GlobalNoise – „Geld für Menschen, nicht für Banken“
Unter diesem Motto fand am 13. Oktober 2012 die weltweite Protestaktion in Verbindung mit der Occupy-Bewegung statt. Denn diese hatte sich bereits ein Jahr zuvor auch in Deutschland eingenistet. Ja, so kann man das wohl nennen. Denn Nester wurden in verschiedenen Städten gebaut. Seit dem 15. Oktober 2011wurde besetzt. Es entstanden Camps beispielsweise in Frankfurt, Berlin und Düsseldorf. In ganz Deutschland wurden Menschen aktiv, angesteckt von dem globalen Zeitgeist, endlich etwas unternehmen zu müssen. In Spanien ging es im letzten Jahr los, die Welle schwappte rüber zur Wall Street. Vielen von Ihnen sind vielleicht noch ein paar Bilder aus der Tagesschau in Erinnerung. Es sind Bilder, von Krawall geprägt. Den Leid-Medien ist eine Meldung nur was wert, wenn Gewalt im Spiel ist – so sollte man meinen. Oder wieso werden die Aktivisten immer mit Gewalt in Verbindung gebracht, wenn von Protestaktionen und Demonstrationen geredet wird? Ein tiefes „in-sich-hineinhorchen“ wäre jetzt angebracht.
Im letzten Jahr berichtete ich bereits von der Auftaktveranstaltung der Occupy-Bewegung. Mein Ziel war Düsseldorf. In der Zwischenzeit ist eine ganze Menge passiert.
Im Mai gab es eine Blockupy-Veranstaltung in Frankfurt. Über mehrere Tage hinweg sollten Aktionen der Kapitalismusgegner stattfinden. Zunächst sollte das Camp weggewischt werden. Danach wurde eine Demonstration verboten und Konstantin Wecker wurde ebenfalls verboten zu singen. Er meinte, dass ihm noch nicht mal in der DDR verboten wurde zu singen. Busse wurden von der Polizei aus dem Verkehr gezogen, die Insassen kontrolliert und ihnen wurde verboten, die Demonstrationsbezirke zu betreten. Im Livestream verfolgte ich, was in Frankfurt vor sich ging. Die Leid-Medien haben völlig ausgeblendet, wie unsere demokratischen Rechte an diesem Wochenende wieder mit Füßen getreten wurden.
Mitte 2012 wurden dann in verschiedenen Städten (auch Frankfurt und Düsseldorf) die Camps verboten. Merkwürdig, dass jede Kommune seine eigene Begründung hatte, der Termin jedoch in allen Städten gleich war. Wer dabei auf böse Gedanken kommen mag, ist vielleicht schon auf einem ersten kritischen Weg und sollte diese Erkenntnis nun üben. Aber wer glaubt, nur durch das wegwischen des sichtbaren Protestes, wären wir nicht mehr da, irrt! Dank der sozialen Netzwerke, wird weiter koordiniert, geplant, sich ausgetauscht und kooperiert. Es dauert, geht vorwärts, wir müssen Rückschritte hinnehmen, uns weiter motivieren, weitermachen! Aber wir sind da!
Neben unseren Protestes gegen die Diktatur des Kapitals, ließ sich unsere Regierung wieder viel oder eher nichts einfallen. Das neue Meldegesetz wurde binnen weniger Sekunden durch den Bundestag gewunken. Der Fußballfreund beobachtete seine Mannschaft gerade bei der Europameisterschaft und in der Zwischenzeit wurde sein kommunales Amt gesetzlich befugt, seine persönlichen Daten dem Adresshandel zur Verfügung zu stellen.
Dann wurde der geänderte Rundfunkstaatsvertrag verabschiedet. Ab 2013 dürfen wir weiter ausspioniert werden. Wenn wir umziehen, müssen wir Auskunft erteilen, wieso. Und sind wir nicht willig, darf der Vermieter ausgehorcht werden. Selbst wenn man sich eines Empfangsgerätes entledigt haben sollte und nicht mehr zu dem Kreis der gebrainwashten gehören will, muss jeder Haushalt diese Gebühr entrichten. Wir leben in einem Staat, in dem man für etwas zahlen muss, was man gar nicht nutzt. Das klingt sehr demokratisch.
