Beim Europa Parlament in Straßburg
ZWAR-Gruppe GE-Erle zu Besuch im Europäischen Parlament
Einmal hautnah Politik erleben. Sich als Europäer / Europäerin zu fühlen. Den Spirit von Europa einatmen. Das war der Wunsch zweier Handvoll Menschen der ZWAR-Gruppe Gelsenkirchen-Erle.
Dies sollte bereits im Oktober 2020 möglich sein. Die Fahrt war fest terminiert. Doch dann kam die Corona-Pandemie und mit ihr leider auch eine kurzfristige Absage. Verständlich, dass Besuchergruppen im Parlament verboten wurden. Trotzdem für uns ZWARler*innen enttäuschend.
Man kann es auch so sehen: Wir hatten nochmals fast drei Jahre Vorfreude auf diese besondere Städtetour. Und dann ging plötzlich alles ganz schnell: Innerhalb weniger Tage musste die Entscheidung getroffen werden, ob wir mit einer reduzierten Teilnehmerzahl von 8 Leuten nach Straßburg fahren möchten. Wir konnten und wir wollten.
Vom 13. -15. März 2023 brach eine kleine Delegation der ZWAR-Gruppe Erle auf Einladung eines Europa-Abgeordneten im Ruhrgebiet zu einer bildungspolitischen Fahrt nach Straßburg auf. Und wir waren nicht allein. Insgesamt fuhren 51 Interessierte mit dem Bus ab Bochum in Richtung Süden. Das Programm versprach abwechslungsreiche und interessante Tage.
Unser erster Halt war die Stadt Speyer. Bei einer Führung durch den geschichtsträchtigen Kaiserdom bekamen wir Informationen zu den Baumeistern und deren Verständnis von Architektur, dem Verhältnis von Kirche und Stadt und der Bedeutung des Doms bei gegenwärtigen Staatsbesuchen. Ein schöner Auftakt.
Nach weiteren kurzweiligen Fahrtstunden erreichten wir Straßburg. Dort war als erstes eine Stadtführung der besonderen Art geplant: Eine Bootsfahrt auf der Ill. Betrachtet man als Besucher einen Straßburg-Stadtplan, fällt auf, das die Innenstadt von der Ill umgeben ist. Sieht quasi aus wie eine Insel. Die Stadt auf dem Wasserweg zu erkunden ist sehr entschleunigend und vermittelt erste Eindrücke: Schleusen zur Überbrückung der unterschiedlichen Wasserpegel, niedrige schmale Brücken, typische elsässische Häuser, alte Gaststätten, neue Stadtviertel, Ansichten des europäischen Viertes mit dem Europaparlament, dem Fernsehsender „Arte“, Europarat, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte und vieles mehr…
Danach ging es mit dem Bus über die Grenze zurück nach Deutschland in den Schwarzwald. Unser Hotel „Renchtalblick“ in Oberkirch liegt ca. eine halbe Stunde von Straßburg entfernt. Leicht zu erreichen. Der Tag schloss mit einem gemeinsamen Abendessen und vielen netten Gesprächen.
Am nächsten Tag fuhren wir schon frühmorgens mit dem Bus zum Parlamentsgebäude nach Straßburg. Es wurde nach Louise Weiss benannt. Sie war Schriftstellerin und Aktivistin, aber vor allem eine der wichtigsten Wegbereiterinnen der europäischen Sache. Wir waren fasziniert von dem Gebäude, das 1994 von einem Architektenteam der Stadt Straßburg geplant und 1999 fertiggestellt
wurde. Nach einer kurzen Einweisung und dem Sicherheitscheck konnten wir erstmals den Gebäudekomplex betreten. Viele Besuchergruppen waren zeitgleich im Haus und es war eine organisatorische Leistung, die Wege so zu führen, das jederzeit Abstände gewahrt und trotzdem das geplante Programm durchgeführt werden konnte.
In einem separaten Raum sahen wir einen Kurzfilm über die Entstehung und Werte Europas. Uns wurde bewusst, das hier die politische Vielfalt in Europa reflektiert und geachtet wird. Und darüber hinaus in Debatten einen Konsens zu finden oft herausfordert ist. Anschließend stand eine Diskussion mit dem Europa-Abgeordneten sowie dem Institut der politischen Bildung auf der Agenda. Weitgefächerte Informationen ließen erahnen, wie politische Arbeit auf europäischer Ebene aussieht. Die wesentlichen Aufgaben des Parlaments sind: Mitwirkung an der Gesetzgebung, demokratische Kontrollrechte und Genehmigung des EU-Haushalts. Dazu gehören Bereiche wie z.B. wirtschaftliche Ordnungspolitik, Einwanderung, Energie, Verkehr, Umweltschutz,Verbraucherschutz u.v.m. Alle Gesetzesvorschläge werden über Monate hinweg durch die jeweiligen Fraktionen bzw. Ausschüsse in Brüssel vorbereitet. Einmal monatlich treffen sich dann bis zu 705 Abgeordnete für knapp eine Woche in Straßburg. Dort werden u.a. in einem Abstimmungs-Marathon Gesetze angenommen oder verworfen.
