Kommunalwahl 2014: Von strahlenden Siegern und traurigen Verlierern
Bereits sehr früh deuteten sich am Wahlabend Tendenzen an, die für allergrößte Freude auf der einen und viel Frust auf den anderen Seiten sorgten. Strahlende Sieger waren am Ende die Sozialdemokraten und das auf ganzer Linie.Davon zeugen auch diese Bilder
Alle Wahlziele wurden von den Sozialdemokraten erreicht
Nicht nur, dass sie mit Gabriele Preuß die erste Gelsenkirchenerin nach Brüssel und Straßburg entsenden, ihr OB-Kandidat eine noch bessere Traumnote als vor fünf Jahren eingefahren hat, sie haben auch die absolute Mehrheit im Rat der Stadt Gelsenkirchen halten können und das trotz minimaler Verluste. Spätestens um 21.15 Uhr wurde dieser Sonntagabend zu einem wunderschönen Tag für die SPD, was die Genossen auch lautstark sangen. Und die SPD konnte die Verwirklichung ihrer drei Wahlziele feiern.
Als Erste freuen konnte sich die frisch-gebackene Europa-Abgeordnete Gabriele Preuß, die mit ihrer roten Jacke, den roten Schuhen und der roten Brille die Farbe ihrer Partei auch nach außen hin vertrat und vor Freude und Stolz im wahrsten Sinne strahlte.
Nach der Auszählung der Stimmen zur Europa-Wahl in Gelsenkirchen und im Bund war längst klar, dass sie den Einzug geschafft hatte, der eigentlich schon durch ihren guten 20. Listenplatz gesichert war. Trotzdem kannte die Freude keine Grenzen: „Das ist super, einfach bombastisch und ein tolles Gefühl! Der Listenplatz war schon eine sichere Bank, aber das Ergebnis ist dann doch einfach nur toll!“
Der MdB als Mentor für die neue Europa-Politikerin
Als der Gelsenkirchener SPD-Bundestagsabgeordnete Joachim Poss das Bürgerforum im Hans-Sachs-Haus betritt, in dem die Sozialdemokraten ihre Wahlparty feierten, kennt die Freude der EU-Abgeordneten keine Grenze mehr: „Jochen war mein Mentor. Er hat mich wunderbar unterstützt und ich weiß, ohne ihn hätte ich das nicht geschafft.“
Dank der hohen Wahlbeteiligung, zumindest in Sachen Europawahl, konnte die SPD ihr Ergebnis um 8% verbessern und kam auf 46,1 % der Stimmen.
Am 1. Juni beginnt Preuß‘ neue Karriere in Brüssel mit der konstituierenden Sitzung des neu gewählten EU-Parlamentes. Die folgenden Tage findet dann die Klausurtagung der Sozialdemokraten statt und Gabriele Preuß wird zur Neu-Brüsselerin.
Wenn es an die Vergabe der Ausschüsse geht, würde sie sich einen Platz im Wirtschaft/Industrie und Strukturpolitik mit Umwelt und Verbraucherschutz wünschen.
Nach dem Auszählen ist vor dem Auszählen
Nachdem die erste Hürde genommen war, hieß es sich in Geduld üben. Der Trend bei der Oberbürgermeister-Wahl war zwar früh erkennbar, aber der alte und neue OB Frank Baranowski wartete geduldig ab bis alle Wahllokale ausgezählt waren und nahm dann ein wahres Bad in der Menge der Sozialdemokraten, die ihn lautstark feierten. Am Ende konnte er sein Traumergebnis von 2009 als er 63,9 % der Stimmen erhielt noch einmal verbessern und kam jetzt auf 67,4%.
Tosender Applaus beim Einmarsch des Wahlsiegers Baranowski
Für Heike Gebhard, die Gelsenkirchener SPD-Chefin, war es eine neue Erfahrung, dass sie Schwierigkeiten hatte, sich gegen die singenden und feiernden Genossen durchzusetzen. Als es ihr gelang, beschrieb sie die Situation als eine schwierigere Ausgangslage angesichts von acht Gegenkandidaten. Das abschließende Ergebnis erklärte Gebhard damit, dass die Bürger die Arbeit der letzten fünf Jahre unter Baranowski für gut befunden haben und wollen, dass er weiter macht.
