Am Freitag, 14. Mai, um 17 Uhr an der Gelsenkirchener Synagoge
Mahnwache nach den Ausschreitungen in Gelsenkirchen
Im Zuge der nicht angemeldeten Demonstration am Mittwoch, 12. Mai , in der Gelsenkirchen Altstadt konnte die Polizei verhindern, dass die Demonstranten auf jüdische Einrichtungen unserer Stadt einwirken konnten.
In unmittelbarer Nähe der jüdischen Synagoge, wo die Beamten die Demonstranten durch eine Polizeikette aufhalten konnten, wurden aus der Gruppe heraus antisemitische Parolen skandiert. Die Polizei führte vor Ort Beweissicherungsmaßnahmen durch und fertigte Strafanzeigen wegen Volksverhetzung, Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung von Einsatzkräften sowie Ordnungswidrigkeitenanzeigen wegen Verstöße gegen die Coronaschutzverordnung.
Diese Form der Meinungsäußerung wurde von vielen Gelsenkirchenern heftig kritisiert. Lesen Sie hier einige Stimmen aus der Stadtgesellschaft.
Polizeipräsidentin Britta Zur ist erschüttert
Primäres Ziel der Einsatzkräfte war der Schutz der jüdischen Synagoge. Polizeipräsidentin Britta Zur verurteilt das unerträgliche Auftreten dieser Personen aufs Schärfste und ist erschüttert über diesen Hass: "Das Recht, zu demonstrieren, ist ein hohes Gut. Wer dieses Recht aber mit Füßen tritt, muss damit rechnen, dass wir konsequent handeln. Diese schrecklichen Bilder sind durch nichts zu entschuldigen. Die Polizei Gelsenkirchen wird alles dafür tun, die dafür verantwortlichen Personen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zur Rechenschaft zu ziehen."
Bereits am Donnerstag, 13. Mai, wurde im Zuge der Ermittlungen ein Tatverdächtiger identifiziert. Es handelt sich um einen 26-jährigen Deutsch-Libanesen aus Gelsenkirchen. Der Staatsschutz hat eine Ermittlungskommission eingerichtet, um zügig weitere Details aufzuklären.
Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit
Der Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Gelsenkirchen, Ulrich Fehling, erklärt: "Diese Demonstration war offenbar spontan und stand in Zusammenhang mit der jüngsten und leider noch nicht beendeten Eskalation im Nahen Osten. Demonstrationen, seien sie in ihrer Zielrichtung auch einseitig positioniert, fallen natürlich unter die Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
Dennoch stellen sich Fragen, wenn man liest, dass die Teilnehmenden „Kindermörder Israel" skandiert haben sollen. Wie sieht es mit den Raketen aus, die ja absichtlich aus den palästinensischen Gebieten auf Israel abgeschossen werden? Töten diese nicht auch Kinder bzw. haben das nach Medienberichten auch schon getan?
Und ein absolutes No-Go ist, die hier lebenden Jüdinnen und Juden, die ja auch zudem ganz überwiegend deutsche und nicht israelische Staatsbürger sind, in Mithaftung für das Vorgehen Israels in diesem Konflikt zu nehmen, indem man vor die Synagoge zieht und dort ein Bedrohungsszenarium aufbaut. Das war offensichtlich geplant, wurde aber von der Polizei verhindert – Dank dafür an die Einsatzkräfte.
Wie würden es die in Deutschland lebenden Palästinenser bzw. hier lebende Menschen mit palästinensischem Hintergrund empfinden, wenn sie für die Raketenangriffe auf israelische Städte und Dörfer verantwortlich gemacht würden?"
OB Karin Welge gegen Hass, Hetze, Gewalt und Antisemitismus
Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge hat nach den antisemitischen Vorfällen mit der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen, Judith Neuwald-Tasbach, telefoniert: „Wir tolerieren bei uns weder Hass, Hetze, Gewalt noch Antisemitismus. Die Parolen, die gestern vor der Synagoge mitten in unserer Stadt zu hören waren, sind einfach unerträglich. Wir sind mit der jüdischen Gemeinde solidarisch“, so Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin. „Natürlich ist Meinungsfreiheit ein wichtiges Gut. Sie endet aber unweigerlich dort, wo es zu Volksverhetzung oder Straftaten kommt. In Gelsenkirchen ist Platz für alle Religionen, alle Ethnien, alle Menschen. Die rote Linie ist allerdings überschritten, wenn Menschen herabgewürdigt, bedroht oder gar angegriffen werden.“
Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin dankte der Polizei für ihr schnelles und umsichtiges Eingreifen beim Schutz der Synagoge. Gleichzeitig erwartet sie, dass eventuelle Straftaten von Polizei und Staatsanwaltschaft konsequent ermittelt werden.
