Institut für Stadtgeschichte erstellt Datenbank zu Recherche
Gedenkbuch erinnert an NS-Opfer
Mit fünf monatiger Verspätung durch die Corona-Pandemie wurde nun das neue Gedenkbuch zur Erinnerung an die jüdischen Menschen, die zwischen 1933 und 1945 in Gelsenkirchen von den Nationalsozialisten ermordet wurden, offiziell an Oberbürgermeister Frank Baranowski übergeben. Zusammengetragen wurden die Schicksale der Menschen durch den Hobby-Historiker Karl-Heinz Rotthoff, der auch Mitglied der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit ist.
Gemeinsam mit der Grafikerin Nicole Cub und dem Buchbinder Dietmar Klein hat Rotthoff das Buch in nach jahrgelangen Recherchen ausgearbeitet. Die intensiven Recherchen für das Buch hat das Team des Instituts für Stadtgeschichte (ISG) zum Anlass genommen, eine Online-Datenbank zu erarbeiten, die Recherchen zu den jüdischen Holocaust-Opfern aus Gelsenkirchen erleichtern soll.
„Bislang mussten die Namen und Daten aus verschiedenen Datenbanken zusammengesucht werden. Unser neues Portal ermöglicht es erstmals, jetzt alle Daten und Hinweise zu den Schicksalen der jüdischen Opfer der NS-Zeit zwischen 1933 und 1945 aus dieser Stadt systematisch zu erfassen, sowohl die jener Menschen, die schon lange in der Stadt ansässig waren, als auch die jener, die nur vorübergehend hier lebten. Diese Datenbank hat maßgeblich von Karl-Heinz Rotthoffs Recherchen für das Gedenkbuch profitiert“, erklärte Institutsleiter Dr. Daniel Schmidt. Im Rahmen einer Feierstunde wurde eine Beta-Version der neuen Datenbank freigeschaltet. Sie soll stetig mit weiteren Rechercheergebnissen angereichert werden.
Oberbürgermeister Frank Baranowski lobte, dass das Buch einen „beachtenswerten und beinahe vollständigen Blick auf die Opfer ermöglicht. Und zwar nicht nur anhand von Zahlen der Menschen, die unterdrückt, verfolgt und ermordet worden. Vielmehr verdeutlicht das Buch, dass Menschen hinter der Zahl der von den Nationalsozialisten Getöteten standen. Menschen wie Du und ich.“
Gerade in Zeiten, „in den Rechtspopulisten das Unfassbare und Ungeheuerliche und die Lehren der Vergangenheit mit Füßen treten, dient uns allen dieses Buch als Mahnung. Ein solches Versagen dürfen wir uns als Gesellschaft nicht mehr leisten,“ betonte der Oberbürgermeister. „Dank dieses Buches werden die Opfer des NS-Zeit nicht vergessen und wir können Geschichte immer wieder aufs Neue lernen.“
Karl-Heinz Rotthoff zeigte sich stolz darüber, dass die feierliche Übergabe noch zur Amtszeit von Frank Baranowski stattfand, dem „in seiner Amtszeit viel gelungen ist.“ Rotthoff erinnerte sich, dass er bei Kriegsende zehn Jahre alt war und nicht zur Generation der Täter gehörte. Durch ihre religiöse Überzeugung litt vielmehr seine Familie unter den Nationalsozialisten.
Inspiriert durch die Einweihung der neuen Synagogen wurde Rotthoff 2007 Mitglied der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und engagiert sich seit 2010 im alten Betsaal, um Besuchern die Geschichte der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen nahe zu bringen.
Der Historiker erläuterte, dass er Todesopfer, Bombenopfer bei Gelsenberg und Menschen mit ungewissem Schicksal ermittelt hat. Das Institut für Stadtgeschichte hat seine Recherchen mit dem Holocaust Memorial Museum in den USA abgeglichen, eine Datenbank erstellen lassen und dabei auch Verwandtschaften miteinander verlinkt. „Damit wurde meine Arbeit aufgewertet, das macht mich stolz. Ich schildere gern und ausführlich und bin ich froh, dass der Fußnoten-Bereich vom ISG nicht gekürzt wurde“, freute sich Rotthoff.
Der Gelsenkirchener wünscht sich, dass das Buch, das im Bildungszentrum, in der Jüdischen Gemeinde, im Institut für Stadtgeschichte und in der Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“ ausgelegt wird, „viel Anklang findet bei den Bürgern der Stadt.“
Er dankte der Bürgerstiftung Gelsenkirchen, der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Gelsenkirchen e.V. sowie dem Institut für Stadtgeschichte für deren finanzielle Unterstützung, ohne die das Buch nicht möglich gewesen wäre.
Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, Judith Neuwald-Tasbach, schilderte, dass Rotthoff seit vielen Jahren das Leben der Jüdischen Gemeinde begleitet und dankte ihm für sein gutes Werk, dass er ehrenamtlich in der alten Synagoge, dem Betsaal an der Von-der-Recke-Straße, „da wo nach der Shoa das jüdische Leben in Gelsenkirchen wieder erblühte“, beiträgt.
„Die Gesellschaft muss erkennen, dass Erinnerung nicht nur rückblickend ist, sondern zeigt, was es zu erhalten gilt. Wir dürfen nicht vergessen, unseren Kindern zu lehren, dass alle Menschen gleich sind. Das ist das ewige Erbe der Ungerechtigkeit des Dritten Reiches“, erklärte Neuwald-Tasbach. „Gerade jetzt, wo Antisemitismus, Rassismus und Verschwörungstheorien wieder zum Problem für Jüdisches Leben werden.“
Umso mehr dankte auch sie dem Oberbürgermeister für sein offenes Ohr in den vergangenen 16 Jahren, das der Jüdischen Gemeinde geholfen hat, ein Haus zum Gedenken für alle Völker in der Synagoge zu schaffen.
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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