„Bekannteste Putzfrau der Republik“: Susi Neumann ist gestorben
„Ich bin Putze“
Sie war Deutschlands bekannteste Putzfrau und eine wahre Ruhrgebietsseele: Susanne Neumann aus Gelsenkirchen ist im Alter von 59 Jahren verstorben.
Wenn die Gebäudereinigung in Deutschland ein Gesicht hatte, dann das von Susanne „Susi“ Neumann: Sie fuhr vom Ruhrgebiet aus zum zentralen Putz-Streik nach Berlin und stand um 5 Uhr morgens als „Streik-Frau Nummer 1“ im Herzen der Hauptstadt, um für die Gebäudereiniger-Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) für einen besseren Lohn in der Reinigungsbranche zu kämpfen.
Anschließend ging sie als Studiogast ins ZDF-Morgenmagazin und zeigte für „ihre Mädels“ in der Gebäudereinigung Gesicht. Von der ARD-Talk-Runde „Anne Will“ bis zum kritischen Polit-Dialog mit Ex-SPD-Parteichef Sigmar Gabriel im Willy-Brandt-Haus – Susi Neumann machte als Gebäudereinigerin „Medien-Karriere“.
2017 veröffentlichte Susanne Neumann das Buch „Frau Neumann haut auf den Putz - Warum wir ein Leben lang arbeiten und trotzdem verarmen“. Im Gespräch mit dem Stadtspiegel erklärte Susi Neumann vor zwei Jahren: „Ich habe dem Lübbe-Verlag für die Veröffentlichung des Buches eine Bedingung aus den Rippen geleiert: Mein Sprachjargon muss darin rüberkommen!“ Und genauso wie die bekannteste Putze Deutschlands es wollte, geschah es. Für alle Leser, die nicht im Ruhrgebietsjargon bewandert sind, gab es Fußnoten.
Das liest sich dann in etwa so: Als Susi Neumann bei der SPD-Wertekonferenz, zu der sie im Mai 2016 nach Berlin ins Willy Brandt-Haus eingeladen worden war, frank und frei heraus den SPD-Chef Sigmar Gabriel die denkwürdige und aufsehenerregende Frage stellte: „Warum bleibt ihr dann bei die Schwatten?“ lautet die Anmerkung: „Bedeutet Schwarze in der Umgangssprache des Ruhrgebietes.“ und natürlich sind damit die Konservativen oder besser die CDU gemeint.
Damit lenkte die Gelsenkirchenerin die Aufmerksamkeit von mehr Medien auf sich, als ihr lieb war. „Die Medien spielten verrückt“, erzählte sie später rückblickend. Dabei war es Susanne Neumann einfach nur ein Anliegen, die Wahrheit zu sagen, über die unzumutbaren Zustände in ihrem Handwerk, die Untätigkeit der Politik, die vielmehr noch den Unternehmern in die Hände spielt und den Ängsten der Mitarbeiter, die sich von Zeitvertrag zu Zeitvertrag hangeln ohne sichere Zukunft, dafür aber mit großer Angst gegen den Arbeitgeber „aufzumucken“, wie wir hier sagen.
„Sie war bekannt wie ein bunter Hund – sie war die kämpferische Stimme und die Hoffnung für Hunderttausende von Reinigungskräften in Deutschland. Wenn Gebäudereinigerinnen und Fensterputzer heute mehr Geld im Portemonnaie haben, dann haben sie das ganz wesentlich auch Susi Neumann zu verdanken. Denn sie war Gewerkschafterin durch und durch“, sagt der Vorsitzende der IG BAU Emscher-Lippe-Aa, Georg Nießing.
Acht Jahre lang stand Susi Neumann selbst an der Spitze des IG BAU-Bezirksverbands mitten im Revier. Als Reinigungskraft engagierte sie sich früh in der Fachgruppe Gebäudereinigung der IG BAU – dem „Gewerkschaftsparlament der Reinigungskräfte“. Als Bundes-Fachgruppenvorsitzende avancierte Susi Neumann von 2009 bis 2012 zur „obersten Putzfrau der Republik“.
Die 59-Jährige arbeitete ihr gesamtes Leben in der Gebäudereinigung, wohinter sich nichts anderes als eine Putzfrau verbirgt. Sie war verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter und ein Enkelkind. Trotzdem war sie seit gut 30 Jahren in der Gewerkschaft aktiv. Diese Tür öffnete sich für sie übrigens zuerst rein beruflich, denn sie putzte im Gewerkschaftshaus an der Overwegstraße die Büros der DGB-Offiziellen, der IG-Metall-Kollegen und eben die Räume der IG BAU, zu der auch die Zunft der Gebäudereiniger zählt.
„Susi Neumann war eine engagierte und selbstbewusste Gebäudereinigerin: ‚Ich bin Putze‘, sagte sie. Und dazu stand sie. Selbstsicher und stolz. Sie hat ihr Herz auf der Zunge getragen und gesagt, was ihr nicht passte. Sie war geradeaus, ohne Schnörkel und unnötige Floskeln falscher Höflichkeit“, so die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt.
So versicherte die „Putze“ vor zwei Jahren dem Stadtspiegel: „Ich werde mich nicht entmutigen lassen und weitermachen, so lange ich noch den Finger in die Wunde legen kann.“ Und genau so kannte man sie und wird man sie in Erinnerung behalten, als die, die von sich selbst sagte: „Ich bin Sigmar Gabriels Albtraum geworden!“
Susi Neumann hatte aber neben dem Kampf für fairen Lohn und bessere Arbeitsbedingungen einen zweiten Kampf zu führen: den gegen den Krebs. „Diesen Kampf hat sie jetzt verloren. Den anderen Kampf für die Beschäftigten in der Gebäudereinigung werden wir weiterführen – so, wie Susi Neumann dies gewollt hätte“, erklärt Georg Nießing.
Oberbürgermeister Frank Baranowski würdigte die Verstorbene mit den Worten: „Susi Neumann hat keine Konfrontation gescheut, wenn es darum ging, gegen Altersarmut und soziale Ungerechtigkeit zu kämpfen. Ihre für Gelsenkirchen und das Ruhrgebiet typische Direktheit und ihr kämpferisches Wesen habe ich gemocht. Ihren Kampf gegen den Krebs hat sie jetzt verloren. Wir trauern um sie.“
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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