Verkaufsoffene Sonntage: „Eine Frage der Kultur“

Der Arbeitskreis Kirche-Gewerkschaft ist eine Männerrunde mit Mark Rosendahl (DGB Emscher-Lippe), Sozial- und Industriepfarerr Dieter Heisig (Ev. Kirchenkreis), Michael Sievers (verdi), Werner Skiba (KAB) und Propst Markus Pottbäcker (Katholische Stadtkirche). Gemeinsam hoffen die Arbeitskreis-Mitglieder, in deren Reihen noch Superintendent Heiner Montanus, Klaus Wehrhöfer von Kolping und Eckhard Jeczkowski von der EAB fehlen, dass der Rat einlenkt und nicht alle elf gewünschten verkaufsoffenen Sonntage in
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  • Der Arbeitskreis Kirche-Gewerkschaft ist eine Männerrunde mit Mark Rosendahl (DGB Emscher-Lippe), Sozial- und Industriepfarerr Dieter Heisig (Ev. Kirchenkreis), Michael Sievers (verdi), Werner Skiba (KAB) und Propst Markus Pottbäcker (Katholische Stadtkirche). Gemeinsam hoffen die Arbeitskreis-Mitglieder, in deren Reihen noch Superintendent Heiner Montanus, Klaus Wehrhöfer von Kolping und Eckhard Jeczkowski von der EAB fehlen, dass der Rat einlenkt und nicht alle elf gewünschten verkaufsoffenen Sonntage in
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Am Donnerstag, 22. Februar, entscheidet der Rat der Stadt Gelsenkirchen über die vom Handelsverband Westfalen West beantragten verkaufsoffenen Sonntage in diesem Jahr. Elf Sonntage mit den entsprechenden Festivitäten wurden so zur Entscheidung gestellt und die Aussichten, dass sie genehmigt werden, stehen gut. Das aber möchte der Arbeitskreis Kirche-Gewerkschaft so nicht stehen lassen.

Nach den offenen Läden, die offenen Schulen?

Der Arbeitskreis debattiert immer wieder über Arbeitszeiten, die immer flexibler und nach den Wünschen der Unternehmer ausgerichtet werden. Die neuen Medien machen darüber hinaus eine ständige Verfügbarkeit von Arbeitnehmern möglich, kollektive Ruhezeiten treten mehr und mehr in den Hintergrund. Das veranlasst die Vertreter der Kirchen, kirchlichen Arbeitnehmerorganisationen und Gewerkschaften, die Diskussion nun neu und breit anzuregen.
„Wir wollen nicht, dass weitere Ladenöffnungszeiten im stillen Kämmerchen des Rates der Stadt und der Bezirksvertretungen beschlossen werden. Denn schon bald könnten den Geschäften weitere Betriebe folgen. Denn was spricht dagegen, an einem Sonntag sein Auto anzumelden oder Schulunterricht zu haben?“, gibt der evangelische Sozial- und Industriepfarrer Dieter Heisig zu bedenken.
Die Beteiligten sehen die Interessen der Arbeitnehmer bedroht, sie erinnern daran, dass der Ausgleichstag irgendein Wochentag sein wird, an dem die Familie nicht wie an einem Sonntag beisammen sein kann, und sie befürchten eine gesellschaftliche Veränderung, deren Ende nicht abzusehen ist.
Denn die schwarz-gelbe Landesregierung plant die totale Öffnung der Ladenschlusszeiten, damit der Einzelhandel vor Ort mit den Internet-Anbietern konkurrieren kann. „Doch selbst die Internetanbieter gehen mittlerweile dazu über, Geschäfte vor Ort zu eröffnen“, erinnert der für den Handel zuständige Gewerkschaftssekretär von verdi, Michael Sievers.

60 Ratsmitglieder angeschrieben

Der Arbeitskreis hat alle 60 Stadtverordneten des Rates der Stadt angeschrieben und um eine persönliche Stellungnahme abseits des Fraktionsgebarens gebeten. Antworten gingen elf ein, wobei die SPD-Ratsfraktion die Abstimmung im Gegensatz zu dem Arbeitskreis nicht als Gewissens-, sondern als Sachfrage sieht und geschlossen für die beantragten Öffnungen stimmen wird.
Damit ist für den Arbeitskreis Handlungsbedarf und es soll ein Prozess in Gang gesetzt werden, der die Menschen anspricht, die sensibilisiert und zur Diskussion bereit gemacht, um das Für und Wider abzuwägen. Dabei erinnert Stadtdechant und Propst Markus Pottböcker an die Diskussion im Zuge des Heiligabends, der im vergangenen Jahr auf einen Sonntag fiel: „Die Menschen waren sich hier schnell einig, dass es nicht nötig ist, auch noch an diesem Tag einkaufen gehen zu können. Das zeigt, dass sie sich damit auseinander gesetzt haben und sich für die Arbeitnehmerinteressen entschieden haben.“
Dabei wollen die Mitglieder des Arbeitskreises keinesfalls „als Kreis der versammelten Spaßbremsen“ auftreten, sondern nur zur Diskussion anregen.
Mark Rosendahl, Geschäftsführer des DGB Emscher-Lippe, stellt klar: „Die Rechtslage legitimiert die Entscheidung des Rates. Das ist uns klar. Aber wir müssen uns in diesem Zusammenhang immer wieder den zunehmenden Druck im Arbeitsleben vor Augen halten. Die Gewerkschaft muss heute um Freizeit für die Arbeitnehmer in allen Branchen kämpfen. Bisher war es so, dass Kirchen und Gewerkschaften quasi rituell den Sonntagsöffnungen widersprochen haben. Durch die Pläne der Landesregierung sind wir nun aber auch gewillt, unseren Widerstand zu erhöhen.“
Dem schließt sich Michael Sievers an: „Die Sonntagsöffnungen werden von den großen Kaufhäusern vorangetrieben. Kleinere inhabergeführte Einzelhandelsbetriebe ziehen nur mit, das wissen wir aus unseren Gesprächen. Das alles wird auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen, denn jede zweite Stelle im Handel ist heute befristet. Natürlich wird ein davon Betroffener nicht ablehnen, wenn er gefragt wird, ob er am Sonntag arbeiten würde. Außerdem sind 68.000 Einzelhandelsmitarbeiter in Deutschland derzeit Aufstocker, weil sie nicht genug zum Leben verdienen. Und was viele auch nicht bedenken, den Sonntagszuschlag gibt es nur für Beschäftigte mit einem Tarifvertrag, den haben aktuell in Westdeutschland aber nur noch 38 Prozent aller im Handel Tätigen. Darum fordern wir einen allgemeinverbindlichen Tarif für den Handel.“
Noch hofft Sievers darauf, dass es in Gelsenkirchen nicht dazu kommt, dass das Verwaltungsgericht über Sonntagsöffnungen entscheiden muss, wie es im letzten Jahr in Essen und Bochum der Fall war.

