Sehtest für Senioren am Steuer: notwendiges Übel oder Schikane?

Jeder Führerschein-Aspirant muss zum Sehtest. Sollte er Brillenträger sein, so wird das im Führerschein vermerkt. Wenn nicht, dann fragt nie wieder jemand nach, wie es denn so mit den Augen steht. Darin sieht die Landesverkehrswacht NRW ein Problem. Denn die sogenannte Alterskurzsichtigkeit stellt mit zunehmendem Alter nicht das einzige Handicap des Sehapparates dar. Darum fordert die Landesverkehrswacht, dass der Gesetzgeber einen  Sehtest für alle Autofahrer der Ü70-Generation einführt. Foto: Gerd Kaemper
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  • Jeder Führerschein-Aspirant muss zum Sehtest. Sollte er Brillenträger sein, so wird das im Führerschein vermerkt. Wenn nicht, dann fragt nie wieder jemand nach, wie es denn so mit den Augen steht. Darin sieht die Landesverkehrswacht NRW ein Problem. Denn die sogenannte Alterskurzsichtigkeit stellt mit zunehmendem Alter nicht das einzige Handicap des Sehapparates dar. Darum fordert die Landesverkehrswacht, dass der Gesetzgeber einen Sehtest für alle Autofahrer der Ü70-Generation einführt. Foto: Gerd Kaemper
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Die Statistiken besagen, dass die Älteren die besseren Autofahrer sind als die Fahranfänger. Verkehrsteilnehmer hingegen fürchten häufig die „Sonntagsfahrer“, die „Fahrer mit Hut“ und ähnliches. Und nun fordert gar die Deutsche Verkehrswacht, der Bundesverkehrsminister möge Kraftfahrern ab 70 Jahren einen verpflichtenden Sehtest „aufs Auge drücken“. Ist das nun reines Mobbing oder eine Notwendigkeit?

Von Silke Sobotta

GE. Die Hauptversammlung der Landesverkehrswacht Nordrhein-Westfalen hat im Mai zwei Anträge verabschiedet. Bei dem einen ging es um das Alkohol- und Drogenverbot am Steuer und der andere ist der obligatorische Sehtest für Kraftfahrer ab dem 70. Lebensjahr. Von NRW aus gehen die Anträge an die Deutsche Verkehrswacht in Kiel und diese schloss sich den Anträgen an, die überdies aus mehreren Bundesländern vorlagen, und wandte sich mit dem Ersuchen an den Bundesverkehrsminister, der wiederum der Bundesregierung als Verordnungsgeber diese Eingaben vorlegen kann. Somit könnte der Sehtest per Gesetz „verordnet“ werden. Wie gehen Kraftfahrer über 70 damit um?

