Aiesec-Austauschstudenten zeigen sich begeistert von Gelsenkirchener Verhältnissen
"GElungenes Zusammenleben GEstalten"

Die Podiumsdiskussionen wurden vom Publikum mit viel Beifall bedacht. Egal, ob die Gesprächspartner von ihren eigenen Erfahrungen sprachen oder ihre Wünsche für die Zukunft äußerten, die Beiträge stießen auf sehr gute Akzeptanz. Foto: Gerd Kaemper
  • Die Podiumsdiskussionen wurden vom Publikum mit viel Beifall bedacht. Egal, ob die Gesprächspartner von ihren eigenen Erfahrungen sprachen oder ihre Wünsche für die Zukunft äußerten, die Beiträge stießen auf sehr gute Akzeptanz. Foto: Gerd Kaemper
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Sechs Studierende aus Russland, Serbien, Indien, der Ukraine und Türkei waren sieben Wochen lang im Rahmen eines Austausches durch die größte internationale Studentenorganisation Aiesec zu Gast bei der Awo in Gelsenkirchen. Ziel war es, den Studierenden Impulse und Beispiele zu geben für ein gelungenes Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Nationen und Kulturen.

Die interkulturellen Fachdienste der Awo und die Stadt Gelsenkirchen zeigten den jungen Leuten, wie man hier mit dem Thema Integration umgeht. In diesem Rahmen fand auch die internationale Fachtagung „GElungenes Zusammenleben GEstalten“ im Wissenschaftspark statt.
Dabei konnten sich die sechs Studierenden, aber auch jede Menge Teilnehmer und Besucher selbst ein Bild davon machen, wie sich Akteure in Gelsenkirchen mit viel Herz und großer Professionalität dem Thema Integration widmen. Im Gespräch mit dem Stadtspiegel berichteten sie von ihren Erlebnissen und zeigten sich sehr beeindruckt von dem, wie hier miteinander gelebt wird. Rund 220 Teilnehmer erlebten Diskussionen auf dem Podium, Vorträge und Workshops. Fachleute aus Sozialwesen und Wissenschaft, Zugewanderte und Aufnahmegesellschaft trafen auf die Austauschstudenten, die sich mit Ideen und Erfahrungen an der Vorbereitung und Durchführung der Tagung beteiligt hatten, und informierten über Chancen und Herausforderungen einer interkulturellen Gesellschaft.
In Impulsreferaten informierten die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Dagmar Eckart, über „Gleichstellung und Vielfalt“, der Geschäftsführer des Integrationscenters für Arbeit, Dirk Sußmann, über „Integration durch Arbeit“ und Hans-Joachim Olbering, der Referatsleiter öffentliche Sicherheit und Ordnung der Stadt, über „Ankommen im Alltag - Zusammenleben gestalten“. Die Workshops befassten sich mit den Themen Bildung, Gesundheit, Ankommen im Alltag, Sicherheit und Ordnung sowie interkultureller Dialog.