Der neue und alte Oberbürgermeister atmete erst einmal tief durch, ließ sich von seiner Frau beglückwünschen und erklärte dann: „Zum dritten Mal das Vertrauen der Gelsenkirchener bekommen zu haben und noch dazu mit einem Zugewinn, das fühlt sich gut an!“
Und wieder ein Versprechen eingelöst
Dabei erinnerte er an die letzte Kommunalwahl im alten Hans-Sachs-Haus, die für die SPD in einem Desaster endete. „Damals hatten wir versprochen, wenn wir wieder eine Kommunalwahl im Hans-Sachs-Haus haben, dann mit einem anderen Wahlausgang“, erinnerte Baranowski voller Stolz über das gelungene Vorhaben.
In den nächsten sechs Jahren will er nun der Oberbürgermeister aller Gelsenkirchener sein, egal welcher Herkunft und welcher Religion. Und Baranowski versprach, dass er diese sechs Jahre voll und ganz für die Stadt Gelsenkirchen im Einsatz sein wird und erinnerte daran, dass er seine Versprechen zu halten pflegt.
Wie zuvor Gabriele Preuß dankte auch Baranowski den Jusos für ihren herausragenden Einsatz im Wahlkampf, aber auch der Partei, die ihn unterstützt hat, seinem „kleinen, aber feinen Team“, das ihm den Rücken frei gehalten hat und natürlich seiner Frau.
Je später der Abend umso größe die Freude
Nach über 180 ausgezählten Wahllokalen bat Heike Gebhard noch darum, nicht die absolute Mehrheit zu feiern, denn noch gingen die Zahlen ein wenig rauf und runter. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Dr. Klaus Haertel, sah die Sache gelassener und erinnerte daran, dass der Oberbürgermeister bei den meisten Abstimmungen stimmberechtigt ist. Sollte der SPD also am Ende ein Sitz zur absoulten Mehrheit fehlen, hätte sie mit OB doch 34 Stimmen bei Abstimmungen.
Doch spätestens um 21.15 Uhr als auch die letzten Wahllokale ausgezählt waren, stand fest, dass die SPD die absolute Mehrheit verteidigt hatte und die Stimmung im Bürgerforum war einfach nicht mehr zu toppen.
Zwischen Frohlocken und Trauer
Die Grünen haben es geschafft und ihre Kandidatin Terry Reintke für das Europa-Parlament geht nach Brüssel. Das Ergebnis in Gelsenkirchen ist dann aber eher doch kein Grund zur Freude, denn die Grünen haben 3% der Stimmen verloren. Waren es 2009 noch 9,1%, so kamen sie nun nur noch auf 6.1,
Bei der Wahl zum Oberbürgermeister kam die Kandidatin Ingrid Wüllscheidt auf das gleiche Ergebnis wie der Kandidat vor fünf Jahren: 2,3%.
Im Rat der Stadt müssen die Grünen Einbußen um 0,5% hinnehmen. Von 6,4% in 2009 blieben jetzt noch 5,9% übrig. Kein großer Grund zur Freude.
Des einen Freud, des andern Leid
Die CDU musste herbe Verluste hinnehmen. Von 19.4 % im Jahr 2009 fiel die Quote für den Oberbürgermeister-Kandidaten auf 17,7% zurück. Als guter Verlierer erklärte Werner Wöll, der CDU-Kandidat für das Oberbürgermeisteramt und Fraktionsvorsitzende der CDU im Rat der Stadt Gelsenkirchen, dass das Ergebnis „eine nicht zu beschönige Niederlage ist. Wir hatten zwei Wahlziele, die Stichwahl gegen den OB und den Verlust der absoluten Mehrheit der SPD, und beides haben wir nicht erreicht. Eindeutiger geht es nicht.“
Trotzdem ist sich der Christdemokrat sicher, dass man im Wahlkampf mit Sicherheit und Ordnung, Straßen und Bildung auf die richtigen Themen gesetzt hat. „Es hat nicht geklappt. Aber wir haben letztlich alle zusammen gestanden, anders als sonst oft bei Niederlagen. Morgen tagen die Gremien und man wird sehen, wie es mit der CDU weitergeht in Gelsenkirchen“, erklärte ein entschäuschter aber nicht demotivierter Werner Wöll.
