SPD-Schelte für die Bundesregierung: „Nicht lieb, aber teuer“
Wie immer zu Beginn eines Jahres, jagt ein Neujahrsempfang den nächsten. Am Wochenende fand der Empfang der Gelsenkirchener SPD in der Emscher-Werkstatt des Sozialwerk St. Georg statt. Als Gastredner fungierte der NRW Minister für Arbeit, Integration und Soziales, Guntram Schneider.
Von Silke Sobotta
GE. Der Neujahrsempfang fand zum zweiten Mal in der Örtlichkeit statt und der Leiter der Emscher-Werkstatt, Willi Keppeler, freute sich über den Zuspruch der SPD für seine Einrichtung. Natürlich nutzte er die Chance auf die Einrichtung hinzuweisen, die entsprechend dem NRW-Modell schwerst mehrfachbehinderte Menschen beschäftigt, damit diese eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben und einen Rentenanspruch erwirtschaften können. „Vielleicht wird das NRW-Modell ja als Muster für den Bund herangezogen. Das wäre wünschenswert im Sinne der Inklusion“, hoffte Keppeler.
Die SPD Unterbezirksvorsitzende und NRW Landtagsabgeordnete Heike Gebhard begrüßte in ihrer Ansprache die anwesende Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Stadt, wie den Gelsenkirchener Ehrenbürger und Schalke Ehrenpräsident Gerd Rehberg, den Gebhard als Netzwerkstifter in der Stadt bezeichnete.
FDP und CDU bieten Breitseiten für Häme
Und was wäre ein SPD Neujahrsempfang ohne politische Seitenhiebe? So erklärte Gebhard, dass die FDP gerade zur zweitgrößten Partei unter den Sonstigen aufgestiegen sei. Und auch die Bundesregierung bekam ihr Fett ab: „Die Bundesregierung beweist, dass eine stabile Mehrheit nicht für eine stabile Regierung sorgt....Die Bundesregierung ist uns nicht lieb, aber teuer“.
Während die Bundesregierung mal den Einstieg in die Atomkraft vorantreibt und nach Fukushima den Ausstieg daraus, agiert die Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen konsequent und kontinuierlich. „Wenn heute von vorgezogenen Neuwahlen die Rede ist, dann ist nicht die Rede von NRW, sondern vom Bund“, ist sich Heike Gebhard sicher.
Sie sieht Gelsenkirchen und NRW auf dem richtigen Weg, denn „hier wird keiner zurückgelassen. Hier wird vorangeschritten auch ohne mehr Unterstützung aus Berlin. Stadt und Land Hand in Hand ist der richtige Weg.“
Realisieren, abhaken und weiter
Gastredner Guntram Schneider fand ähnlich deutliche Worte, als er die Arbeit der NRW-Regierung beschrieb: „Hier heißt es: versprochen, gehalten und umgesetzt. Es wird abgearbeitet, was geplant war, also realisieren, abhaken und weiter.“
Mit Blick nach Berlin unkte der Minister: „Es gibt nichts schlimmeres in der Politik als den Verlust des Vertrauens.“ Damit richtete er sich nicht nur an die Bundesregierung, sondern auch an Bundespräsident Christian Wulff.
Schneider kritisierte, dass die Arbeitslosenstatistiken durch zu viele neue Arbeitsplätze in Leiharbeit geschönt werden. Zudem führte er an, dass die Leiharbeiter rund 40% weniger verdienen als Festangestellte, die die gleiche Tätigkeit verrichten. Ebenso forderte er die Gleichstellung von Mann und Frau in Sachen Lohn: „Alle Jahre wieder am 8. März kritisieren wir die Lohnungerechtigkeit. Trotzdem verdienen Frauen hierzulande immer noch 25% weniger für die gleiche Arbeit wie Männer. Das sind Verhältnisse wie in Moldawien.“
Ein Lanze für die Jugend brach der Minister als er schilderte, was alles von jungen Leuten gefordert wird und was sie dafür erhalten: „Die jungen Leute sollen Familien gründen, Kinder in die Welt setzen und für das Alter vorsorgen. Das alles aber bitte ohne soziale Sicherheit durch einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Denn heute gibt es beinahe nur noch befristete Arbeitsverträge.“
Ad absurdum führte Schneider die Finanzierung der sogenannten Aufstocker: „Die Unternehmer kaufen Arbeitskraft, zahlen aber im Niedriglohnsektor nur einen Teil des Lohns. Den Rest zahlen das Land und die Kommunen. In NRW sind das pro Jahr rund 800.000 Euro. Wenn man genau hinsieht, zahlen also die Menschen ihren eigenen Lohn über ihre Steuern.“
Schneider behandelte noch das für und wider der Rente mit 67, das Problem der zunehmenden Langzeitarbeitslosigkeit, und die Bildungspolitik, die in NRW als Sozialpolitik der Zukunft gehandelt wird. „Besser sein statt billiger ist unser Prämisse, deshalb geben wir Gas in der Bildung und wollen ein Übergangsmanagement von der Schule in den Beruf einrichten.“
Anekdoten und eine spitze Zunge
Um die Schüler interessanter für die Wirtschaft auszubilden, fordert er mehr Stellenwert auf die naturwissenschaftlichen Fächer zu legen. Und weil er dafür so vehement eintritt, bekam er zum Geburtstag von seinem Ministerium sogar einen Chemie-Baukasten geschenkt, wie er den Anwesenden verriet.
Als Anekdorte schilderte Schneider eine Begegnung mit Karl-Josef Laumann, dem Fraktionsvorsitzender der CDU Fraktion im Landtag NRW, stellvertretendem Landesvorsitzender der CDU NRW und Bundesvorsitzenden der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). „Karl-Josef Laumann will neue urbane Wählerschichten akquirieren. Ich nehme ihn darum gern mal auf den Arm. Also habe ich ihn gefragt: Karl-Josef, ich fahre jetzt zum Christopher Street Day. Möchtest Du mit? Dann zuckt er erst einmal zusammen, denn er weiß was das ist. Und ich denke, das wäre eine gute Gelegenheit, urbane Wählerschichten zu treffen und anzusprechen.“
Zu den Linken meinte der Minister, dass einige von ihnen derzeit als Abgeordnete mal aus der Arbeitslosigkeit herausgekommen sind.
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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