Schwierige Zeiten für Menschen ohne Wohnung während der Corona-Pandemie
Was tun ohne Wohnung bei Ausgangssperre?

Vor zwei Jahren feierte der Verein "Arzt Mobil" sein 20-jähriges Bestehen. Eine Krise wie die derzeitige hat der Verein in dieser langen Zeit noch nicht erleben müssen. | Foto: Gerd Kaemper
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  • Vor zwei Jahren feierte der Verein "Arzt Mobil" sein 20-jähriges Bestehen. Eine Krise wie die derzeitige hat der Verein in dieser langen Zeit noch nicht erleben müssen.
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Die derzeitigen Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens und die drohende Ausgangssperre belasten alle Bürger. Doch was tun die Menschen, die gar kein zu Hause haben, das sie bei der Ausgangssperre aufsuchen könnten?

Gerade die schwächsten Glieder unserer Gesellschaft, die Bedürftigen und vor allem die Wohnungslosen, sind besonders betroffen von der derzeitigen Corona-Krise. Denn während sich viele Bürger damit schwer tun, dem Aufruf der Bundes- und Landesregierung und auch des Oberbürgermeisters zu folgen und ihre sozialen Kontakte einzuschränken und in ihren Wohnungen zu bleiben, verfügen diese Menschen gar nicht über eine Wohnung.

Ausgabe der Tafel ist noch geöffnet

Die Ausgabestellen der Tafel Gelsenkirchen sollen vorerst geöffnet bleiben, allerdings zu anderen Gegebenheiten als üblich. So werden Kranke und ältere Personen gebeten, den Ausgabestellen fern zu bleiben. Alle anderen Kunden sollen erst zu den auf der Kundenkarte verzeichneten Terminen erscheinen, um größere Menschenansammlungen zu vermeiden.
Die Kunden werden zur Lebensmittelausgabe nur noch in kleinen Gruppen eingelassen, damit eine zügige Bedienung erfolgen kann. Zudem werden alle Kunden gebeten, auf Abstand zueinander zu achten.
Die Notschlafstelle an der Caubstraße schickt die Wohnungslosen derzeit noch wie üblich auf die Straße, wie lange das so bleibt, kann man zur Zeit nicht sagen. Dafür weiß Streetworkerin Jennifer Ruhnau von Arzt Mobil und Caritas, dass die Tagesstätten für Wohnungslose nur noch eingeschränkt geöffnet sind.
„Natürlich fungieren das Weiße Haus in Buer und das Wilhelm-Sternemann-Haus in Gelsenkirchen weiterhin als Poststelle, die Wohnungslosen brauchen ja eine Postanschrift, aber ansonsten ist der Betrieb sehr heruntergefahren“, erklärt Ruhnau. „Beratungen werden nur noch in Einzelfällen durchgeführt, ein Aufenthalt ist nicht mehr möglich. Auch nur in Einzelfällen, also wenn es wirklich nötig ist, gibt die Kleiderkammer Sachen heraus und in ähnlichen Fällen wird auch die Duschmöglichkeit geöffnet, wobei derzeit immer nur eine Person zugelassen wird, nach der direkt desinfiziert werden muss.“
Ansonsten werden Care-Pakete mit Lebensmitteln montags bis freitags von 9 bis 12 und samstags und sonntags von 11 bis 12 Uhr ausgegeben. Darin befinden sich Butterbrote, Obst, Kekse und solche Dinge.
Das bedeutet einen großen Einschnitt für die Obdachlosen, vor allem aber die Drogengebraucher. Denn diese sind nur draußen unterwegs, die Lebensmittel werden knapp, weil der Mittagstisch entfällt und es ist kein Ende der Krise in Sicht.
Die Streetworkerinnen geben derzeit im Rahmen des „Safer use“, also des Spritzentausches, Material für fünf Wochen heraus. Arztbesuche für substituierte Drogenabhängige werden derzeit ebenfalls ausgesetzt und die sonst tägliche Vergabe von Methadon oder anderen Ersatzstoffen erfolgt als „Take home“ für 30 Tage.
„Wir wollen die Menschen nicht im Regen stehen lassen, darum fungieren wir als Mittler zwischen Stadt, Caritas und Bedürftigen. Unter unserer Klientel gibt es viele alte Menschen, die somit gleich doppelt gefährdet und eine Hochrisikogruppe sind“, schildert Jennifer Ruhnau.
Bei allem, was die Streetworkerinnen derzeit auf der Straße erledigen, bitten sie darum, Abstand zu halten und tragen zum Schutz ihrer Klientel einen Mundschutz. Das Desinfizieren der Hände gehört für die Streetworkerinnen ohnehin zum Tagesgeschäft und wird auch in Zeiten, in denen man keine Hände mehr drückt, fortgesetzt. Außerdem verteilen sie jetzt ständig Flyer für Drogengebraucher, um diese über Vorsichtsmaßnahmen und neue Regelungen zu informieren.

