Karl Lauterbach - der Spezialist für vorbeugende Medizin

Gemeinsam mit dem Gelsenkirchener SPD-MdB Joachim Poß besuchte Karl Lauterbach die Stadtspiegel-Redaktion. Foto: Till
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Prof. Dr. Karl Lauterbach, der Fachmann für Gesundheit und Pflege im Kompetenz-Team des SPD-KanzlerkandidatenPeer Steinbrück, besuchte die Stadtspiegel-Redaktion und beantwortete Fragen der Stadtspiegel-Leser.

Der Mediziner hat viele Ideen, die er umsetzen möchte, um das Gesundheits-System in Deutschland neu zu organisieren und mehr Schwerpunkt auf die Vorbeugung zu legen.

NRW-Rauchverbot ein Bundes-Gebot?

Stadtspiegel: Wie wahrscheinlich ist es, dass unter einer Koalitionsregierung mit SPD-Beteiligung das absolute Rauchverbot, wie wir es in NRW haben, auch bundesweit eingeführt wird?
Karl Lauterbach: „Das Rauchverbot ist ein Gesetz, das über die Gaststättenverordnung realisiert wird. Diese ist aber Ländersache und entsprechend kann die Bundesregierung hier nicht flächendeckend einwirken. Als Gesundheitspolitiker stehe ich ohne wenn und aber hinter der Landesregierung NRW in dieser Frage.

Welche Bedeutung hat der Fraktionszwang bei einer Abstimmung?
„Wichtig ist die Fraktionsdisziplin. Wenn diese nicht eingehalten wird, macht man es dem politischen Gegner zu leicht. Bei Gewissensentscheidungen ist der Fraktionszwang aufgehoben.

Korruption in Ärzte-Kreisen

Sollten Sie in das Amt für Gesundheit und Pflege berufen werden, müssten Sie vor allem bei den Orthopäden und Therapeuten hart durchgreifen, eventuell auch Strafen durchsetzen, damit der Betrug am Kranken aufhört. Was sagen Sie dazu?
„Ich habe mich selbst schon jetzt stark eingesetzt gegen eine kleine Gruppe von Ärzten, die korruptes Verhalten an den Tag legen. Man muss dabei wissen, dass Klinikärzte für ein solches Delikt belangt werden können. Niedergelassene Ärzte, die nur Privatpatienten behandeln, können hingegen gar nicht belangt werden. Ärzte, die gesetzlich Krankenversicherte behandeln, können wiederum belangt werden, aber nicht nach dem Strafgesetz. Diese Ungleichbehandlung ist falsch. Darum habe ich schon ein eigenes Anti-Korruptionsgesetz unterstützt von Polizei und Staatsanwaltschaft entwickelt. Korruption von Ärzten kann Menschen schädigen, darum muss sie eine Sache des Strafrechtes werden.

Volkskrankheit Diabetes

Die Diabetes ist eine Volkskrankheit und die Entwicklung zeigt, dass immer mehr Menschen davon betroffen sind. Welche Maßnahmen planen Sie im Hinblick auf die verstärkte Aufklärung und frühzeitige Erkennung, Präventionsangebote sowie eine bessere Unterstützung der Selbsthilfe?
„Dazu plane ich ein funktionierendes Präventionsgesetz. Das zielt ab gegen das Übergewicht, denn das ist der größte Risikofaktor in Sachen Diabetes. Der Kampf gegen das Übergewicht muss schon bei den Kindern beginnen. Darum müsste gesetzlich geregelt werden, dass schon Kinder Angebote bekommen zur Prävention. Kinderärzte müssten mehr gezielt die Risikogruppen untersuchen. Denn jedes sechste Kind, und hier meine ich Kinder bis 14 Jahren, droht übergewichtig zu werden. Im Alter von 25 bis 30 Jahren sind diese Kinder dann als Erwachsene bereits Diabetiker und somit schwerer behandelbar, als zuvor. Darum ist es mein Ziel, die Hochrisikogruppen bei der Wurzel zu packen und vorzubeugen. Die Diabetes-Prävention war immer einer meiner Forschungsschwerpunkte, darum wäre sie auch ein großes Thema für mich als Gesundheitsminister. Und von der Diabetes sind gerade sozial Schwächere befallen. Daraus resultiert auch eine unterschiedliche Lebenserwartung zwischen Arm und Reich. Auch das ist ein wichtiges Thema für mich.