Weiter geht es mit dem geänderten Wahlrecht, welches zwischenzeitlich mal in unseren Gesetzen aufpoppte. Nun kamen kritische Demokraten daher und klagten wieder beim Verfassungsgericht, dass unser Wahlrecht noch immer nicht so ganz korrekt wäre. Hat das Verfassungsgericht gepennt? Die Regierung allemal. Man darf fragen: Sind sie nicht kompetent genug, verfassungskonform zu arbeiten oder ist das böse Absicht? Ich bin mir nicht sicher, welche Version mir lieber wäre. Dennoch: Unser Wahlrecht ist noch immer, schon wieder und überhaupt v e r f a s s u n g s w i d r i g.
Ach ja, Verfassung: Die hat ja nun alle Wege geebnet, das Militär im Inneren einsetzen zu dürfen. Vielleicht begrüßt uns Aktivisten demnächst mal eine Drohne zum Frühstück auf dem Balkon oder der Ton bei einer Demo wird etwas rauer gegen uns.
NSU, Rettungsschirm, und und und. Was ist nicht alles im letzten Jahr, seit der Etablierung von Occupy passiert? Man müsste meinen, in Deutschland geht ein Aufschrei durch die Wohnzimmer. In Gelsenkirchen höre ich nichts. Schweigen. Genauso ruhig, wie im letzten Jahr. Obwohl, so ganz wahr ist die Aussage nicht. Es wird laut, wenn es gegen die Aktivisten geht. „Sei doch nicht immer politisch!“, „muss denn jeder Bereich politisch sein?“, „Du Spaßbremse!“, „Du lässt aber auch keine andere Meinung zu!“, "Du Kommunist". Das Übliche halt. Ungeachtet dessen, dass politische Themen mittlerweile schon nur noch zum Lachen anregen, wenn sie nicht so ernst wären. Das mit dem Meinung-Zulassen ist so eine Sache, wenn keine Meinung da ist. Viele meinen, dass Beleidigung und persönlich werden zum guten Ton einer differenzierten politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung dazugehören. Nun ja, man lernt schnell, mit wem sich eine Diskussion lohnt und mit wem nicht. Wenn dann eine Aussage kommt wie: „Ich sehe mich als Links, habe aber im Wahl-o-Mat die NPD oben stehen“, sollte man ganz geschwind versuchen, mehr bildende Texte bei facebook zu teilen in der Hoffnung, dass sie gelesen und verstanden werden.
Es gibt also genug Grund, immer und immer wieder auf die Straße zu gehen – Protest zu üben – zu zeigen, dass wir viele sind. Die nächste Demo in Düsseldorf am 13.10.12 stand also an. Was war zu tun? In der Hoffnung, dass die Schlafschafe geweckt werden, wurde im Netz der Termin schon mal regelmäßig gestreut. Eine facebook-Seite „Occupy-Gelsenkirchen“ wurde eingerichtet.
Da nun aber nicht jeder gerne im Internet ist, gab es auch eine Pressemitteilung. Einen Fortschritt hat es zum letzten Jahr schon mal gegeben: Die WAZ und der Stadtspiegel in Gelsenkirchen haben von der Demo berichtet und auch, wann sich Occupy-Gelsenkirchen am Hauptbahnhof trifft. An diesem Samstag am Bahnhof angekommen, kam uns ein Aktivist entgegen. Ja, Sie lesen richtig. E i n e r! Auf dem Bahnsteig angekommen, lief ein aufgeregter Fotograf hin und her und fragte uns nach „den anderen“. Wir hielten stolz unser „Occupy-Gelsenkirchen“-Schild in der Hand und waren nicht schwer zu erkennen. Der Herr gab sich als WAZ-Fotograf zu erkennen und war auch ein wenig entsetzt darüber, dass von 260.000 Bürgern es nur 3 geschafft haben, sich dieser Aktion anzuschließen. Dennoch machte er Fotos, die Leute auf dem Bahnsteig waren amüsiert, wir hatten Spaß und machten so noch Werbung. Aber shoppen war dann für die Fahrgästen wesentlich attraktiver.