Jetzt gibt es Druck von Links im Rat
Ingrid Remmers ging als OB-Kandidatin für die Linke ins Rennen und erreichte 3,6 % der Stimmen und war nicht unzufrieden: „Mir hat gerade jemand gesagt, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe, wenn der amtierende Oberbürgermeister den Vertreter der zweiten großen Volkspartei mit einem Unterschied von 50% der Stimmen schlägt. Ich wollte einfach nur Druck machen. Außerdem finde ich ja, dass der OB ein guter Oberbürgermeister ist. Er sollte aber bei dem Ergebnis auch mal den Mut haben, sich gegen seine eigene Partei durchzusetzen.“
Hoch erfreut zeigte sich Remmers darüber, dass die Linke nach ihrer kompletten Neuaufstellung an das anknüpfen konnte, was die alte zurückgetretene Fraktion erreicht hatte. Mit 4,7% gegen 5,5% im Jahr 2009 musste die Linke leichte Verluste hinnehmen. Remmers sieht die Partei aber gut aufgestellt in Gelsenkirchen und verspricht: „Wir werden von links Druck machen!“
Zurück zur One-Man-Show der FDP
Schwer geschlagen auf ganzer Linie präsentierte sich Jens Schäfer, der OB-Kandidat der FDP. Die Liberalen sind der große Verlierer des Wahlsonntages, denn ihre Verluste betreffen sowohl die Europa- als auch die Ratswahl.
Große Chancen bei der Oberbürgermeisterwahl hatte sich Schäfer vermutlich eh nicht ausgerechnet, aber von 2,9 % noch einmal zu verlieren und nur noch 1,2% der Stimmen auf sich zu einen, ist schon ein deprimierendes Ergebnis. Im Rat der Stadt büßten die Liberalen ebenfalls Stimmen ein und müssen sich 2 %, 2009 waren es noch 4,5%, zufrieden geben. Auch in Europa müssen die Liberalen zittern. Von 7,7% im Jahr 2009 blieben in Gelsenkirchen nur 2,2% übrig.
„Man fühlt sich etwas allein. Man kann versuchen das Ergebnis schön zu reden, indem man auf die unfassbar guten Ergebnisse im Jahr 2009 verweist. Aber dabei ist auch bekannt, dass die Ergebnisse wirklich außerordentlich waren. Trotzdem hatten wir gehofft, dass die Bürger die gute Politik der kleinen FDP-Fraktion honorieren würden und uns in die Verlängerung schicken. Nun verlieren wir wieder den Fraktionsstatus und müssen uns als Einzelkämpfer durchschlagen. Das kennen wir aus früheren Zeiten und wissen, dass man so keine Möglichkeit hat zur Gestaltung der Stadt“, erklärte ein zutiefst betrübter Jens Schäfer, der sich und die Gelsenkirchener FDP als Opfer eines Bundestrends sieht.
Gute Ergebnisse der Rechten enttäuschen die Liberalen
Besonders ärgerlich für den liberalen Politiker ist die Tatsache, dass die rechtspopulistische Partei Pro NRW mit ihrem Spitzenkandidaten wieder in Fraktionsstärke im Rat der Stadt einziehen wird. „Und das obwohl der Fraktionsvorsitzende im Rat regelmäßig durch Abwesenheit glänzt und auch gar nicht erst versucht, sich gestalterisch in die Stadtpolitik einzubringen. Statt dessen macht er durch andere Dinge von sich reden, wie zuletzt einem Foto, das ihn beim Hitlergruß zeigt.“
Die genauen Zahlen aller Gelsenkirchener Wahlergebnisse lesen Sie hier:
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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