„Die Ansprüche neu formulieren“
Ein Interview über Burn Out mit Diplom-Psychologe, Psychoonkologe und Dozent Christian Diekers
Der überraschende Rücktritt von Ralf Rangnick, Trainer des FC Schalke 04, bringt eine immer häufiger auftretende Erkrankung in die öffentliche Wahrnehmung. Der Stadtspiegel spricht mit Diplom-Psychologen und Dozent Christian Diekers über Ursachen und Symptome des Burn Out Syndroms.
Stadtspiegel: Das Thema Burn Out ist seit längerer Zeit immer häufiger in den Medien. Durch den Rücktritt von FC Schalke 04-Trainer Ralf Rangnick wird das Thema nun erneut brisant. Liegt die vermehrte mediale Wahrnehmung daran, dass dieses Krankheitsbild neu ist oder gab es Burn Out-Patienten auch früher schon?
Christian Diekers: „Burn Out gab es schon immer. In den letzten Jahren ist die Häufigkeit der psychischen Erkrankungen aber um 30 Prozent gestiegen. Burn Out hat sogar den Herz-Kreislauf-Erkrankungen den Rang abgelaufen.“
Wie kommt das? Ein Phänomen unserer hektischen Welt?
„Es liegt schon an unserer hektischen Arbeitswelt, aber vor allem daran, dass die Menschen nicht aufmerksam mit sich selbst umgehen. Gerade überengagierte Menschen sind gefährdet. Das Problem ist, dass der Betroffene das Abdriften in das Burn Out Syndrom als letzter bemerkt. “
Was sind Signale für das Burn Out-Syndrom?
„Unlustgefühle, Schlafstörungen, Magenprobleme, Durchfall. Es ist ein schleichender Prozess. Der Beginn ist im Grunde immer ein Überengagement mit zu hoch gesteckten Zielen. Die Person versteift sich auf das Erreichen der Ziele. Das führt meist irgendwann auch zu Problemen im Privatleben. Dann kommt es zum teilweise vollständigen Rückzug nach der Enttäuschung, dass man die Ziele, für die man so hart gekämpft hat, nicht erreichen konnte. Das Umfeld reagiert darauf und signalisiert dem Patienten, dass er sich verändert hat. Er reagiert darauf wiederum, indem er die „Kritiker“ meidet. So bildet sich ein Kreislauf. Am Ende stehen meist Depressionssymptome sowie das Gefühl völliger Leere.“
Was hilft in diesem Fall?
„Dann ist Psychotherapie angesagt. Es ist dann schon viel zu spät, um die Situation alleine zu meistern. Der Betroffene, das wissen die wenigsten, sollte zukünftig nicht mehr in seinem Beruf arbeiten. Er muss auch akzeptieren, dass er psychisch krank ist. Meist geht das Burn Out-Syndrom auch mit dem Helfersyndrom einher. Das Helfersyndrom ist so betrachtet das Ausgangsproblem. Deswegen ist die Berufsgruppe der Helfenden Berufe auch am meisten betroffen. “
Wie kann man sich prophylaktisch schützen?
„Man muss sich seiner eigenen Stresssignale bewusst werden und ganzheitlich auf sich aufpassen. Das heißt auf Körper, Seele und Geist achten. Sport oder Muskelrelaxation für den Körper, Entspannungstechniken wie Qi Gong oder Autogenes Training für die Seele und das Wichtigste: der Geist. Die Arbeits- und Lebenseinstellung ändern und nicht mehr 150 Prozent anstreben.“
Wie kann der Einrichtungsleiter seine Mitarbeiter in der Pflege oder der Unternehmer seine Mitarbeiter vor dem Burn Out schützen?
„Man sollte versuchen, im Arbeitsalltag Nischen zu finden, die es dem Mitarbeiter erlauben, auf sich aufzupassen. Mit den Mitarbeitern Strategien durchsprechen, wie man mit Stress umgehen kann. Welcher Stresstyp man ist, kann mit entsprechenden Tests herausgefunden werden. Dann sollte das Selbstkonzept und die eigenen Ansprüche daran angepasst werden.“
Wie vermitteln Sie das in Ihren Seminaren für Führungskräfte im Pflegebereich?
„Inhaltlich geht es in den Kursen zunächst darum, was das Burn Out-Syndrom genau ist. Dann können sich die Teilnehmer anhand von Fragebogentests selbst analysieren und feststellen, in welcher Form sie auf Stress reagieren, also ob motorisch, vegetativ oder kognitiv. Dann spricht man Methoden des Stressmanagements durch. Die angehenden Führungskräfte lernen dabei, auf sich selbst zu hören und können das Wissen im Pflegealltag für sich selbst anwenden, aber auch weitergeben.“
Zur Person:
Christian Diekers, geboren 1955, ist Diplom-Psychologe, Psychoonkologe und NLP-Trainer. Seit 1987 gibt er Fort- und Weiterbildungen in den Bereichen Kommunikation, Psychohygiene, Mitarbeiterführung und Alten- und Krankenpflege z. B. bei der BAK - Die Bildungsakademie in Dortmund. Informationen zu den Seminaren gibt es unter www.b-akademie.de oder www.diekers.info.
Autor:Harald Gerhäußer aus Bochum |
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