Der Weltverbrauchertag am Sonntag, 15. März, widmet sich teuren Rettern in der Not
Verbraucherberaterin: „Cool bleiben in der Not“
Wenn der Schlüssel von innen in der Wohnungstür steckt und man hilflos davor steht oder beim Renovieren ein Wasserrohr mit dem Bohrer getroffen wird, dann ist schnelle Hilfe gefragt. Doch die lassen sich die Retter in der Not oft richtig was kosten. Darum steht der Weltverbrauchertag 2020 unter dem Motto „Abzocke von unseriösen Notdiensten“.
Fällt die Tür von außen ins Schloss oder ist der Abfluss verstopft – dann wird rasche Hilfe oftmals teuer. Als Retter in der Not bieten Schlüsseldienste und Rohrreiniger ihre Dienste an. Doch eine auffällige Anzeige im Branchenbuch oder der Anruf bei einem Vermittlungsdienst lotsen Betroffene nicht immer zu einer seriösen und kostentransparenten Firma.
„Viele hilfreiche Türöffner oder Rohrreiniger leisten zwar rasche Abhilfe, nutzen im Gegenzug jedoch die Notlage der Kunden mit intransparenten und überteuerten Preisen schamlos aus“, warnt die Verbraucherzentrale NRW anlässlich des Weltverbrauchertags am 15. März.
Heike Haggen, Verbraucherberaterin der Beratungsstelle Gelsenkirchen der Verbraucherzentrale NRW, weiß aus Erfahrung: „Wer zufrieden mit den Diensten eines Schlüsseldienstes, Rohrreinigungsdienstes oder anderen Helfern in der Not ist, meldet sich nicht bei uns.“
Gerade an Wochenenden oder in den Abendstunden ist die Not natürlich am größten. Trotzdem rät die Verbraucherberaterin: „Cool bleiben in der Not!“ Sie empfiehlt, sich bereits vor dem Notfall zu informieren über mögliche Hilfsdienste. „Wir haben hier in der Beratungsstelle kleine Notfallkarten, die kostenlos abgeholt werden können. Darauf kann man sich die Telefonnummer eines seriösen Schlüsseldienstes, sonstigen Notdienstes oder wichtigen Kontaktes notieren. Die Notfallkarte sollte dann so platziert werden, dass sie im Notfall auch wirklich erreichbar ist, also im Stromkasten im Flur, im zugänglichen Kellerraum oder anderer gut erreichbarer Stelle.“
Seriöse Anbieter sollte man im Vorfeld in Ruhe suchen. Heike Haggen gibt den Tipp, dass die Polizei zum Beispiel immer einen Schlüsseldienst als Kooperationspartner vor Ort hat, den sie bei Wohnungsöffnungen hinzuzieht. Ansonsten macht es aus ihrer Sicht Sinn, vorab nach Preisen und Dienstleistungen zu fragen und diese miteinander zu vergleichen, um einen seriösen Anbieter zu finden. Die Verbraucherzentrale hält dazu auch eine Liste mit Preisempfehlungen für Notöffnungen bereit.
„Wenn man erst im Notfall aktiv werden muss, dann lässt man sich schnell von schön aufgemachten Internetseiten blenden. Diese Seiten sehen chic aus und suggerieren Seriosität, aber man wird dort nie Preise finden. Ein Blick ins Impressum lohnt sich auf jeden Fall, um auszuschließen, dass der Firmensitz nicht im Ausland ist“, rät Haggen.
Sollte dann doch der Notfall eintreten, wäre es hilfreich, einen Zeugen hinzuzuziehen, der die im Vorfeld gestellte Nachfrage nach dem Preis bezeugen kann.