Der Sonntag sollte ein Familientag bleiben

Stadtdechant Markus Pottbäcker fühlt sich als Vorsitzender der katholischen Stadtkirche selbst als Arbeitgeber, der Sonntagsarbeit einfordert, denn die Kirche beschäftigt Organisten und Küster gerade an diesen Tagen. Aber auch er gibt zu bedenken: „Der Sonntag ist ein Tag, an dem die Familie zusammen sein kann. Ein flexibler Tag zerreist die Familie, weil jeder einen anderen freien Tag haben könnte. Und da stellt sich die Frage: Welche Kultur wollen wir für unser Land? Wenn mit dem Besuch von 10.000 Bürgern bei einem verkaufsoffenen Sonntag mit Fest prognostiziert werden, wo sind dann die anderen 250.000 Gelsenkirchener? Ich wette, wenn wir eine Umfrage machen würden, wer in Gelsenkirchen für die Abschaffung der Parkgebühren stimmen würde, würden wir bei den Bürgern auf 100 Prozent der Stimmen kommen, aber das wäre keine Option für die Politik. Aber nur weil "das alle machen", was immer wieder gern angeführt wird, müssen wir noch lange nicht nachziehen."
Gemeinsam hoffen alle, dass durch den von ihnen angestoßenen Prozess der Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung erhöht wird. Dabei geht es nicht darum, die Menschen am Sonntag in die Kirchen zu locken, wie der Stadtvorsitzende der KAB Werner Skiba erklärt. „Das Gesetz erlaubt jetzt schon vier offene Sonntage pro Jahr, aber nicht pro Stadt. Für Essen hat das im letzten Jahr 40 Sonntage bedeutet. Und das kann so nicht sein.“
Und weil der Arbeitskreis der Ansicht ist, dass er sich bisher nicht lautstark genug zu Wort gemeldet hat, will er nun mehr auf das Thema aufmerksam machen. Ein Anliegen wäre dabei, dass die Landesregierung in Sachen Öffnungszeiten dazu übergehen sollte, diese zu gestalten, aber nicht sie zu entfesseln.

Die Arbeitsdichte nimmt stetig zu

„Vor zehn Jahren hatten wir noch eine andere Arbeitsdichte als heute. Damals hätte sich keiner von uns daran gestoßen. Heute gilt aber: Nichtstun kann keine Alternative sein. Und darum wollen wir nun Gespräche führen“, gibt sich Mark Rosendahl kämpferisch.
Propst Pottbäcker legt nach: „Wir wollen einen Prozess in Gang setzen und suchen nun das Gespräch mit der Bevölkerung. Und so hoffen wir, uns mit kleinen Schritten unserem Ziel langsam anzunähern.“ "Sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag Einkaufen im Internet können wenige verkaufsoffene Sonntage nicht wettmachen."
Dieter Heisig,
Industrie- und Sozialpfarrer,
Evangelischer Kirchenkreis
"Geschäfte könnten dem Onlinehandel entgegen wirken, wenn sie in ausreichender Zahl qualifiziertes Personal beschäftigenwürden."
Michael Sievers,
verdi-Gewerkschaftssekretär

Der Arbeitskreis Kirche-Gewerkschaft ist eine Männerrunde mit Mark Rosendahl (DGB Emscher-Lippe), Sozial- und Industriepfarerr Dieter Heisig (Ev. Kirchenkreis), Michael Sievers (verdi), Werner Skiba (KAB) und Propst Markus Pottbäcker (Katholische Stadtkirche). Gemeinsam hoffen die Arbeitskreis-Mitglieder, in deren Reihen noch Superintendent Heiner Montanus, Klaus Wehrhöfer von Kolping und Eckhard Jeczkowski von der EAB fehlen, dass der Rat einlenkt und nicht alle elf gewünschten verkaufsoffenen Sonntage in
"Sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag Einkaufen im Internet können wenige verkaufsoffene Sonntage nicht wettmachen," glaubt Dieter Heisig,
Industrie- und Sozialpfarrer des evangelischen Kirchenkreises.
Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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