In Düsseldorf angekommen, trafen wir gleich auf eine Gruppe Gleichgesinnter. Mit Töpfen, Kochlöffeln und Plakaten ausgestattet hatten wir gleich ein positives Gruppengefühl. Auch hier kam jemand von der NRZ auf uns zu, stellte uns Fragen und wir gaben gerne Informationen. Sollten an diesem Tag mehr Presse anwesend sein als Demonstranten? Denn im Gegensatz zum letzten Jahr, waren wir verdammt wenige. Aber wir paar Männekes haben ordentlich Rabatz gemacht. Unsere Forderungen wurden auf allen möglichen Transportgütern wie Regenschirm, Fahnen oder eben auch Schildern verbreitet.
Den ersten Spruch, den ich hörte, war von einer Passantin: „Wo ist denn hier die Shoppingmeile?“ Wie passend! Die Occupy-Aktivisten hatten in den letzten Monaten einige ups and downs erlebt, was die Motivation anbelangt. Vik Toria, René und alle anderen, die so fleißig vor Ort in Düsseldorf alles organisiert haben, sind mit der Arbeit auch nicht zu beneiden. Bei allem demokratischen Engagement ist es immer wieder schwierig, mitzuhalten. Genau das ist auch unser Problem, was wir sehen. Die Schlafschafe kommen zu langsam aus dem Tiefschlaf. Jeden Monat werden Gesetze verabschiedet, die entweder verfassungswidrig oder gegen uns Bürger und pro Wirtschaft sind. Wir kommen mit der Hand voll Aktivisten nicht mehr nach. Da wird es einem schon mal schnell zu viel und man verliert den Mut. Aber erfahrungsgemäß kommt dieser wieder und dann geht es weiter.
Die Demonstration ging los und die Menschen am Straßenrand schauten erstaunt zu, was denn das da auf der Straße ist. Wir sahen viele „Thumbs up“ und winkende Hände. Ja, wir hatten Freunde.
Ein älterer Herr auf dem Balkon schüttelte fassungslos den Kopf als wir „Kriminellen“ seinen Musikantenstadl zu stören schienen. Ich machte dem Mäh ei, indem ich ihm zuwinkte. „Schlafschaf“, dachte ich nur. Na ja, Schlafschafe sind Opfer des Systems. Sollen wir Mitleid mit ihnen haben? Ich weiß nicht. Irgendwie sind sie ja auch Demokratieschmarotzer. Lassen uns dafür arbeiten, den Kopf hinhalten, berufliche Konsequenzen hinnehmen müssen und sie nutzen die Demokratie gemütlich weiter. Aber wer nicht gestaltet, wird verwaltet. Wer jetzt nicht beginnt, sich für seine Belange einzusetzen, lässt es uns eben machen. Nun gut, dann reden uns nicht so viele ins Geschäft. So kann man das auch sehen. Schlaft weiter.
Manche haben es immerhin bis zum Fenster oder Balkon geschafft. Das ist eine ausgezeichnete Leistung und schon mal ein erster Schritt zum aktiv werden.
In Anlehnung an unsere griechischen Freunde, haben auch ein paar Demonstranten ein Plakat mit einer Botschaft auf Griechisch hergestellt. Es soll noch Menschen geben, die glauben, dass uns d i e Griechen ja nur ausnehmen wollen und das ganze Geld in den Rachen gesteckt bekommen. Letztens saßen wir in unserem griechischen Lieblingsrestaurant und es meinte jemand: „Ich hasse die Griechen, die bekommen all mein Geld.“ Tja, diese Einstellung habe ich schon vermehrt in Foren gelesen und auch gehört. Wir haben noch viel, sehr viel Arbeit vor uns, den Menschen klar zu machen, was wirklich mit unseren Steuergeldern passiert.
