Das Startup XignSys hat sich nach drei Jahren von seinem Ursprungsort, der Westfälischen Hochschule, abgenabelt
Auf dem Weg zur digitalen Stadt

Das Team von XignSys um seinen CEO Markus Hertlein (im rotkarierten Hemd, sitzend) inklusive Firmen-Hund Mailo (auf dem Arm) widmet sich als Internet-Sicherheit-Startup der Smartphone Bürger-ID. Foto: Gerd Kaemper
  • Das Team von XignSys um seinen CEO Markus Hertlein (im rotkarierten Hemd, sitzend) inklusive Firmen-Hund Mailo (auf dem Arm) widmet sich als Internet-Sicherheit-Startup der Smartphone Bürger-ID. Foto: Gerd Kaemper
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Sie benötigen einen Bewohnerparkausweis oder ein Führungszeugnis? Sie möchten sich innerhalb von Gelsenkirchen ummelden? Kein Problem: Nutzen Sie einfach Ihr Smartphone und die dazu von dem Gelsenkirchener Unternehmen XignSys erstellte App.

So können Sie von unterwegs oder dem heimischen Computer aus die Vorteile der digitalen Stadt genießen. Das ist heute zwar noch Zukunftsmusik, aber XignSys arbeitet auf Hochtouren an der Umsetzung.
Bekanntlich ist Gelsenkirchen seit Januar 2018 digitale Modellkommune im Rahmen des NRW-Landesprojektes „Digitale Modellregionen NRW“. Auf der Homepage der Stadt heißt es zur vernetzten Stadt: „Die Digitalisierung sorgt für einen tiefgreifenden Wandel in allen Lebensbereichen - privat, beruflich, gesellschaftlich und kulturell. Doch wie verändert Digitalisierung eine Stadt? Welche Chancen kann sie ergreifen, welche Risiken gilt es abzuwägen? Gelsenkirchen hat sich auf den Weg gemacht, digitale Zukunft zu gestalten - als in jeder Hinsicht vernetzte Stadt, in der Digitalisierung nicht um ihrer selbst willen vorangetrieben wird, sondern um ganz konkreten Nutzen für die Menschen der Stadt zu erzielen.“
Und genau hier setzt XignSys, das junge Unternehmen, das seit Juni mitten im Kreativquartier an der Bochumer Straße 139 ansässig ist, an. „Dieser Umzug war zum einen wichtig, weil ein Unternehmen sich im dritten Jahr seines Bestehens durchaus abnabeln sollte. Zum anderen sind wir an der Westfälischen Hochschule (WH), wo wir im Institut für Internet-Sicherheit angesiedelt waren, langsam aber sicher aus allen Nähten geplatzt“, schildert XignSys-CEO Markus Hertlein.
Zur Erklärung: Das seit dem 15. Juli 2016 als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) geführte Unternehmen ist innerhalb von sechs Monaten von vier auf 21 Mitarbeiter angewachsen. Bis Ende des Jahres befinden sich diese nun an der Bochumer Straße 139, danach geht es in moderne, helle und großzügige Räumlichkeiten an der Bochumer Straße 110.
Dabei ist es keine Selbstverständlichkeit, dass das Unternehmen in Gelsenkirchen bleibt, denn wie Hertlein schildert, gab es auch Angebote aus Berlin und anderen Städten. Doch der CEO von XignSys erklärt: „Der Umzug an die Bochumer Straße war eine bewusste Entscheidung. Denn hier können wir noch am Kiez mitwirken und wir sind anders als etwa in Berlin nicht einer von vielen. Damit setzen wir auch ein Zeichen für das Ruhrgebiet und zeigen, dass Gelsenkirchen mehr zu bieten hat als Schalke.“
Für die Bochumer Straße spricht aber auch die gute Anbindung an den Hauptbahnhof, der wichtig ist für Kooperationspartner, die oft von weither kommen. Hinzu kommt die direkte Nähe des Wissenschaftsparks mit seinen Forschungsinstituten und auch der stadt.bau.raum, in dem sich die Stabsstelle „Vernetzte Stadt“ befindet, ist noch nah dabei.
Die erste Finanzierungsrunde hat das Startup mit rund 1 Million Euro abgeschlossen, indem es Firmenanteile an Investoren verkauft hat, wie Markus Hertlein erläutert.
"Wir sind zusätzlich ein von der Telekom gefördertes Startup und bekommen dadurch kostenlosen Zugang zu eigentlich kostenpflichtigen Diensten."