MiR-Generalintendant Schulz ist erschüttert
Der Generalintendant des Musiktheater im Revier, Michael Schulz, findet deutliche Worte für das Geschehene: "Mit großer Empörung und Erschütterung habe ich von der unangemessenen und
unangemeldeten Demonstration in unserer Stadt, die sich am 12. Mai gegen unsere jüdischen
Mitbürger wendete, erfahren. Wie die Videoaufzeichnung, die auf dem Twitteraccount des
Zentralrats der Juden zu sehen ist, zeigt, wurden in stumpfer Art und Weise antisemitische,
antijüdische und menschenverachtende Parolen und Gesinnungen von Bürgern unserer Stadt
ohne Sinn und Verstand in die Stadtgesellschaft geschrien. Das ist nicht zu ertragen!
Das Musiktheater im Revier aber auch ich ganz persönlich schäme mich dafür, dass Juden in
Gelsenkirchen und in ganz Deutschland sowie die Unversehrtheit von jüdischen Gotteshäusern
erneut in nicht zu ertragender Art und Weise zum Ziel von Hass und Gewaltbereitschaft werden.
Wiederholt müssen sie als Symbol für politisch motivierte Zielsetzung und Handlung herhalten,
die Leib und Leben, Hab und Gut in Gefahr bringen. Das darf nicht sein!
Das Musiktheater im Revier steht an der Seite der Bedrohten und Beschimpften und verurteilt
die Übergriffe aus Wort und Tat auf das Schärfste.
Wir wenden uns gegen Hass und Gewalt, die nie ein Mittel der Auseinandersetzung sein dürfen.
Wir fordern und fördern den Dialog und Diskurs als einzige Basis unserer freiheitlichen,
demokratischen Gesellschaft, die sich immer wieder gegen dumpfe Agitation durchsetzen muss
und wird."
Demokratische Initiative: „Wir stehen an der Seite der Jüdischen Gemeinde!“
Die Demokratische Initiative (DI) Gelsenkirchen - ein breites überparteiliches Bündnis von 23 Organisationen, Parteien, Jugend- und Wohlfahrtsverbänden in der Stadt unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeisterin Karin Welge - verurteilt auf das Schärfste die antisemitischen Äußerungen und Handlungen, die in den vergangenen Tagen, unter anderem auch während einer Demonstration an der Gelsenkirchener Synagoge zu hören und zu sehen waren.
Parolen, wie sie am vergangenen Mittwoch an der Synagoge zu hören waren, haben mit Kritik an israelischer Politik nichts zu tun - es handelt sich um puren Judenhass und puren Antisemitismus. Die Demokratische Initiative bedauert es zutiefst, dass jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger angesichts solch hasserfüllter Äußerungen in unserer Stadt in Angst und Sorge leben müssen.
Die in der Demokratischen Initiative zusammengeschlossenen Organisationen eint die Auffassung, dass jede Art von Antisemitismus und Rassismus ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt. Menschenverachtende Parolen und Aufrufe zu Gewalt sind unter keinen Umständen zu dulden.
Wir stellen uns solidarisch an die Seite unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Die DI wird auch in Zukunft alles Erdenkliche tun, um jeglicher Form von Antisemitismus entgegenzuwirken. Dabei ist jedoch die Unterstützung der Bevölkerung unabdingbar.
Die Demokratische Initiative ruft daher die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener dazu auf, sich von pauschalen Diffamierungen, antisemitischen und rassistischen Tendenzen in aller Entschlossenheit entgegenzustellen. In Gelsenkirchen ist Platz für alle Religionen, alle Ethnien, alle Menschen - nicht aber für die, die andere herabwürdigen, bedrohen oder gar angreifen!
Grüne verurteilen Übergriff auf jüdisches Leben
„Wir Grüne verurteilen diesen antisemitischen Übergriff auf das jüdische Leben in Gelsenkirchen. Die jüdische Gemeinde und alle Jüdinnen und Juden sind ein wichtiger Teil unserer Stadt. Solidarität und Unterstützung der gesamten Stadtgesellschaft sollten jetzt und immer eine Selbstverständlichkeit sein“ erklärt Tanja Honka, Kreisvorsitzende der Grünen Gelsenkirchen.
CDU kritisiert Übertragung des Nahost-Konflikt auf Gelsenkirchener
Die CDU ist entsetzt von den antisemitischen Ausschreitungen in unmittelbarer Nähe der Gelsenkirchener Synagoge. Dazu erklärt der CDU-Kreisvorsitzende, Sascha Kurth: „Jüdisches Leben hat einen festen Platz in unserer Stadt. Wenn direkt vor der Synagoge solche Parolen gebrüllt werden, wie wir es den Videoaufnahmen der Demonstration von gestern entnehmen mussten, sind mehrere Grenzen überschritten. Solche Aufmärsche sind inakzeptabel, Antisemitismus und Hass sind keine Meinungsäußerung. Mit allen Demokraten stehen wir fest an der Seite der jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen - Bilder, bei denen jüdische Menschen Angst haben müssen, erinnern an düstere Jahre unserer Geschichte. Das darf, das wird sich nicht wiederholen. Wer meint, den Nahost-Konflikt in die Gelsenkirchener Stadtgesellschaft und auf gänzlich Unbeteiligte transportieren zu wollen, hat keinen Platz in unserer Gemeinschaft."
