Teilhabechancengesetz als Meilenstein in der Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit
Förderung bekommen
Sie arbeiten in Second-Handläden, Sozialkaufhäusern, in der Altenbegleitung, im Gartenbau, als Stromspar-Checker oder in Projekten wie dem Quartiersservice der Stadt Gelsenkirchen. Menschen wie Esther M., die aufgrund verschiedener „Vermittlungshemmnisse“ - wie es im Amtsdeutsch heißt - keine Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt finden konnten.
Für Menschen wie Esther M. ist das Teilhabechancengesetz gemacht. Verbände, Sozialpartner oder auch Unternehmen stellen - für fünf Jahre gefördert - Menschen wie sie ein und geben ihnen eine Chance auf Teilhabe.
Bei manch einem mündet diese Chance in einen regulären Job auf dem ersten Arbeitsmarkt. „Die glückliche Variante“, wie Eva Bittner-Geier vom Caritasverband für die Stadt Gelsenkirchen erklärt, „wenn diese Eingliederung ins Arbeitsleben gelingt.“ Andere müssen weiter dauerhaft gefördert werden.
Fördermöglichkeit für längstens fünf Jahre
Das Teilhabechancengesetz bietet diese Fördermöglichkeit für längstens fünf Jahre, wobei die Förderung mit längerer Dauer schrittweise reduziert wird. Andere Arbeitsmarktmaßnahmen haben meist eine ein- oder zweijährige Laufzeit, und Beschäftungsverhältnisse müssen den Kriterien zusätzlich wettbewerbsneutral und gemeinnützig genügen.
Für Esther M. ist unsicher, wie es für sie ab Mitte 2022 weitergeht. Die 46-Jährige hat noch etwas über ein Jahr, in dem sie im Quartiersservice der Stadt Gelsenkirchen arbeiten darf. Sie wünscht sich, dass es für sie weitergeht, weil ihr diese Arbeit viel Spaß macht und sie sich wertgeschätzt fühlt. Im Quartiersservice geht sie mit einer Kollegin durch einen Stadtbezirk in Gelsenkirchen und meldet zum Beispiel Müllansammlungen bei der Stadt oder weist Menschen freundlich darauf hin, die Corona-Maske zu tragen. Esther M. ist ein gutes Beispiel dafür, was das Teilhabechancengesetz bewirken kann. Es gibt ein neues Selbstwertgefühl - bei manchen leider nur auf Zeit.
Teilhabechance für 400 Menschen
In Gelsenkirchen sind es etwa 400 Menschen, die in Projekten der Kommune mit Wohlfahrtsverbänden und anderen Partnern gefördert werden und eine Teilhabechance bekommen. Teilhabe bedeutet neben Beschäftigung eben auch Selbstwert und Stabilisierung. Wer über das Gesetz gefördert wird, erhält ein begleitendes Coaching durch einen Sozialarbeiter. Im Coaching werden gemeinsam mit den Menschen Lösungen für Probleme im Arbeitsalltag, aber auch bei familiären Belastungen, Sucht, Schulden und Erkrankungen gesucht.
„Die Menschen haben fünf Jahre Zeit, ihre Vermittlungshemmnisse zu bearbeiten, während sie einer Beschäftigung nachgehen. Das Gesetz nimmt so auch Menschen in den Blick, die wahrscheinlich keine Chance auf Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt haben. Sie bekommen aber eine Chance auf Teilhabe und können so der Stadtgesellschaft etwas geben“, erklärt Fachfrau Bittner-Geier. „Gut ist auch, dass das Gesetz flexibel angewendet werden kann, weil Menschen sich ausprobieren können und den Arbeitsbereich wechseln können. Wer sich zum Beispiel im Bereich der Altenbegleitung nicht wohlfühlt, kann dann etwa in den Quartiersservice wechseln und schauen, ob ihm diese Beschäftigung mehr liegt.“
Auch Unternehmen bietet das Gesetz die Möglichkeit, Menschen eine Chance zu geben und - wenn es gut läuft - sie weiter zu beschäftigen. In Gelsenkirchen werden nochmal rund 350 Beschäftungsverhältnisse in lokalen Firmen über fünf Jahre finanziell durch das Jobcenter gefördert. 350 Chancen für Menschen im ALG II-Bezug.
Außerkrafttretung am 1. Januar 2015
Das Teilhabechancengesetz tritt zum 1. Januar 2025 außer Kraft. Die Möglichkeit der Fortführung muss dann geprüft werden, so hat es sich der Gesetzgeber vorbehalten. Die Caritas setzt sich für die Fortführung und Verstetigung des Gesetzes ein. Sie will es weiterentwickeln und fordert zum Beispiel, dass alle verpflichteten Tarifleistungen wie Weihnachts-, Urlaubsgeld oder Zulagen ebenfalls finanziell gefördert werden. In das 2018 verabschiedete Gesetz sind wesentliche Forderungen des „Gelsenkirchener Appells“ eingeflossen. Der „Gelsenkirchener Appell“ ist ein 2012 geschlossenes Bündnis von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Arbeitgeberverbänden, Wohlfahrtsverbänden und der Kommune, um Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Hinweis
Zum Teilhabechancengesetz ist eine CARItalks-Pocdastfolge „Für Teilhabe braucht es jemanden, der Chancen gibt“, ein Gespräch mit Arbeitsmarktexpertin Eva Bittner-Geier vom Caritasverband für die Stadt Gelsenkirchen, zu hören.
Autor:Lokalkompass Gelsenkirchen aus Gelsenkirchen |
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