Wie das alles funktioniert – das konnten wir anschließend live im Plenarsaal von der Zuschauertribüne aus verfolgen. Roberta Metsola, die Präsidentin des Europäischen Parlaments, leitete die Plenarsitzung. Die Gesetze wurden von ihr mit der entsprechenden Bezeichnung aufgerufen und zur Abstimmung gebracht. Die Parteivorsitzenden gaben die Tendenz per Handzeichen vor. Jedoch konnte jede*r Abgeordnete nach eigenem Wissen und Gewissen anschließend per Knopfdruck abstimmen. Und dies muss nicht zwangsläufig mit der Meinung der Partei übereinstimmen. Das anschließende Ergebnis war direkt sichtbar auf der Moderationswand dargestellt. Etwa 650 Abgeordnete stimmten so fast im Minutentakt über eine Vielzahl von Vorlagen ab. Über Kopfhörer war es problemlos möglich, der Abstimmung zu folgen. In 24 Amtssprachen werden die Reden simultan übersetzt. Dolmetscher ermöglichen dies während der ganzen Sitzungszeit. Sie müssen mindestens 5 Sprachen beherrschen. Verschiedene „Arbeitsschichten“ gewährleisten eine hohe Konzentration, so dass eine Übersetzung in allen Landessprachen fast 100% gelingt. Dies ist natürlich auch wichtig, da offizielle Dokumente ebenfalls in der eigenen Amtssprache verfasst werden.
Ein gemeinsames Gruppenfoto mit allen Teilnehmern beendete unser Programm.
Der Bus brachte uns zurück zur Straßburger Innenstadt. Da der Parlament-Besuch mehr Zeit benötigte als eingeplant stand uns nur eine Stunde freie Zeit zur Verfügung, um z.B. einen Snack zu essen. Dies war notwendig, da der nächste Programmpunkt eine Besichtigung des historischen Weinkellers „Cave historique des Hospices“ incl. Weinprobe vorsah. Da ist eine gewisse Grundlage sinnvoll. Über 600 Jahre lang wurde im historischen Keller des Straßburger Krankenhauses Wein hergestellt.Die wechselnde Geschichte dieses Ortes aufzuführen würde hier den Rahmen sprengen. Zwei Stunden intensive Informationen prasselten über uns ein. Heute wird in dem Gewölbekeller zwar kein Wein mehr produziert, jedoch stehen hier gefüllte Weinfässer von ca. 30 Weingütern aus dem Elsass zur Reifung. Davon wird ein Teil auch für den Verkauf vor Ort in Flaschen abgefüllt. Tja, wenn man nur ein Auto vor der Tür hätte… Leider besteht mittlerweile ein Busverbot in der gesamten Innenstadt und Flaschen bis zum Bustreffpunkt zu tragen? Nein danke!
Den Tag rundete ein gemeinsames Essen im historischen Zentrum, dem Viertel „Petite France“, ab. Das Restaurant "Au Pont Saint Martin" bot einfache elsässischen Küche an. Natürlich fehlte auch der Flammkuchen nicht. Aber das Essen stand nicht im Mittelpunkt, sondern die Gespräche in den einzelnen kleinen Tischgemeinschaften. Auch unser Europa-Abgeordnete war hinzugekommen. Hier konnte nochmals die Gelegenheit zum Austausch genutzt werden. Gegen 21:30 Uhr fuhren wir zurück zum Hotel.
Am nächsten Morgen hieß es nach dem Frühstück: Auschecken. Nicht ohne ein Lunchpaket für unsere Weiterfahrt im Gepäck. Wir fuhren nochmals nach Frankreich. Diesmal war ein historisches Gebäude aus dem 18. Jahrhundert unser Ziel: Das „Hôtel De Ville“ – Rathaus der Stadt Straßburg. Dort empfing uns einer der 20 Bürgermeister von Straßburg, um uns zu nach einem in Deutsch (!) gehaltenen Impulsvortrag zu Vergangenem und Gegenwärtigem Fragen rund um Straßburg und
Europa zu beantworten. Die Geschichte des Europäischen Parlaments beginnt bereits 1952 im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), einer der
Vorgängerorganisationen der EU. Zu Beginn war es nur ein beratendes Gremium, mittlerweile entscheidet es zusammen mit dem Ministerrat über EU-Gesetze. Auch innenpolitische Belange aus Straßburg (Parteienzusammensetzung, Umweltschutz, Frauenrechte u.v.m.) wurden angesprochen.
Nach einer anschließenden Stärkung bei Kaffee und typischem elsässischen Gebäck verabschiedeten wir uns. Unser Bus wartete schon und brachte uns sicher zurück zum Europabüro Ruhrgebiet nach Bochum.
Fazit: Eine Städtereise mit vielen Informationen, unvergesslichen Eindrücken und vielerlei
Begegnungen. Ach übrigens: Im nächsten Jahr 2024 sind wieder Neuwahlen. Wahlberechtigt sind Bürger der Europäischen Union, entweder in dem Land ihres Wohnsitzes oder in ihrem Herkunftsland. Also 27 Mitgliedsstaaten. Bestimmen wir mit, wer in Brüssel und Straßburg unsere Interessen vertritt. Es ist die einzige EU-Institution, die direkt gewählt wird. Also: Wählen gehen!
Für die ZWAR Gruppe geschrieben von Erika Salewsky
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