„Ich bin ja selbst über 70 und ich gehe jedes Jahr zur Überprüfung. Ich lasse beim Optiker meine Sehstärke testen und mein Hörakustiker mein Gehör. Diese Test sind in der Regel kostenlos, wenn sie beim Arzt durchgeführt werden, übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Diese Test halte ich für sehr empfehlenswert und propagiere sie auch immer wieder bei unseren Veranstaltungen, wenn dabei Senioren anwesend sind“, schildert der Vorsitzende der Gelsenkirchener verkehrswacht, Helmut Barek.
Der Fachmann in Sachen Verkehr in Gelsenkirchen gibt zu bedenken, dass Kraftfahrer in der Regel lediglich einmal einen Sehtest absolvieren und zwar im Vorfeld ihrer Führerschein-Schulung. Danach gilt dieser Sehtest bis zum Ende aller Tage. „Wer einmal als Brillenträger erkannt wurde, bekommt dies in den Führerschein eingetragen. Aber es ist ja bekannt, dass die Sehkraft und das Hörvermögen mit zunehmendem Alter abnehmen“, erläutert Barek.
Und welcher Bürger jenseits der 40 hat nicht schon den Begriff „Alterskurzsichtigkeit“ kennen gelernt?
Helmut Barek bereitet aber nicht der ständig zunehmende Autoverkehr auf den Straßen Sorge, sondern auch die immer leiser werdenden Motoren bis hin zu den lautlosen Elektrofahrzeugen. „Diese Fahrzeuge hört man nicht mehr kommen, sie stehen plötzlich vor oder neben einem. Darum wird schon darüber nachgedacht, zusätzliche akustische Anlagen einzubauen, um die Gefahr einzudämmen“, weiß Barek.
Der ehemalige Polizeibeamte befürchtet, dass es sich auch bei vielen Auffahrunfällen, vor allem auf der Autobahn, nicht immer nur um zu geringen Abstand oder Unkonzentriertheit handeln könnte, sondern um Seh-Probleme. „Das könnte ein Grund dafür sein, warum die Meldung so häufig lautet: Der Fahrer hat das Stauende zu spät erkannt“, gibt der Vorsitzende der Verkehrswacht zu bedenken.
Ob der Sehtest, wie die Deutsche Verkehrswacht es hofft, in den Rechtsraum gepresst wird, entscheidet die Bundesregierung, der natürlich viele Anträge vorliegen.
Aber auch wenn der Sehtest nicht zur Pflichtveranstaltung wird, rät Helmut Barek dringend zu individuellen Maßnahmen, nicht nur zur eigenen Sicherheit, sondern auch zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer.
„Die Verkehrswacht verfügt über einen mobilen Seh- und Reaktionstest, den wir bei vielen Veranstaltungen einsetzen. Zum Beispiel beim jährlichen Sicherheitstag stehen diese Geräte bereit. Diese Test ersetzen natürlich nicht die Überprüfung bei einem Fachmann, wie dem Optiker oder Augenarzt, aber sie kennen schon erste Mängel offenbaren“, regt Helmut Barek an.

Die Statistik für
Gelsenkirchen

Die Verkehrsunfallstatistik für 2010 der Gelsenkirchener besagt, dass im Stadtgebiet 83 Autofahrer zwischen 18 und 25 Jahren in Unfälle verstrickt waren, dem stehen nur 25 Senioren von 65 und mehr Jahren entgegen.
Angesichts des demografischen Wandels liegt die Zahl der Gelsenkirchener über 65 Jahre deutlich höher als die der bis 25-Jährigen, so dass die jungen Leute sehr viel häufiger an Unfällen im Straßenverkehr beteiligt sind als die Älteren. In Gelsenkirchen leben rund 362.300 Bürger im Alter zwischen 65 und 80 Jahren, aber nur 25.243 zwischen 18 und 25 Jahren. Das sind deutliche Zahlen, auch wenn zu berücksichtigen ist, dass in beiden Altersgruppen nicht jeder mit einem Kraftfahrzeug im Straßenverkehr unterwegs ist.

Diskussion der
Landesverkehrswacht

Eigene Sehtests der Landesverkehrswacht haben ergeben, dass die Fehlsichtigkeit mit zunehmendem Alter deutlich ansteigt. Während die Fehlsichtigkeitsquote bei den Getesteten aller Altergruppen bei 16,21% lag, wies die Gruppe der 65- bis 74-Jährigen eine Quote von knapp 25% auf. In der Gruppe der ’75-Jährigen und älter‘ wurden sogar bei 34,26% Fehlsichtigkeit festgestellt.
Darum sieht sich die Landesverkehrswacht in ihrer Forderung bestätigt, dass „Kraftfahrer ab dem 60. Lebensjahr daher einen Sehtest auf freiwilliger Basis absolvieren sollten. Ab dem 70. Lebensjahr sollte dann ein Sehtest alle drei Jahre verpflichtend sein.“
Der Antrag wurde auf der Hauptversammlung der Landesverkehrsamt am 6. Mai in Meschede heftig diskutiert, vor allem rund um die Festlegung des Alters.

Jetzt sind Sie gefragt: Sehrtest - ja oder nein?

Liebe Leserinnen und Leser, jetzt ist Ihre Meinung gefragt. Wie sehen Sie das Problem des Sehtestes für alle Autofahrer ab 70? Würden Sie ihn absolvieren? Finden Sie ihn überflüssig und als reine Schikane für Senioren?
Schreiben Sie uns Ihre Meinung an den Stadtspiegel, Redaktion, Florastraße 6, 45879 Gelsenkirchen, oder per e-mail an redaktion@stadtspiegel-gelsenkirchen.de.
Die Redaktion freut sich auf Ihre Meinung!

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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