Unzufriedenheit – Immer warten, bis andere was tun

Aufmerksamen Lesern wird vielleicht schon aufgefallen sein, dass facebook für mich eine Quelle geworden ist, in der sich Menschen präsentieren, die man im wirklichen Leben so kaum entdecken kann. Was nicht ins Gesicht gesagt wird, lässt sich virtuell wunderbar schnell hinschreiben. Und damit entwickeln sich Psychogramme, die durchaus interessant sind. Man lernt Menschen besser verstehen. Es gibt jene, die sich interessieren und jene, die immer Recht haben und einer Auseinandersetzung und Diskussion nicht fähig sind. Und hier steckt sie: Die Unzufriedenheit.

Es ist kein Geheimnis, dass ich ein politischer Mensch bin und somit viel hinterfrage und immer auf der Suche nach Antworten bin. Dabei lässt es sich nicht vermeiden auf Menschen zu treffen, die in diesem kapitalistischen System zwar eine Unzufriedenheit erfahren, jedoch nicht erkennen, woher sie kommt. Die Gefahr lauert darin, die Schuldfrage in der abstrakten Allgemeinheit zu suchen, als bei sich zu beginnen, Veränderungen herbeizuführen, welche den Zustand der Unzufriedenheit ändern könnte. Man kennt dieses Gefühl und dies zu verlassen, um glücklich zu werden, bedeutet Angst. Angst vor Veränderung, Angst vielleicht die Erkenntnis zu erlangen, doch im Unrecht gewesen zu sein. Jedoch ist Angst bekanntlich ein schlechter Berater.

So ist es unvermeidlich, bei politischen Auseinandersetzungen über Aussagen zu stolpern wie „Die Deutschen gehen doch nicht auf die Straße“, „Die anderen tun ja nix“, „Die sind doch alle lethargisch“, die, die, die. Aber ist es nicht so, dass man sehr lange warten kann bis dass andere etwas tun, wenn man nicht selbst beginnt, Veränderungen herbeizuführen? Im besten Fall schließen sich Menschen an, man wird unterstützt und begleitet. Aber auch das öffentliche Auseinandersetzen, Fragen stellen, lernen, sich öffnen, kann schon Veränderung herbei führen. Jeder hat sein eigenes Tempo und seinen eigenen Mikrokosmos, in dem er was bewirken kann, wenn – ja wenn man denn auch was bewirken will. Oder wird lieber auf den Ritter, der hoch auf dem Schimmel sitzt, gewartet, der uns alle erlöst? Folgende Diskussion ergab sich kürzlich bei facebook, die recht beispielhaft ist für das, was ich regelmäßig erlebe.

Er: Der Deutsche ist schon in Lethargie verfallen.. LEIDER..

Ich: Der Deutsche? Ich hab auch so einen Pass und bin in dieser Sache sehr aktiv. Und Du?

Er: Ich genieße meine kleine Rente und bin aus dem Alter heraus, noch auf die Straße zu rennen

Ich: Ach, die Gemeinschaft ist Dir also egal. Es geht Dir nur um Dich? Dann ist das keine Lethargie, dann ist das Egoismus. Denn die Rente muss von der aktuellen arbeitenden Generation bezahlt werden, die aber nicht mehr genug verdient.

Er: @Sandra..Ich habe mich in meinen Leben oft genug aufgelehnt und nun wünsche ich anderen viel Spaß, mit den Kopf durch die Wand zu rennen und wenn Du genug findest, wird es schon klappen.. Übrigens, ich bin wählen gegangen..

Hier beginnt es schon, der Versuch, den Gesprächspartner zu erniedrigen. „Mit dem Kopf durch die Wand rennen” wird das politische Engagement, welches in einer Demokratie notwendig ist, dann genannt. Hat er nicht vorher die Lethargie bemängelt? Es ist also nicht wirklich verständlich, was der Diskussionspartner denn nun will. Ich vermute, das Problem ist ganz individuell anders gelagert. Unzufriedenheit?

