Wahl der Selbstverwaltungen
Gigantische Briefberge müssen in den kommenden Wochen befördert werden. In Nordrhein-Westfalen sind es zehn Millionen rote Briefe, die noch bis Ostern ausgeliefert und bis zum 1. Juni an den Absender zurückgeschickt werden sollen. Dabei handelt es sich um keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Post, sondern um die Sozialwahl 2011.
von Harald Gerhäußer
GE. Alle sollen wählen, aber keiner weiß so recht, was überhaupt gewählt werden soll. So erscheint es, wenn man in diesen Tagen auf die Sozialwahl – immerhin die größte Briefwahlaktion der Bundesrepublik – zu sprechen kommt. Allerdings ist die Wahlbeteiligung in den seit 1953 alle sechs Jahre stattfindenden Wahlen nie über 43,9 % (1986) hinaus gekommen, lag sogar meist deutlich drunter, etwa mit 20,5 % im Jahr 1968.
Die bisherigen Wahlen im Jahr 2011 ließen einen Trend zur höheren Wahlbeteiligung erkennen. Vielleicht erleben wir im sogenannten „Superwahljahr 2011“ bei der Sozialwahl einen Rekord?
Soziale Fragen werden in Deutschland immer wichtiger und immer kontroverser diskutiert. Die Sozialwahl sollte den Bürgern also am Herzen liegen, denn hier können sie ihren direkten Einfluss auf die Rentenversicherung,Unfallversicherung und Krankenversicherungen nehmen. Aber was genau verbirgt sich hinter der Sozialwahl? Die Sozialwahl ist nach der Bundestagswahl und der Wahl zum Europäischen Parlament die drittgrößte Wahl in Deutschland. Sie gewährleistet die Demokratie in der Sozialversicherung.
Bei der Sozialwahl werden die Parlamente der Sozialversicherung gewählt.
In der Deutschen Rentenversicherung Bund(DRVB) heißt das Parlament Vertreterversammlung. Die Ersatzkassen nennen es Parlamente und deren Mitglieder Verwaltungsräte. Gewählt wird die ehrenamtliche Selbstverwaltung – alle gewählten Vertreter arbeiten also ehrenamtlich.
Zu den Aufgaben der Parlamente gehören eine Vielzahl an wichtigen, den Versicherten direkt betreffenden Entscheidungen:
- Die Selbstverwaltungen in der gesetzlichen Unfallversicherung setzen u.a. Unfallverhütungsvorschriften fest, legen die Gefahrentarife fest, legen die Höhe der Beiträge fest usw.
- Bei der gesetzlichen Krankenversicherung entscheiden die Selbstverwaltungen z.B. darüber, welche Präventionsmaßnahmen gefördert oder übernommen werden, stellen den Haushaltsplan fest und beauftragen Wirtschaftsprüfer zur Prüfung von Betriebsabläufen etc.
- Die Selbstverwaltung in der gesetzlichen Rentenversicherung entscheidet u.a. darüber, welche Reha-Maßnahmen übernommen werden, wählt den ehrenamtlichen Vorstand, richtet ehrenamtlich besetzte Widerspruchsausschüsse ein, welche die von der Verwaltung der Rentenversicherung getroffenen Entscheidungen überprüfen.
Die Sozialwahl ist eine Listenwahl und eine reine Briefwahl. Sämtliche Wahlunterlagen gehen dem Wähler mit der Post zu und können kostenfrei zurückgeschickt werden. Es kandidieren Versicherte der Sozialversicherungsträger. Sie sind in der Regel Mitglieder von Organisationen und Interessensgruppen. Diese stellen sie als ihre Kandidaten in Listen auf. Darüber hinaus können Versicherte auch mit eigenen Freien Listen kandidieren.
Wer bei der DRVB versichert und auch Mitglied einer der Ersatzkassen ist, erhält zwei Wahlbriefe und darf auf zwei Wahlzetteln jeweils eine Liste ankreuzen. Wer zusätzlich bei der Unfallversicherung wahlberechtigt ist, darf dreimal abstimmen. Pro Stimmzettel darf allerdings nur eine Liste angekreuzt werden, sonst ist die Stimme ungültig.
Bis zum 1. Juni kann man seine Stimme abgeben und damit das demokratische Organ der Selbstverwaltung stärken. Aber auch die eigenen Interessen kann man bei der Wahl vertreten: Denn „eine starke Selbstverwaltung wird in der Politik gehört. Stark ist die Selbstverwaltung, wenn sie durch eine hohe Wahlbeteiligung legitimiert ist“, sagt der Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund Dr. Herbert Rische.
Autor:Harald Gerhäußer aus Bochum |
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