Kein Ansprechpartner im Jobcenter (Auflösung)
Im Dezember schrieb ich Herrn Lipka, Geschäftsführer des Jobcenters Gelsenkirchen, weil mir seit Wochen ein Bescheid fehlte, der für meine Existenz zwingend notwendig war. Nun sehe ich mich aber auch in der Pflicht, mein öffentliches Schreiben auch öffentlich aufzulösen.
Bereits eine Woche später erhielt ich einen Brief vom Jobcenter, dass sie meiner Angelegenheit nachgehen und sich unaufgefordert bei mir melden würden. Dieses „unaufgefordert“ ignorierte ich dahingehend, dass ich mich in angemessener Zeit wieder gemeldet hätte. Dazu musste es jedoch nicht mehr kommen. Denn erneut eine Woche später erhielt ich dann einen Aufhebungsbescheid meiner laufenden Bewilligung, Informationen über meine Kranken- und Rentenversicherung und auch die Neubewilligung. Zunächst sah alles ganz gut aus und ich war sehr zufrieden. Immerhin hatte ich nun wieder etwas in der Hand, womit ich meinen Existenzzustand ein wenig definieren konnte.
Einen Tag vor Heiligabend bekam ich wieder Post von meiner „Lieblingsleistungs-Trulla“ Frau P. Diese Person hängt mir schon seit Mai letzten Jahres an den Hacken und fällt mit ihrer mehr als 100%-igen Arbeitsweise auf. Ich hoffte in der Tat, dass ihr Zeitvertrag (ich vermute mal, dass sie einen hat) bereits ausgelaufen wäre, weil mein neuer Bescheid von jemand anderem dann bearbeitet wurde. Aber Frau P. möchte so gerne, dass ich umziehe. Nicht mal meinen Mietbetrag hat sie im Formular richtig vermerkt. Ein Zahlendreher! Sie schreibt „freundlicherweise“ in der Ich-Form, deshalb nehme ich sie auch persönlich in die Verantwortung. Sie schreibt:
„Ich fordere Sie daher auf, alles Ihnen Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um eine Senkung Ihrer Unterkunftskosten zu erreichen. Um Ihnen ausreichend Gelegenheit dazu zu geben, bin ich bereit, die derzeitigen Unterkunftskosten bis einschließlich….in vollem Umfang zu berücksichtigen.“
Ich bin sehr dankbar, dass sie gnädig ist, eine Bereitschaft zu zeigen, mir nicht gleich den Geldhahn zuzudrehen. Hier ist mal wieder die Ermessenslage, ich nenne sie Willkür, ganz klar zu erkennen. Und nun heißt es weiter (in Fett gedruckt):
„ Das gilt jedoch nur, wenn in regelmäßigen Abständen glaubhaft gemacht wird, dass Sie nach Erhalt dieses Schreibens unverzüglich mit intensiven Bemühungen begonnen haben, eine Senkung Ihrer Unterkunftskosten zu erreichen.“
Frohe Weihnachten! Ein wunderbares und freundliches Geschenk von dieser Frau P. Ungeachtet dessen habe ich noch immer den Antrag auf Umschulung bei der Rentenversicherung laufen. Es kann also noch immer sein, dass ich in diesem Bewilligungszeitraum diese Umschulung erhalte und meine Wohnung finanzieren kann. Und ich habe mit so viel Behördenwahnsinn zu tun und versuche irgendwie an meiner Zukunft zu arbeiten, dass mir die Suche nach einer neuen Wohnung zeitliche Kapazitäten nimmt, die für eine berufliche Neuorientierung zwingend notwendig sind. Aber das blendet Frau P. aus. Sie empfiehlt mir darüber hinaus:
„(…) mit Ihrem aktuellen Vermieter Kontakt aufzunehmen, um eine mögliche Mietsenkung zu erreichen. (…)“
Demütigender geht es wohl nicht mehr. Ich soll bei meinem Vermieter zu Kreuze kriechen? Ich finde die Mietkosten für meine Wohnung angemessen und auch nicht zu hoch. Es gibt ALG-II-Bezieher, welche die Miete in meiner Höhe auch übernommen bekommen. Aber Frau P. möchte wahrscheinlich ein „braves“ Mädchen sein, die sich Hoffnung auf eine feste Übernahme macht. Ich bin mir sicher, dass sie keinen Festvertrag hat. Und bei Gelegenheit werde ich sie auch fragen. Denn sie bietet mir ein Beratungsgespräch an. Ich überlege noch, ihr das Beratungsgespräch zu geben, damit sie sich bewusst wird, wie schnell sie auf der anderen Seite des Schreibtisches sitzen kann. Es bedarf nicht viel und auch ich bin nicht durch Eigenverschulden in diese Situation gekommen. Wie ich in diesem Fall vorgehen werde, werde ich jetzt nicht veröffentlichen.
