Investigativer Journalismus? Herr Friedrich ganz ohne Kritik

Folgende E-Mail habe ich heute zum Deutschen Presserat geschickt:

Am 08. Oktober 2013 steht in der WAZ-Online folgender Bericht: Friedrich fordert Härte gegen Armutseinwanderer aus der EU

Unglücklicherweise handelt es sich sogar um einen Text der dpa. Dass er jedoch auch weiterhin unkritisch weiter genutzt wird, ist schon erstaunlich.

Dieser Bericht macht mir in der Form und im Inhalt Angst, was unsere Aufklärung in Sachen EU-Flüchtlinge und die Vorbereitung der Bundesbürger, mit dieser Situation menschlich umzugehen, anbelangt. Die Pressefreiheit ist mir als Leser ein Heiligtum und ich würde mich nicht bei Ihnen melden, wenn die Hinnahme dieser Aussage von Herrn Friedrich nicht bereits bestehende Vorurteile in der Gesellschaft schüren würde. Als vierte Gewalt im Staat ist es die Pflicht der Presse, Herrn Friedrichs pauschale Behauptung und Vorverurteilung von Menschen, die in Not leben, ad absurdum zu führen.

Zwar wird wiedergegeben, was Herr Innenminister Friedrich aussagt, aber es wird unkommentiert und unkritisch so stehen gelassen: „Der CSU-Politiker bekräftigte seine Warnung, dass manche Migranten insbesondere aus den beiden ärmsten EU-Ländern Bulgarien und Rumänien Sozialleistungen in anderen Staaten erschlichen.“

Ohne entsprechende Aufklärung, woher die Armut kommt und wieso arme Länder von der EU aufgenommen werden, die Menschen jedoch nicht, bleibt diese Aussage einfach öffentlich stehen. Dem Leser wird suggeriert, dass eine Flut von Dieben und Straftätern nach Deutschland kommen werden und Herr Friedrich setzt somit alle Flüchtlinge unter Generalverdacht. Entspricht dies dem Ehrenkodex der Deutschen Journalisten? Nicht erwähnt wird, dass der IWF seine Wirtschaftspfoten in diesen Ländern hat. Und wer Jean Zieglers Buch „Die neuen Herrscher der Welt“ gelesen hat weiß, wie diese Länder, welche entsprechende Kredite nehmen, ausgeblutet werden. Und Deutschland ist als drittstärkste Nation im IWF stimmberechtigt.

Gerade im Ruhrgebiet entwickelt sich ein unangenehmer Umgang mit Flüchtlingen. Über Ruhrgebietsgrenzen hinaus ist das „Problemhaus“ in Duisburg bekannt (auch hier wieder keine Kommentarfunktion). Alleine schon ein Haus, in dem Flüchtlinge, also Menschen wohnen, ein Problemhaus zu nennen, ist unter aller Würde. Handelt es sich nicht eher um eine Problemgesellschaft, welche mit anderen Kulturen nicht leben kann oder nicht weiß, was die Hintergründe dessen Armut sind? Jedoch findet in meinem alltäglichen Umfeld eine Stimmung gegen Flüchtlinge statt. Um den Ängsten und auch dem Unwissen der Bürger vorzugreifen ist es dringen und zwingend nötig, aufzuklären. Es nützt niemandem, wenn ein solcher Bericht das Bauchgefühl der Bürger noch bestärkt und die Intoleranz forcieren könnte.

Ich als bekennender Antifaschist fordere eine kritische und aufklärerische Berichterstattung über die zu erwartenden Flüchtlinge. Wenn der Innenminister der BRD solche Äußerungen tätigt, muss die Presse kritisch drauf reagieren. Brisant ist, dass die WAZ zu diesem Thema ihre Kommentarfunktion ausgeschaltet hat. Das gibt mir als Antifaschist nicht mal die Möglichkeit öffentlich auf diesen Text zu reagieren. Wenn der Grund vorliegen sollte, dass die WAZ Angst vor justiziablen Äußerungen aus dem rechten Lager hat, dann ist es doch nur ein mal mehr wichtig, entsprechend aufzuklären und Texte dieser Art nicht einfach stehen zu lassen. Die Form ist aus demokratischer Sicht in Hinblick auf Aufklärung nicht zu dulden. Dieser Text hat schon ein Geschmäckle von Propaganda. Was ist eine Pressefreiheit wert, wenn sie unkritisch derartige Texte veröffentlicht? Und da ich nie wieder in einem Land leben möchte, in dem Menschen nicht aufgeklärt werden und somit Bedingungen geschaffen werden, die in Anbetracht der steigenden Armut und fehlenden Einkommensquellen, Nährboden für Faschismus bilden, bitte ich sie dringlich, mir Ihre Sicht auf diese Art der Berichterstattung zu schildern und mir und der Gesellschaft mitzuteilen, wie wir einer Berichterstattung dieser einseitigen Art als Bürger entgegenwirken können?

Zum Pressekodex:

Ziffer 12 – Diskriminierungen
Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.

Ziffer 13 – Unschuldsvermutung
Die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren muss frei von Vorurteilen erfolgen. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch für die Presse.

Nachtrag:

Die Redaktion von "Monitor" hat auf meinen Beitrag, den ich auch auf ihre facebookseite gepostet habe, reagiert. Danke dafür:

"Friedrich: Härte gegen Armutseinwanderer

Als Folge der Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa hat Bundesinnenminister Friederich sich gegen eine Lockerung der strengen deutschen Einwanderungsgesetze ausgesprochen. Zugleich plädierte Friedrich für mehr Härte gegenüber wirtschaftlichen Migranten. Er forderte die EU-Kommission auch auf, gegen Armutseinwanderung aus Europa, vor allem aus Bulgarien und Rumänien, härter vorzugehen. Der wachsende Missbrauch der Freizügigkeit innerhalb der EU bereite immer mehr Städten und Kommunen in Deutschland Probleme, sagte Friedrich der "Welt".
Monitor hatte wiederholt über die desolaten Lebens- und Arbeitsbedingungen für osteuropäische Wanderarbeiter in Deutschland berichtet."

Zur Sendung

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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