Streetworkerinnen stellen Ausfahrten ein

„Ab nächster Woche werden wir ein Zeichen setzen und auch das Streetworking einstellen. Damit soll unsere Klientel deutlich spüren, dass sich etwas geändert hat und man sich nach Möglichkeit nicht mehr draußen aufhalten sollte und schon gar nicht in größeren Gruppen. Zuvor verteilen wir aber Care-Pakete mit allen wichtigen Materialien, die wir sonst täglich verteilen, die dann für fünf Wochen ausreichen sollen“, erläutert die Sozialarbeiterin. Vor zwei Jahren feierte der Verein "Arzt Mobil" sein 20-jähriges Bestehen. Eine Krise wie die derzeitige hat der Verein in dieser langen Zeit noch nicht erleben müssen.
Archivfoto: Gerd Kaemper Geschlossen bleiben die Türen an den Tagesstätten, die ansonsten mit Beratungen, Mittagstischangeboten, Kleiderkammer, Begegnungsmöglichkeiten und mehr kleine Lichtblicke in den Alltag der Wohnungslosen bringen. Foto: Gerd Kaemper

Forderung des Mieterbundes NRW

Aufgrund der aktuellen Empfehlung der Bundesregierung, das Haus nur für unaufschiebbare Versorgungsgänge zu verlassen und gemeinschaftliche Treffen so weit wie möglich zu vermeiden, meldet sich Hans-Jochem Witzke, Vorsitzender des deutschen Mieterbunds Nordrhein-Westfalen, zu Wort.
Er fordert: „Es muss gewährleistet sein, dass auch Wohnungslose vor einer ungebremsten Ausbreitung des Coronavirus geschützt werden. Dies bedeutet, dass eine zeitlich unbegrenzte Unterbringung sichergestellt wird. Deshalb müssen Kommunen, zur Entlastung der Tagesstätten, die Schlafunterkünfte jetzt auch tagsüber öffnen.“
Auch Zwangsräumungsverfahren sollten mit sofortiger Wirkung ausgesetzt werden. Dies gilt nicht nur für Räumungsverfahren im Anschluss an ein zivilrechtliches Klageverfahren, sondern auch für Räumungen nach dem Wohnungsaufsichtsgesetz NRW. Bei nicht unaufschiebbaren Räumungsverfahren muss zwingend Ersatzwohnraum zur Verfügung gestellt werden.
(Warm-)Wasserversorgung, Strom und Heizung bei Nachtemperaturen von immer noch nahe null Grad, gehören zu Existenzbedürfnissen und dürfen gerade in Zeiten wie diesen nicht den Schwächsten vorenthalten werden. Deshalb sollte auch auf die Verhängung von Versorgungssperren verzichtet werden.
„Die derzeitige Situation macht deutlich, wie wichtig die Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum ist, um die Menschen vor einem Leben auf der Straße und damit vor zusätzlichen gesundheitlichen Risiken zu schützen“, machte Hans-Jochem Witzke deutlich.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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