Ich: Du zeigst mit den Fingern auf andere, bist aber nicht besser. Nun, Deine Rente wird nicht der Burner sein. Die Inflation wird sie mit der Zeit auffressen, die Lebenshaltungskosten werden steigen, Deine Rente nicht. Und dann stehst Du da und gerätst immer mehr unter Druck, weil Du Deine Wohnung nicht mehr bezahlen kannst, es aber auch keinen bezahlbaren Wohnraum mehr gibt. Nun, ich wünsche Dir ein sorgenfreies Leben, aber ruh Dich nicht drauf aus.

Er: .Na, für einen Strick, wird die Rente noch reichen..aber die Jugend kann noch was verändern..Ich wünsche Dir, noch einen schönen Feiertag..Glück Auf

Und nun kommt Polemik ins Spiel. Die Diskussion verlässt immer mehr den sachlichen Boden. Ich versuche es mit Provokation, gezielt eingesetzt und wohl wissend, dass eine heftige Reaktion die Antwort sein wird. Aber ich hoffte, damit einen Kanal zu öffnen, in dem man einen sachlichen Punkt finden kann. Der bot sich dann leider nicht.

Ich: Du gibst ein typisches Beispiel von den Menschen ab, die auf andere Zeigen, aber sich selbst nicht wahrnehmen. Im Grunde bist Du ein Demokratieschmarotzer, der andere für den Erhalt der Errungenschaften schuften lässt und sich auf seinen “Lorbeeren” ausruht. Nicht Gemeinschaftsfähig. Da hilft nur facebook *smily*

Er: @ Sandra..Du kennst mich nicht und Deine Anschuldigungen lassen mich darauf schließen, dass Du eine arme “frustrierte Kampf-Emanze” bist, die zwar nicht dumm ist, aber nur viel Pech beim Nachdenken hat..In diesen Sinne..BWG und Tschüssss.

Er hat denn Ball nicht aufgefangen. Jedoch bestätigte er meine Vermutung, dass das Zeigen auf andere und die fehlende Reflektion auf sich genau die Zerrissenheit und Unzufriedenheit in ihm hervorrief, die ich mit meiner Provokation auf dem Silbertablett geliefert bekam. Nun meine finale Reaktion, denn mehr war leider nicht mehr aus der Diskussion herauszuholen.

Ich: Du gibst hier genug zwischen den Zeilen von Dir preis, dass man schon schnell mitbekommt, wie Du tickst. Dein Zitat “Der Deutsche ist schon in Lethargie verfallen.. LEIDER..” zeigt, dass Du Erwartungen hast. Denn, DER DEUTSCHE muss was tun (aber er ist in Lethagie verfallen). In dem Wort Erwartung steckt WARTEN. Du wartest. Auf was? Dass es besser wird? Geht es Dir also doch nicht so gut, hast nur aufgegeben. Denn in der Vergangenheit hast Du ja schon so viel (erfolglos?) gemacht? Ich gebe das mit dem Frustriert sein mal wieder zurück. Und “Glück auf” ist das neue “Basta”. Du fühlst Dich in dieser Auseinandersetzung (inhaltlich?) überfordert. Ich habe einen wunden Punkt bei Dir getroffen, den Du nun mit Beleidigungen bekämpfen willst. Nun, ich kenne Dich nicht? Vielleicht kennst Du Dich nicht.

Er: ..Gäääääähhhhhhnnnn..

Da hatte ich wohl recht.

Dennoch gibt es sie, die Aktiven, die Offenen. Menschen, die sich auseinandersetzen, Gemeinschaften finden, Projekte umsetzen. Denn es ist immer wieder schön, in der Gemeinschaft was zu bewegen. Durch Engagement vereinsamt man nicht und lernt dazu. Das macht zufrieden und bisweilen auch glücklich. Und ist es nicht das, was wir alle anstreben sollten? Das Glücklich sein!

Nachtrag: „Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen.“

(Kurt Marti)

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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