Gesetzgeber dieses Gesetz insoweit verschärfen, dass alle alkoholhaltigen Produkte auf den Index kommen. Seit dem im Jahr 2004 die sogenannten Alcopops an unter 18-jährige nicht mehr abgegeben werden durfte und der Verzehr eben sowenig gestattet ist, sind diese Getränke beim Konsum der 12- bis 15-jährigen nicht mehr relevant. Das bevorzugte Getränk ist Bier.
Aber auch Prävention ist unablässig. Wichtig ist, dass Aufklärungskampagnen die Schulen erreichen.
Sicherlich ist man hier schon aktiv geworden. In manchen Städten leisten auch Vertreter der Selbsthilfeorganisationen, wie zum Beispiel der Kreuzbund, erste Arbeit.
Aber Prävention fängt nicht erst um fünf Minuten vor Zwölf an. Priorität hat hier das Elternhaus. Gerade das (Trink)Verhalten der Eltern in jüngster Entwicklungsstufe der Kinder, hat Vorbildfunktion und manifestiert sich im Bewusstsein. So ist es dann meistens gegeben, dass Kinder, die in einer Umgebung aufwachsen wo oft und viel getrunken wird, später selber zur Flasche greifen. Umgekehrt kann es aber auch passieren, dass in Familien wo kaum oder riskant frei mit alkoholischen Getränken umgegangen wird, der Nachwuchs ebenso handeln wird. Aber genau so wichtig ist es, die Kinder zu stärken, dass sie ein gesundes Selbstbewusstsein erwerben. Sich Zeit nehmen, zuhören, Anteil nehmen ohne zu werten, aber auch Grenzen setzen und Grenzen akzeptieren sind Aspekte, die einen respektvollen Umgang hervorrufen und Vertrauen bilden.
Doch was machen, wenn „das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“? Also das Verhalten nach dem ersten Vollrausch. Wichtig ist dabei der Verzicht von Vorwürfen. Man sollte Mitgefühl zeigen, was für den Aufbau von Vertrauen wichtig sein kann. Mitgefühl bedeutet jedoch nicht Mitleid, den sollte man sich sparen. Hören sie zu was gesagt wird und reflektieren sie das, was sie gehört haben. Ebenso sollte man auf negative Prognosen verzichten. Ist solche Aufklärung aber Fruchtlos und es wird weiter konsumiert, so kommt man nicht umhin hier motivierend zu intervenieren. Rat und Hilfe bekommt man auch bei den Beratungsstellen, wie der integrativen Fachberatungsstelle der Caritas.
Doch noch ein Wort zum Schluss, bei all den Bemühungen die man machen kann, ein Patentrezept oder eine allgemeingültige Lösung um ein Kind vom Trinken abzuhalten gibt es nicht.
(Quelle der Daten sind Statistisches Bundesamt und Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung)

Autor:

Uwe Müller aus Gelsenkirchen

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