Gutes Aufwachsen trotz Überschuldung - Aktionswoche Schuldnerberatung
„Chancenlose Kinder?“

Das Foto zeigt die Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberaterinnen Kathleen Thomas (vorn im Bild) und Astrid Simon der Beratungsstelle Gelsenkirchen der Verbraucherzentrale NRW mit dem Aktionsplakat.  | Foto: Verbraucherberatungsstelle Gelsenkirchen
  • Das Foto zeigt die Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberaterinnen Kathleen Thomas (vorn im Bild) und Astrid Simon der Beratungsstelle Gelsenkirchen der Verbraucherzentrale NRW mit dem Aktionsplakat.
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Gegenüber fast 750.000 Minderjährigen hat die Bundesagentur für Arbeit nach eigenen Angaben offene Forderungen mit einem Gesamtbetrag von über 273 Millionen Euro. „In der Regel haben Kinder und Jugendliche diese nicht verursacht, bekommen aber Post mit Rückforderungsbescheiden. Dass man diesen Forderungen aus der Kindheit widersprechen kann und muss, wissen viele nicht“, berichten Astrid Simon und Kathleen Thomas, Schuldnerberaterinnen der Verbraucherzentrale Gelsenkirchen.

Zur bundesweiten Aktionswoche Schuldnerberatung fordern die Verbraucherschützerinnen das Recht auf einen schuldenfreien Start ins Erwachsenenleben. Unter dem Motto „Chancenlose Kinder? – Gutes Aufwachsen trotz Überschuldung!“ wird ein Informationspaket geschnürt, damit die gerade volljährig Gewordenen ihre Rechte kennen und durchsetzen können – was gerade angesichts der vielen finanziellen Notlagen in Corona-Zeiten noch einmal an Aktualität gewinnt.
Schuldenfrei in die Volljährigkeit zu starten, ist ein Grundrecht – so hat das Bundesverfassungsgericht bereits vor über 30 Jahren entschieden. Und der Gesetzgeber hat eine Reihe von Regelungen festgeschrieben, damit der Schutzschirm für den unbelasteten Start auch wirkt.
„So sind Kinder und Jugendliche erst ab dem siebten Lebensjahr 'beschränkt geschäftsfähig'. Für die meisten Verträge benötigen sie die Einwilligung oder Genehmigung der sorgeberechtigten Eltern. Im Rahmen des Taschengeldparagrafen dürfen sie aber Buch, Computer-Spiel oder Kinoticket kaufen. Einen Fitnessstudio- oder Handyvertrag, für den über einen längeren Zeitraum gezahlt werden muss, dürfen sie nicht ohne Zustimmung der Eltern abschließen“, erläutern Kathleen Thomas und Astrid Simon.

Haftung kann beschränkt werden

Dennoch können Minderjährige mit Schulden belastet werden, wenn Eltern Verträge auf den Namen ihrer Kinder abgeschlossen oder genehmigt haben, die den Minderjährigen über den Kopf gewachsen sind.
„Wer volljährig wird, muss solche Schulden nicht uneingeschränkt bezahlen. Denn für Zahlungsverpflichtungen, die während Kindheit und Jugend entstanden sind, können die jungen Erwachsenen ihre Haftung beschränken. Haften müssen sie nur mit dem Vermögen, das sie bei Eintritt der Volljährigkeit besitzen, etwa dem Sparvermögen oder Geldgeschenken für den Führerschein, soweit diese vor dem 18 Geburtstag gemacht wurden. Unpfändbare Gegenstände, wie übliche Haushalts- und Gebrauchsgegenstände, werden hierbei nicht berücksichtigt. Ein normales, zwei Jahre altes Mobiltelefon darf man behalten“, kennen Thomas und Simon die Haftungsregeln.
Diese Beschränkungen gelten auch, wenn Behörden Geld zurückfordern. „Es kommt vor, dass das Jobcenter Geld für zu viel gezahlte Sozialleistungen zurückfordert, die die Eltern und sie selbst bekommen haben, als sie noch minderjährig waren“, erklären die Schuldnerberaterinnen. Die Forderungen resultieren meist daraus, dass Erhöhungen des Einkommens nicht rechtzeitig berücksichtigt worden sind.

Mitteilung auf schriftlichem Wege wichtig

„Leider wissen die jungen Leute oft nicht, dass sie für diese Nachforderungen häufig gar nicht geradestehen müssen. Sie müssen nur schriftlich reagieren und mitteilen, dass die Forderung während Kindheit und Jugend entstanden ist und sie deshalb von der Beschränkung der Haftung Gebrauch machen“, zeigen die Beraterinnen ein großes Informationsdefizit auf. Mit einem Musterbrief bietet die Beratungsstelle dabei Hilfestellung, um die Forderung unter Hinweis auf nicht vorhandenes Vermögen bei Eintritt der Volljährigkeit abzuwehren.
Als beste Lösung sieht die Verbraucherzentrale NRW, dass Forderungen gegen volljährig Gewordene nicht verfolgt werden sollen, sondern im Ergebnis die Eltern dafür geradestehen müssen.
„Dann wäre der schuldenfreie Start ins Erwachsenenleben garantiert“, so Kathleen Thomas und Astrid Simon. Die Bundesagentur für Arbeit arbeitet an einer technischen Lösung, wie volljährig Gewordene zeitnah verständlich über die Möglichkeiten zur Haftungsbeschränkung informiert werden können.
Infos sowie ein Musterschreiben gibt es im Internet: www.verbraucherzentrale.nrw/schuldenfrei-erwachsen.

Kontakt

Die Beratungsstelle der Verbraucherzentrale NRW in Gelsenkirchen befindet sich an der Robert-Koch-Straße 4. Erreichbar sind die Mitarbeiter unter Telefon 157603-06/-01, per Fax an 157603-10 sowie per E-Mail an gelsenkirchen.sib@verbraucherzentrale.nrw.

Autor:

Lokalkompass Gelsenkirchen aus Gelsenkirchen

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