Und dann wurden wir irgendwie ein wenig in die Irre geführt. Der eine Polizist wollte hier hin, der andere Wagen fuhr dort hin. Da blieben wir auf der Kreuzung einfach mal sitzen. Schnell wurde uns klar, in welche Richtung es weitergehen sollte. Aber demonstrieren ist auch ziemlich anstrengend, so dass wir die Pause dringend benötigten. Die Straßenbahnen, die aus allen 4 Richtungen kamen, wurden, wie der komplette andere Verkehr auch, mal eben lahmgelegt. Da hatte das Shoppinggeschwader aber mal echte Probleme bekommen. Die Polizei ließ uns in Ruhe, wir sprachen laut aus, wieso wir da sind und die Menschen mussten uns zwangsläufig zuhören.
Nach einer für uns kurze, für andere vielleicht s e h r lange Zeit, ging es dann fröhlich, friedlich weiter. Während der Abschlusskundgebung wurde mir erst mal klar, aus wie vielen Städten Menschen da waren. Ich erinnere mich an Essen, Dortmund, Bochum, Recklinghausen aber auch Mönchengladbach, Köln und Aachen. Und natürlich Gelsenkirchen. Vielleicht waren wir mit unserer Dreier-Delegation noch gut vertreten. Als wir gingen fragten wir einen Polizisten nach dem Weg zum Hauptbahnhof. Er beendete die Information mit den Worten: „War spaßig!“
Wir gingen zum Bahnhof, tranken noch was, bis dass unser Zug kam und beobachteten viele weiß gekleidete Menschen. Die „Sensation White“, ein Dance-Festival, fand an diesem Tag in Düsseldorf statt. 17.000 kamen dort hin und die Presse berichtete darüber.
Abschließend habe ich folgende Gedanken. Bei der Recherche nach der globalen Demonstration, fand ich nur Infomaterial von den entsprechenden Aktivisten vor Ort. Kaum eine Zeitung berichtete. Im Fernsehen war auch nichts zu sehen. In der „Aktuellen Stunde“ beim WDR wurde in den Kurznachrichten immerhin von einem Schützenfest in Hinterupfinghausen berichtet. Von der GlobalNoise-Bewegung nichts! Weltweit hat sich zu diesem Tag eine Aktion durchgesetzt, die in Australien, Irland, Deutschland, Spanien, Österreich, Ägypten, Argentinien, Brasilien, Chile, Dänemark, Türkei, und viele mehr wirklich stattfand. Interessierte und gut vernetzte Menschen haben beispielsweise über die Seite „Echte Demokratie Jetzt“ etwas erfahren können. Aber die Leid-Medien schweigen. Seit Monaten sind die Straßen in Spanien und Portugal gefüllt mit Demonstranten. Die Leid-Medien schweigen. Der Herr von der WAZ, den wir auf dem Bahnsteig trafen – er schweigt. Die Dame von der NRZ in Düsseldorf – sie schweigt. Wäre nicht gerade jetzt die Möglichkeit gewesen, über unsere Aktion zu berichten und zu zeigen, dass was passiert? Mich beschleicht dieses ungute Gefühl von Zensur. Unsere Bewegung wird in den Leid-Meiden ausgeblendet und wenn etwas gezeigt wird, dann nur Krawall. Es liegt an uns Bloggern, Filme-Machern, Organisatoren und überhaupt allen Aktivisten, zu veröffentlichen, was wirklich passiert. Die Menschen, die sich noch bedienen lassen, was Informationen anbelangt, werden irgendwann sagen:
„Wir haben von nichts gewusst!“
Den ganzen Bericht mit Links und Bildern finden Sie hier: http://www.welt-bewegen.com/?p=1090
Autor:Sandra Stoffers aus Recklinghausen |
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