TTIP - Gewinn oder Gefahr?

Der Gelsenkirchener Markus Töns ist Mitglied im Ausschuss der Regionen (AdR) bei der Europäischen Union. Als solches ist er häufig zu Gast im Europaparlament und besucht die SPE, die Sozialdemokraten auf europäischer Ebene.Foto: Privat
  • Der Gelsenkirchener Markus Töns ist Mitglied im Ausschuss der Regionen (AdR) bei der Europäischen Union. Als solches ist er häufig zu Gast im Europaparlament und besucht die SPE, die Sozialdemokraten auf europäischer Ebene.Foto: Privat
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Der Gelsenkirchener Politiker Markus Töns ist Politologe, SPD-Landtagsabgeordneter in NRW und Mitglied im Ausschuss der Regionen (AdR) bei der Europäischen Union. Das macht ihn zu einem "Kenner" in Sachen TTIP, das derzeit in aller Munde ist.

Stadtspiegel: Vor einigen Wochen sorgten die durch Hacker veröffentlichten Papiere zu TTIP für viele Schlagzeilen. Hat sie die öffentliche Diskussion überrascht?
Töns: „Ehrlich gesagt – ja. Als einer der wenigen Mitglieder des Ausschusses der Regionen habe ich ja Zugang zu dem Leseraum, in dem auch die Mitglieder des Europäischen Parlaments Einblick in die Papiere nehmen können. Insofern wusste ich, dass in den Papieren gar nichts so geheimnisvolles stand. Die unterschiedlichen Positionen der amerikanischen und europäischen Seite waren doch auch vorher bekannt.“

Wie muss man sich denn diesen Leseraum vorstellen?
„So besonders ist er gar nicht. Es ist halt nur so, dass immer ein Mitarbeiter der Kommission anwesend ist, der auf der einen Seite hilft, wenn man bestimmte Unterlagen lesen will, auf der anderen Seite natürlich auch aufpasst, dass man nichts fotografiert oder kopiert oder gar mitnimmt. Jeder Ordner ist personalisiert, auf allen Seiten steht der Name des Lesers und selbst die Notizzettel, die man sich anfertigen darf, sind gekennzeichnet. Das Hauptproblem ist aber, dass alle Papiere in Wirtschaftsenglisch verfasst sind, dass nicht besonders leicht zu lesen und zu übersetzen ist.“

Worin liegt denn nun die besondere Brisanz der TTIP-Verhandlungen?
„Das Hauptproblem besteht darin, dass die Amerikaner und die Europäer völlig unterschiedliche Interessen und Herangehensweisen haben. Nehmen wir den Unterschied zwischen dem europäischen Vorsorge- und dem amerikanischen Nachsorge-Prinzip. Das ist vor allem im Bereich des Umwelt- und Verbraucherschutzes wichtig. Während in Europa jedes Unternehmen nachweisen muss, dass sein Produkt KEINE Schäden verursacht, bevor es auf den Markt kommt, gilt in Amerika das Prinzip: Erst wenn ein Schaden auftritt, wird ein Produkt verboten. Allerdings drohen dann dem Verursacher millionenschwere Schadensersatzklagen, das kennen wir hier in Europa so nicht.
Diese beiden Prinzipien bei einem Freihandelsabkommen übereinander zu bringen ist mehr als schwierig. Ich bin aber nicht bereit ein Abkommen zu akzeptieren, das unser bewährtes Vorsorgeprinzip gefährdet. Das hätte unmittelbare Auswirkungen auf die hohen Schutzstandards, die wir nun mal in Europa haben!“

Immer wieder werden auch die sogenannten Schiedsgerichte für Investitionsschutz als Kritikpunkt an TTIP genannt. Was genau hat es damit auf sich?
„Das halte ich für besonders gravierend. Nach den bisher bekannten Vorstellungen der Amerikaner soll es Schiedsgerichte geben, vor denen Konzerne und Unternehmen zum Schutz ihrer Investitionen klagen können, wenn dieses Geld nach ihrer Ansicht durch nationale Gesetzgebung gefährdet oder sogar verloren ist. Diese Schiedsgerichte sollen geheim sein und unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen.“

Was heißt das konkret?
„So etwas gibt es schon. So läuft gegen die Bundesrepublik eine Klage des schwedischen Energieversorgers Vattenfall, der Entschädigung für die Entscheidung zum Atomausstieg haben will. Dabei geht es um viele Millionen Euro! Das Problem ist doch, dass durch solche Mechanismen die nationale oder in diesem Fall die EU-Gesetzgebung ausgehebelt werden kann. Und diese Gerichte sind durch nichts und niemand legitimiert. So kann Rechtsstaatlichkeit nicht funktionieren.“

Wie ist denn nun der Stand der Dinge? Wird es TTIP geben oder nicht?
„Nach meiner Überzeugung macht es bei dem jetzt vorhandenen Verhandlungsstand keinen Sinn, weiter zu verhandeln. Beide Seiten sollten sich eine Verhandlungspause gönnen. Zumal auf amerikanischer Seite ja nun die Präsidentschaftswahlen anstehen. Ich kann mir beispielsweise zurzeit kein Abkommen mit einem möglichen Präsidenten Trump vorstellen. Letztendlich wird abzuwarten sein, wie die Verhandlungen nun weiterlaufen und wann dem Europäischen Parlament und dem Bundestag ein Abkommen zur Abstimmung vorgelegt wird. Sollten sich nicht gravierende Änderungen in den weiteren Verhandlungen ergeben, die die Interessen der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigen, darf TTIP in der Tat nicht verabschiedet werden."

Was genau ist TTIP?

„TTIP“ ist das Transatlantische Investitions-und Freihandelsabkommen. Es soll Vorteile bringen, wird aber in der Öffentlichkeit vor allem kritisch wahrgenommen.
„TTIP“ hat Auswirkungen auf den Buchhandel, die Kultur und Bildung ebenso wie die Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft oder auch „unser“ Wasser. Hintergrund

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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