Bessere Hilfe für Rheumakranke ?

Wie will Ihre Fraktion die Lebenssituation von Millionen rheumakranker Menschen in Deutschland verbessern?
„Wichtig wäre eine deutlich verbesserte Versorgung mit Rheumaärzten für gesetzlich Versicherte. Es müssten in den entsprechenden Kliniken einfach mehr Ärzte ausgebildet werden. Da die Krankheit vor allem ambulant behandelt wird, besteht in den Universitätskliniken nicht der Bedarf, Ärzte in diese Richtung auszubilden. Außerdem müsste es Chroniker-Programme geben wie für Diabetiker und Herz-Kreislauf-Erkrankte. Es ist in meinen Augen kein Kavaliersdelikt, wenn hier gesetzlich Versicherte benachteiligt werden.“

Gefahren durch Glutamat

Warum wird der umstrittene Geschmacksverstärker Glutamat nicht vom Markt genommen?
„Eine aussagekräftige Studie über die Rolle von Glutamat liegt derzeit noch nicht vor. Und wenn eine Studie nicht eindeutig ist, kann man das betreffende Mittel nicht einfach vom Markt nehmen. Natürlich geht der Schutz der Verbraucher immer vor, doch ein Glutamat-Verbot kommt aufgrund der vorgenannten Gründe derzeit nicht in Frage.“

Bürgerversicherung = Einheitsversicherung?

Wie soll nach den Vorstellungen Ihrer Fraktion die Finanzierung der Krankenversicherung neu aufgestellt werden?
„Wir planen die Bürgerversicherung. Damit würde das Zwei-Klassen-System beendet. Und chronisch Kranke hätten mehr Möglichkeiten zu Fachärzten zu kommen und sich in Krankenhäusern ambulant behandeln zu lassen. Denn damit würde eine deutliche Verbesserung des Abrechnungssystems einher gehen. Durch die Bürgerversicherung würde nicht mehr nach Einkommen und Herkunft behandelt werden. Der heutige Zustand ist einfach unwürdig für die gesetzlich Versicherten, die die Praxen quasi „bezahlen“, aber dafür als Patienten zweiter Klasse behandelt werden.“

Fachärztemangel im Ruhrgebiet

Im Ruhrgebiet gibt es oft lange Wartezeiten, wenn es um Termine bei Fachärzten geht. Oder gibt es einfach zu wenige Fachärzte für die Metropole Ruhr?
„Es gibt hier wirklich wenige Fachärzte. Um Abhilfe zu schaffen, müsste die Zahl der Medizinstudenten erhöht werden, und der Beruf müsste entbürokratisiert werden. Ich habe mal in einer Praxis gearbeitet, da kam man kaum zu Untersuchungen, da die Arzthelferin ständig den Ablauf unterbrechen musste, weil sie für irgendetwas eine Unterschrift benötigte. Außerdem würde ich dafür sorgen, dass die Ärzte-Honorare dort, wo es viele gesetzlich Versicherte zu behandeln gibt, erhöht werden. Das würde Anreize schaffen, im Ruhrgebiet zu arbeiten.“

Die Sache mit der Fliege

Die letzte Frage hat wenig mit Politik und Medizin zu tun. Sie tragen stets und ständig eine Fliege. Was hat es damit auf sich?
„Das geht auf das Jahr 1988 zurück. Damals habe ich in Texas gearbeitet, wo sich junge Ärzte immer korrekt kleiden müssen, also entweder eine Krawatte, ein Amulett mit einem Lederband oder eben eine Fliege tragen. Bis dahin hatte ich weder noch. Das Amulett war mir zu New Age, also entschied ich mich für die Krawatte. Aber in der Unfall-Chirurgie hing die mir ständig in irgendwelchen Wunden und war nach einem Arbeitstag regelrecht kontaminiert. Dadurch kam ich auf die Fliege, sie war ein guter Kompromiss. Und heute kann ich ja nicht immer mit offenem Kragen rum laufen. Also bin ich bei der Fliege geblieben. Das ist für mich Arbeitskleidung. Ich trage aber Steckfliegen, das sind die Fliegen der Pragmatiker.“

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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