Ein angebohrtes Rohr kann teuer werden
Ein Gelsenkirchener berichtet von seinem Missgeschick: „Ich habe ein Bad renoviert. Beim Fliesenabhauen wurde dabei die Hauptwasserleitung beschädigt. Mir blieb nichts anderes übrig, als das Wasser für das Dreifamilienhaus abzusperren. Darum war natürlich schnelle Hilfe angesagt. Also habe ich einen Sanitär-Notdienst angerufen. Abgesehen davon, dass der Monteur deutlich länger als 30 Minuten brauchte, um zu erscheinen, habe ich einen Kostenvoranschlag über 300 Euro unterschrieben. Gezahlt hat meine Frau am Ende aber 614,52 Euro.“
Als der Kunde später bei der beauftragten Haus- und Gebäudetechnik anrief, erklärte der Monteur patzig, er könne froh sein könne, dass es nicht noch teurer geworden wäre. Insgesamt brauchte der Monteur etwa 40 Minuten für die Reparatur. Der beschädigte 90-Grad-Bogen der Kupferleitung war vom Kunden schon vor seinem Eintreffen freigelegt worden.
Der Monteur musste nur den alten, beschädigten Bogen herausschneiden und den neuen Bogen wieder mit dem Rohr verbinden, was durch Pressen ging. Allein dieses Pressen wurde mit 120 Euro berechnet. Für die vom Kunden erledigte Freilegung der Reparaturstelle schrieb der Monteur 30 Euro auf die Rechnung.
Auf der Rechnung ist als allgemeine Einsatz- und Betriebskostenpauschale ein Betrag von 179 Euro verzeichnet. Hinzu kommen die An- und Abfahrtspauschale von 69, in diesem Fall 49, Euro und der Samstagszuschlag für die Zeit von 9 bis 18 Uhr in Höhe von 89,50 Euro. Natürlich sind alle Preise Nettopreise ohne Mehrwertsteuer.
Ein defektes Schloss wird zum Kostengrab
Als zweiten Fall führte die Verbraucherzentrale den einer Gelsenkirchenerin an, die an einem ganz normalen Donnerstagmorgen gegen 9 Uhr nicht mehr in ihre Wohnung kam, weil das Schloss einen Defekt hatte. Das Malheur kostete sie am Ende 610 Euro, der Schlüsselnotdienst war ganze 45 Minuten im Einsatz.
Dabei wurde eine Notdienstpauschale von 189 Euro berechnet. Laut Liste mit den Preisempfehlungen der Verbraucherzentrale wären hier etwa 88,50 Euro fällig geworden. Dazu kam die Anfahrtspauschale, die allerdings doppelt berechnet wurde. Hinzu kamen der Materialverbrauch zum Ausbohren des Schließzylinders mit 29,90 Euro und der Arbeitseinsatz von 59,90 Euro. Am Ende wurden noch drei Profilzylinder mit jeweils drei Schlüsseln verbaut zum Preis von 186 Euro. Inklusive Mehrwertsteuer zahlte die Kundin 610 Euro.
Übrigens hat sie auf der Rechnung unterschrieben, dass sie bestätigt, sich in keiner Notlage nach § 291 Strafgesetzbuch befunden zu haben. Was sich hinter dem sogenannten Wucher-Paragraphen verbirgt, musste selbst die Verbraucherberaterin erst nachlesen. Im Strafgesetzbuch heißt es: „Wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit (...) eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten (...) für eine sonstige Leistung oder (...) Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, die in einem auffälligen Mißverhältnis zu der Leistung oder deren Vermittlung stehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Verbraucherberaterin Heike Haggen gibt zu bedenken, dass überteuerte Rechnungen, wie in den beiden genannten Fällen, vor Gericht durchaus angreifbar sind. Aber: „Auch wenn man vor Gericht Recht bekommt, heißt es nicht, dass man Geld zurückbekommt. Denn bis vor Gericht ein Titel erwirkt ist, hat sich die Firma vielleicht schon ins Ausland abgesetzt oder ist anderweitig nicht mehr zu belangen“, schildert Haggen.
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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