Erste wichtige Schritte zur Integration

Darüber hinaus gab es zwei Podiumsdiskussionen zum Thema „Interkulturelle Chancen und Herausforderungen im Alltag“. In einer Runde kamen mit der Integrationslotsin Ana-Maria Benedic, dem Caritas-Projektmitarbeiter Omar Noori und der Sozialpädagogin Bedia Torun, die seit über 30 Jahren bei der Awo tätig ist, drei Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu Wort sowie die Teamleiterin Arbeitsprojekte des Caritasverbandes Judith Przygodda.
Ana-Maria Benedic kam nur zu einem Besuch bei ihrer hier lebenden Schwester und blieb, weil es ihr gefiel. Sie wurde von Bedia Torun zur Integrationslotsin geschult und heute arbeitet sie beim kommunalen Ordnungsdienst. Omar Noori flüchtete aus Syrien und gehörte zu denen, die im November 2015 in der Emscher-Lippe-Halle einquartiert waren. Seit Februar 2016 arbeitet er bei der Caritas. Inzwischen gehört er zu einem Team, das aus einer Kooperation von Jobcenter und Caritas entstand und Zugewanderte bei der Arbeitssuche unterstützt. „Oft haben die Menschen aber auch noch andere Probleme und dann versuche ich ihnen auch dabei zu helfen, damit sie den Kopf frei haben für die Arbeitssuche.“
Judith Przygodda sieht den Zugang zu Sprache und Bildung als ersten Schritt zu einer gelungenen Integration, aber sie sagt auch: „Ein Sprachkurs allein reicht nicht aus. Wichtig ist es, dass das Erlernte auch im täglichen Leben im Zusammenleben mit Muttersprachlern genutzt wird. Die Begegnung ist wichtig, auch um kulturelle Unterschiede auszugleichen.“
In einer anderen Runde trafen Awo-Geschäftsführerin Gudrun Wischnewski und die Integrationsratsvorsitzende Melek Topaloglu auf den Bezirksbeamten Hauptkommissar Axel Gloger. Der Polizeibeamte erklärte, dass er zu Fuß unterwegs ist in seinem Bezirk Schalke und Bismarck. Er ist bemüht, Vertrauen aufzubauen gerade auch zu den Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Denn Gloger weiß, dass die Polizei in vielen der Herkunftsländer mit einem Negativ-Image behaftet ist. Umso wichtiger ist es ihm, Vertrauen aufzubauen und mit den Menschen Lösungen zu erarbeiten. „Ich muss auch Haftbefehle durchführen, was für die Betroffenen, die durch Unkenntnis der Sprache und Gegebenheiten häufig auf falsche Versprechungen hereinfallen, oft sehr überraschend ist. Ich erkläre ihnen dann die bereits zuvor bei ihnen eingegangenen Schreiben und den weiteren Verlauf. Darum weiß ich, wie wichtig es ist, dass die Zugewanderten die deutsche Sprache beherrschen.“ Als Wunsch für die Zukunft erklärte der Bezirksbeamte: „Ich verstehe, dass sich Bürger der Aufnahmegesellschaft fürchten vor Zugewanderten mit bunten Röcken und Hüten. Aber es gibt Hilfen für alle, die sich integrieren wollen, und dann braucht es Respekt auf beiden Seiten, damit man sich wohlfühlt.“
Aus ihrer Arbeit beim Jobcenter berichtete Melek Topaloglu, dass das Erlernen der Sprache wichtig ist, um hier Fuß zu fassen: „Bei so manchem Antrag, den die Zugewanderten ausfüllen müssen, habe selbst ich Probleme, das bürokratische Deutsch zu verstehen. Umso wichtiger ist es, den Menschen an dieser Stelle zu helfen. Das fängt an mit einfachen Hilfen beim Ausfüllen der Anträge, über Übersetzungsleistungen bis hin zu Hinweisen auf Ansprechpartner in den verschiedenen Netzwerken, die Zugewanderten zur Seite stehen.“ Dabei ist Topaloglu wichtig, dass die Netzwerkpartner mit den richtigen Menschen besetzt sind, denn es geht um Menschen aus anderen Kulturen und mit einem anderen Habitus. Die in Gelsenkirchen durchgeführten Integrationskonferenzen sieht sie als gute Möglichkeit, die Praktiker vor Ort zu unterstützen. Sie würde sich für die Zukunft mehr Partizipation der Zugewanderten in der Politik wünschen: „Die Menschen müssen merken, dass es wichtig ist, sich in der Politik einzubringen, um etwas für sich selbst zu erreichen.“
„Vielfalt ist ein durchgängiges Handlungsprinzip bei der Awo. Das gilt auch für unsere Belegschaft. Für alle Wohlfahrtsverbände kann ich sagen, dass wer hier leben und ankommen möchte, die deutsche Sprache beherrschen muss. Beim Überbrücken von Sprachhindernissen helfen viele Einrichtungen“, erläuterte Gudrun Wischnewski. „Wir alle müssen uns öffnen. Jeder von uns kennt rechtes Gedankengut und wir alle sollten dagegen aufstehen. Das ist die Herausforderung, denn die meisten Menschen, die zu uns kommen, sind keine Demokratie gewöhnt. Und hier gibt das Grundgesetz vor, wie gelebt wird und nicht der Glaube.“

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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