Weiter geht es mit der Sachbearbeiterin, die meinen Bescheid bearbeitet hat. Sie entschuldigte sich und ließ mich wissen, dass mein Aufhebungsbescheid fehlerhaft sei. Diese Post erhielt ich direkt nach Weihnachten. Ich dachte, so halbwegs nun zur Ruhe kommen zu können, da wachsen wieder die Ängste, was denn noch alles im Aufhebungsbescheid korrigiert werden muss, das evtl. zu meinem Nachteil sein kann? Diesen Bescheid habe ich jetzt immer noch nicht, drei Wochen später. Die Angst bleibt.
Ferner erhielt ich ein Schreiben vom Jobcenter Gelsenkirchen, welches ich mir vielleicht einrahmen kann. Man hat sich bei mir entschuldigt. Das finde ich gut, sehr gut sogar. Als Grund für die Verzögerung der Bearbeitung meines Falles wurde angegeben:
„Aufgrund der anhaltenden hohen Arbeitsbelastung in der Leistungsgewährung war eine zeitnahe Bearbeitung leider nicht möglich.“
Da bleibt die Frage offen, wie in Zukunft die Leistungen von Bedürftigen bearbeitet werden? Es wird gerade in unserer Region Arbeitslosigkeit produziert. Thyssen will entlassen, Opel schließt das Werk, auch bei Hochtief sieht es schlecht aus. Dazu kommt noch ein in Gelsenkirchen ansässiger Bäcker, der ebenfalls Personal entlassen muss.
Wo soll das alles noch hinführen und wer soll diese Arbeit in den Jobcentern übernehmen? Es ist ganz klar erkennbar, und ich lag mit meiner Vermutung richtig, dass das Arbeitsaufkommen im Jobcenter schon hoch ist. Es scheint nicht besser werden zu können, schaut man auf die geplanten oder auch schon durchgeführten Entlassungen in der Region. Gelsenkirchener werden in diesen Betrieben immer dabei sein, die ihre Anträge auch hier stellen müssen.
Wir müssen langsam begreifen, dass das Thema Arbeit und ihre Verwaltung nicht mehr zeitgemäß ist. Wenn schon Billigjobs oder Zeitarbeit durch Aufstockung quersubventioniert wird und wenn in Gelsenkirchen der neoliberale Gedanke des Gelsenkirchener Appells stets unreflektiert in der Presse auftaucht, dann sollte klar sein, dass die Öffentlichkeit schon sehr stark an der Zahlung von Einkommen beteiligt ist. Es ist dann eigentlich nur noch ein kleiner Schritt, ein Bedingungsloses Grundeinkommen umzusetzen. Dann wären die Leistungsabteilungen in den Jobcentern entlastet. Dann hätte jeder Mensch die Sicherheit, seinen Wohnsitz behalten zu können. Dann muss niemand mehr Angst haben, nichts mehr zu Essen und zu Trinken zu haben. Und was noch viel schöner ist: Die Menschen können sich wieder viel freier und ohne Ängste in die Gesellschaft und Arbeit einbringen.
Autor:Sandra Stoffers aus Recklinghausen |
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