Und wo lassen wir die Patienten?
GE. Die Zeit am Ende des Jahres wird gern einmal genutzt, um sogenannte „Luftschlösser“ zu bauen. Um ein solches könnte es sich auch bei dem Vorstoß des Gesundheitsexperten Jens Spahn in der CDU-Bundestagsfraktion handeln, der „zwischen den Jahren“ im Namen seiner Partei in der Süddeutschen Zeitung von der nächsten Gesundheitsreform deutliche Verbesserungen für die Patienten forderte. Dazu soll noch in diesem Jahr ein neues Versorgungsgesetzt auf den Weg gebracht werden. Das bedeutet im Klartext: Zweibett-Zimmer als Standard, geringere Wartezeiten bei Fachärzten und ein besseres Versorgungsnetz mit Ärzten im Allgemeinen. Sind seine Ideen umsetzbar?
Von SIlke Sobotta
Der Stadtspiegel geht in Gelsenkirchen dieser Frage nach und informiert sich bei Krankenhäusern und der Kassenärztlichen Vereinigung über diese Anregung.
Jeder, der schon einmal als Patient seine Zeit in einem Krankenhaus verbringen musste, wird diesen Vorstoß mit Wohlwollen betrachtet haben. Sicherlich legt niemand gesteigerten Wert darauf, sein Krankenzimmer, in dem er sich von einer Operation oder Krankheit erholen soll, mit mehreren Leuten zu teilen. Für Privatpatienten steht dieses Problem gar nicht erst an, weil sie in der Regel ohnehin mit maximal einem Bettnachbarn ein Zimmer teilen müssen. Aber wie sieht es mit dieser Forderung der CDU durch ihren „Nachwuchspolitiker des Jahres 2010“ Jens Spahn in der Gelsenkirchener Realität aus?
Die Evangelischen
Kliniken
Die Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen verfügen bereits über 146 Zweibett- und 18 Einzelzimmer. Lediglich 31 Dreibettzimmer gibt es noch in dem Komplex in der Munckelstraße. Entsprechend gelassen sieht Dr. Karl Bosold, Geschäftsführer der Evangelischen Kliniken, dem Vorstoß Spahns entgegen: „Im Sinne der Patienten begrüße ich den Wunsch nach Zweibettzimmern. Die größten Schwierigkeiten sehe ich dabei in der Finanzierbarkeit, die durch die Länder sichergestellt werden muss.“
Dem kann sich Pflegedirektor Thomas Koch nur anschließen, der aus der Erfahrung weiß:„Die Herausforderung im Betriebsalltag der EVK ist es, mit den vorhandenen Zimmern neben den Wahlleistungen auch die individuellen Erforderlichkeiten der Patienten zu berücksichtigen, wie z.B. Einzelunterbringung aufgrund des Schweregrades der Erkrankung, hygienische Erforderlichkeiten oder der Pflegeintensität.“ Langfristig wünschen sich nach Aussage von Corinna Lee, der Öffentlichkeitsreferentin der Evangelischen Kliniken, auch die EVK nur noch Zweibettzimmer, aber das muss eben auch machbar sein.
Die Marienhospitäler in
Gelsenkirchen und Buer
Auch Ute Kwasnitza, Öffentlichkeitsreferentin der St. Augustinus GmbH, in deren Zuständigkeit das Marienhospital Gelsenkirchen und das Sankt Marien-Hospital in Buer fallen, sieht ebenfalls die Patienten an erster Stelle: „Wir haben vorwiegend Dreibettzimmer, und das bei einer sehr guten Auslastung. Von daher stellt sich uns die Frage: Wohin mit den Patienten, wenn wir nur noch Zweibettzimmer anbieten würden? Man kann sich ja problemlos vorstellen, dass es nicht weniger Patienten geben würde, nur weil weniger Betten angeboten werden können. Und genau da sehe ich das Problem, das auf die Krankenhäuser zu käme.“
Die Öffentlichkeitsreferentin fordert darum zu Recht die Politik auf, bei solchen Vorstößen auch das Umfeld zu schaffen, das eine solche per Gesetz beschiedene Regel ermöglicht.
„Aufgabe der Krankenhäuser ist es, den Versorgungsaufrag und die Behandlung der Patienten sicherzustellen. Dass dabei die Serviceleistung ständig verbessert und modernisiert wird, versteht sich von selbst. Nur auf die Krankheitsfälle hat das Krankenhaus keinen Einfluss, die Politik aber auch nicht“, stellt Kwasnitza klar.
Kassenärztliche
Vereinigung WL
Bei den Haus- und Fachärzten in Gelsenkirchen spiegeln die Zahlen, die auf dem Bedarf von vor mehr als zehn Jahren beruhen, quasi eine Überversorgung vor. „Aber das gilt für heute. Wenn man berücksichtigt, dass gut 40 % der heutigen Hausärzte über 55 Jahre alt sind, dann kann man sich ausrechnen, dass in zehn Jahren rund die Hälfte von ihnen wegfällt“, schildert der Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe in Gelsenkirchen, Dr. Werner Kirchberg.
Trotzdem entstehen auch heute mitunter Wartezeiten bei Fachärzten, weil sie je nach Fachgruppe eben nicht in einem Übermaß vertreten sind. „Man muss auch berücksichtigen, dass viele der heute Medizin Studierenden später gar nicht in die medizinische Versorgung gehen, sondern eher in die Forschung und Wirtschaft oder auch ins Ausland“, weiß Dr. Kirchberg. „Und 70 % der Medizinstudenten sind Frauen, das bedeutet, dass sie irgendwann in die Familienphase gehen oder aber ihre Arbeitszeiten reduzieren. Das stellt die Städte und die Krankenhäuser auch vor die Aufgabe, diesen Frauen Kindergartenplätze zur Verfügung zu stellen, damit sie nicht langfristig ausfallen.“
Wünschenswert wäre für den Arzt, wenn das Gesetz die Arbeitsbedingungen der Mediziner verbessern würde. „Das und weniger Bürokratie würde vielleicht auch wieder mehr junge Leute in die Medizin locken“, wünschte sich Dr. Kirchberg.
Jens Spahn, gesundheitspolitischer
Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion
„In den vergangenen Jahren wurde den Krankenhäusern und Ärzten mehr Geld zur Verfügung gestellt. Dieses muss jetzt auch endlich bei den Patienten ankommen. Zweibettzimmer in Krankenhäusern müssen die Regel, Wartezeiten bei Fachärzten erheblich verkürzt und die ärztliche Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen verbessert werden. Das alles soll ein Versorgungsgesetz regeln, das noch in diesem Jahr verabschiedet werden wird.“
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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