Möglich wurde die Firmengründung durch ein Forschungsprojekt, das Hertlein zusammen mit Pascal Manaras am Institut für Internet-Sicherheit der Westfälischen Hochschule durchgeführt hat. Der 34-Jährige arbeitet seit seinem 13. Lebensjahr daran, sich mit einer eigenen Firma selbstständig zu machen, und hat dieses Ziel während seiner Schul- und Studienzeit nie aus den Augen verloren. Denn ihm war es wichtig, alles selbst bestimmen und eigene Ideen umsetzen zu können.
„Unser Forschungsprojekt an der WH befasste sich mit Ladesäulen zur Elektromobilität. Es ging darum, die Anmeldung an der Ladesäule über die neuen Funktionen des Personalausweises, Pin und Fingerabdruck, zu ermöglichen. Weil uns aber schnell klar war, dass sich diese Funktionen des Ausweises nicht durchsetzen würden, kam uns die Idee, das Ganze auf das Smartphone und eine App zu übertragen“, erklärt der Geschäftsführer von XignSys.
So hat er in seiner Freizeit einen ersten Prototypen entwickelt und konnte die App dann im Rahmen des Forschungsprojekts testen. „Dabei kam uns zugute, dass Prof. Dr. Norbert Pohlmann zu diesem Zeitpunkt gerade aus Stanford zurückkam und mit dem Spirit des Silicon Valley infiziert war“, weiß Hertlein.
Derzeit arbeitet XignSys an der Smartphone Bürger-ID, bei der die Stadt Gelsenkirchen als ausführende Hand des Landes NRW fungiert. Beteiligt sind neben Gelsenkirchen auch Aachen, ebenfalls digitale Modellkommune, und die WH mit dem Institut für Internet-Sicherheit.
Sebastian Wacowski hat Medieninformatik an der WH studiert und gehört zum Team des Startups. Er erläutert anhand eines Demonstrators die Erstellung eines Online-Antrages für einen Bewohnerparkausweis das Verfahren der App und siehe da, das Ganze wurde gezielt so entwickelt, dass es für jeden verständlich und durchaus auch für Nicht-Informatiker eine nutzbare und hilfreiche Errungenschaft ist. „Der Traum wäre, dass man sich im Bürgercenter einmal an einem Terminal registriert, um dann die meisten erforderlichen Verwaltungsvorgänge online tätigen zu können“, schwärmt Sebastian Wacowski. „Stellen Sie sich vor: Für einen Umzug innerhalb der Stadt melden Sie sich einmal auf dem Identitätsprovider an, ändern Ihre Adresse und fertig.“ Wobei dieser Traum noch lange Bestand haben wird, denn in Deutschland gibt es gesetzliche Hürden, die etwa die mit einer Unterschrift verbundenen Amtsgänge nur mit einer persönlichen Anwesenheit ermöglichen.
Auf jeden Fall denkbar wäre die Vergabe eines Bewohnerparkausweises. Das Verfahren würde die Verwaltungsmitarbeiter entlasten und ihnen Zeit geben, sich um aufwändigere Verfahren kümmern zu können. Der Nutzer müsste natürlich die App herunterladen, mittels eines QR-Codes könnte sich der Nutzer anmelden und durch die Abfrage persönlicher Daten und des Fingerabdrucks authentifizieren. „Dabei ist für den Nutzer wichtig, dass XignSys keine Daten verwaltet oder sammelt, sondern diese nur mit der Datenbank der Stadt abgleicht. Das ist sehr viel sicherer als die Verwendung von Passwörtern“, schildert Hertlein. Denn dem Unternehmen geht es ganz speziell um Internetsicherheit und Datenschutz.
Für November 2019 sind die ersten Testläufe geplant, spätestens 2020 soll auch Aachen mit einbezogen werden. Und Ende 2021 soll die Bürger-ID nach Möglichkeit flächendeckend in NRW genutzt werden können. „Nur so macht die Modellkommune auch Sinn“, erläutert XignSys-CEO Markus Hertlein. „Die Vorreiterrolle von Gelsenkirchen ist wichtig, aber das Ziel ist es, dass alle Kommunen des Landes an einem Strang ziehen, um etwa auch Umzüge von Kommune zu Kommune digital zu ermöglichen.“

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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