SPD zeigt sich entsetzt über ein solches Schüren von Hass
Mit deutlichen Worten verurteilt der SPD-Fraktionsvorsitzende Axel Barton die Ereignisse: „So, wie sich die Ereignisse darstellen, wurden Toleranz und Meinungsfreiheit unserer Gesellschaft hier mehrfach missbraucht. Diejenigen, die da unangemeldet demonstriert haben, verstecken ihren blanken Hass auf Menschen jüdischen Glaubens feige hinter dem Deckmantel der Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung im Konflikt mit den Palästinensern,“ so Axel Barton. „Ihr Ziel ist eben nicht die kritische Auseinandersetzung mit der israelischen Politik. Das Ziel dieser Menschen ist es, Hass zu schüren und Menschen einer anderen Religion das Menschsein, im Endeffekt das schlichte Recht zu Leben abzusprechen, weil sie von eben diesem Hass leben. Ohne den Hass, den sie selbst erzeugen, hätte das, was sie tun keinen „Sinn“ mehr.“
FDP zeigt sich beschämt von dem Judenhass
„Die FDP-Fraktion ist fassungslos und tief betroffen über die unerträglichen Übergriffe auf jüdisches Leben“, erklärte eine sichtlich aufgebrachte Susanne Cichos, Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Rat. „Antisemitismus und pöbelnder Judenhass haben in Deutschland keinen Platz. Diese Sprechchöre weckten Erinnerungen an das grausamste Kapitel deutscher Geschichte. Das werden wir nie tolerieren. Das ist beschämend“, sagt Susanne Cichos. „Das hat nichts mir der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit zu tun, die unser Grundgesetz garantiert.“
AUF erinnert an Nahost-Konflikt
Jan Specht, Stadtverordneter von Auf Gelsenkirchen, erklärt: "Für die auf der Demonstration gerufenen antisemitischen Parolen und Drohgebärden in Richtung der Gelsenkirchener Synagoge gibt es keinerlei Akzeptanz und keine Rechtfertigung." AUF fordert: „Nein zu Antisemitismus“. Specht mahnt an: "Die aktuellen Reaktionen von Bundes-, Landes und Kommunalpolitikern, sowie Amtsträgern und Institutionen dieser Stadt sind jedoch überwiegend völlig einseitig. In kaum einer Stellungnahme wird auf diese Differenziertheit eingegangen, ja nicht einmal gesagt, warum 180 Menschen wütend auf die Straße gegangen sind. In einer Stadt mit einem größeren arabisch-stämmigen Bevölkerungsanteil kann man nicht einfach zum Unrecht gegenüber den Palästinensern schweigen. Die Kritik an der israelischen Regierung und der Bombardierung des Gaza-Streifens ist kein Antisemitismus, sondern wird vielfach von jüdischen Menschen in Israel geteilt."
Kritische Stimmen der Bundespolitiker
Irene Mihalic, Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Gelsenkirchen, erklärt: „Die antisemitischen Ausschreitungen sind unerträglich und wir müssen ihnen entschlossen entgegentreten. Hierzu bedarf es auch eines klaren Signals des Bundesinnenministers. Wir werden ihn daher zur Lageeinschätzung und Schilderung seiner Pläne in den Innenausschuss einladen. Wir müssen alles dafür tun, dass Jüdinnen und Juden bei uns sicher sind und nicht in Angst leben müssen.“
Der Gelsenkirchener FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Marco Buschmann fordert ein klares Vorgehen gegen Antisemitismus: „Die Anti-Israel-Demonstrationen in Gelsenkirchen und anderen deutschen Städten sind zutiefst beschämend. Wer in Deutschland versucht Israel-Flaggen zu verbrennen und antisemitisches Gedankengut zu verbreiten, muss mit der ganzen Härte des Rechtsstaats belangt werden. Gerade angesichts der Eskalation im Nahen Osten müssen sich die jüdischen Gemeinden sicher sein können, dass Deutschland fest an ihrer Seite steht. International muss Deutschland den Raketenterror der Hamas immer wieder auf das Deutlichste verurteilen. In Deutschland selbst gilt es sicherzustellen, dass israelische und jüdische Einrichtungen wirksam geschützt werden. Dazu gehört auch, die wahrnehmbare Polizeipräsenz vor Ort zu verstärken.“
Markus Töns, Gelsenkirchener Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des SPD-Unterbezirks, mit deutlichen Worten: „Genau da ist die Grenze von Toleranz und Meinungsfreiheit, die beide nicht umsonst hohe Güter unserer Demokratie sind. Wer sie benutzt und missbraucht, um sie anderen abzusprechen, sie zu zerstören, zu entwürdigen oder gar anderen Menschen die Menschenrechte abzusprechen, der stößt auf entschiedenen Widerstand und zwar unabhängig davon, mit welcher kruden Begründung auch immer er das tut. Eben, weil es keine Begründung gibt, die das rechtfertigen kann.“
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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