Erkenntnissammlung über den Wohnungsmarkt, hier: 10. Wohnungsbörse
Aus der Presse erfuhr ich von dieser Wohnungsbörse. In Anbetracht dessen, dass ich seit Februar Erkenntnisse über die lebensreale Wohnsituation in Gelsenkirchen suche, Seitens der Stadtpolitik und auch der Stadt nur Phrasen oder gar keine Antwort erhalte, machte ich mich auf dem Weg, die andere Seite anzusprechen: Die Vermieter.
Da es noch nicht jedem bekannt ist, dass im Februar 2015 in Gelsenkirchen die Kosten der Unterkunft im SGB für Neuanträge gesenkt wurde, möchte ich das an dieser Stelle noch mal erwähnen und auf meine Berichte dazu hinweisen. Sie werden am Ende des Textes stehen.
Nun hat die fragwürdige Studie des Unternehmens Empirica herausgefunden, dass Gelsenkirchen über genug bezahlbaren Wohnraum für Menschen im SGB verfügt. Diese Wohnsituation in Gelsenkirchen muss einem Schlaraffenland gleichen, denn umgehend hat die Stadt die Kosten der Unterkunft gesenkt. Für Neuanträge wohl bemerkt. Aber auch diese Definition wurde mir bisher Seitens der Stadt noch nicht erläutert. Muss beispielsweise eine Saisonarbeitskraft nach Beendigung dieser Arbeit einen Neuantrag stellen oder werden die alten Leistungen übernommen? Wer würde denn dann riskieren, einen Job anzunehmen, wenn nach Jobverlust die Miete nicht mehr voll übernommen wird? Diese und ähnliche Beispiele geben die Lebenswirklichkeit wieder.
Nun zur Wohnungsbörse:
Oh wen sah ich da alles. Sogar die Stadt Gelsenkirchen verfügte über einen Stand. LEG, die in diesem Jahr schon mit fragwürdigen Mieterhöhungen Schlagzeilen machen, ach ich hatte große Lust, meine Fragen zu stellen.
Eine sehr sympathische und aufgeschlossene Dame bat mich in den Innenraum des Zeltes, damit wir über meine Frage in Ruhe reden könnten. Ich versuchte herauszufinden, was die GAGFAH anbieten könnte, um die zu erwartende Nachfrage von ALG-II-fähigen Wohnungen und auch Wohnraum für Flüchtlinge erfüllen zu können. Ihre Antwort war, dass sie noch nicht lange auf dem Gelsenkirchener Wohnungsmarkt zu finden wären. Aber die Stadt Gelsenkirchen könne gerne Kontakt mit ihnen aufnehmen, um eben auch Wohnraum für Flüchtlinge anmieten zu können. Wohnraum wäre genügend da. Als ich der freundlichen Dame mitteilte, dass in Gelsenkirchen die Kosten der Unterkunft gekürzt wurden, fragte sie: „Wieso macht die Stadt das?!“ Ich konnte ihr diese Frage auch nicht beantworten, weil sie auch mir bisher noch nicht beantwortet wurde.
Nun wunderte ich mich, wieso die GAGFAH erst kurz auf dem Gelsenkirchener Wohnungsmarkt ist und bin nach meiner Recherche noch ein wenig verwirrter. In den Ruhrnachrichten vom 1.12.2014 ist zu lesen, dass die Deutsche Annington die GAGFAH schlucken will. Den aktuellen Stand fand ich dann bei GAGFAH selbst, denn dort heißt es:
„Die Deutsche Annington ist Deutschlands führendes Immobilienunternehmen mit europäischen Dimensionen. Zum 31. Dezember 2014 gehörten der Deutschen Annington rund 203.000 Wohnungen. Deutschlandweit ist die Deutsche Annington mit 3.850 Mitarbeitern an 550 Standorten präsent und bietet kundenorientierte Serviceleistungen. Mit der Integration der 144.000 GAGFAH Wohnungen besitzt das Unternehmen inzwischen circa 350.000 Wohnungen, die sich hauptsächlich in großen deutschen Städten und den dazugehörigen Einzugsgebieten befinden.“
Die Deutsche Annington hatte gleich einen Stand nebenan. Im Herbst wird die GAGFAH in die Deutsche Annington aufgehen. Wieso sie sich dann noch als zwei unterschiedliche Anbieter aufstellen, bleibt ein Rätsel. Der neue Name soll dann Vonovia sein.
Das ist eigentlich die einzige Erkenntnis, die ich aus diesem Gespräch zog.
Dann ging ich zu einem Stand, dessen Vertreter ich wirklich vergessen habe. Nicht vergessen habe ich, dass zwei Testosteronis, also sehr mit sich selbst beschäftigten Vertreter dieser Gesellschaft, kein Interesse zeigten, denen die Interesse zeigten, Interesse zu zeigen. Ein weiterer Mitarbeiter bemerkte dies, war auch total freundlich und versuchte verzweifelt ein Gespräch mit mir und seinem Vorgesetzten zu koordinieren. Der Vorgesetzte war aber auch nicht interessiert. Mir tut der freundliche Mitarbeiter leid, der sich wirklich zwischen den Interesselosen sichtlich Mühe gab. Kein Wunder, dass ich diesen Anbieter vergessen habe. Man ahnt, wie der Service sein muss, würde man dort wohnen.
VIVAWEST ist nicht zuletzt als Veranstalter des gleich lautenden Marathons bekannt. Im Grunde verfügt dieser Anbieter über eine recht positiven Ruf in Gelsenkirchen. Auch hier stellte ich meine Frage, wie man sich bzgl. der Veränderung auf dem Wohnungsmarkt für Menschen in Armut aufstellen will. Mir ist schon klar, dass die Anbieter kapitalorientiert und keine Sozialunternehmen sind. Auch das erwähnte ich in meinen Gesprächen. Es war erneut eine Dame, die mir Auskunft erteilte. Oder besser erteilt hätte. Denn sie gab offen zu, dass dem Unternehmen wohl bekannt ist, was da auf Gelsenkirchen zu kommt, aber Lösungen hätten sie nicht. Es gäbe runde Tische und Gremien, die sich mit der Thematik befassen, aber weiter wären sie noch nicht. Ich musste natürlich wieder einen Einwand geben, dass die Situation nicht überraschend auf uns einbricht. Hartz IV gibt es nunmehr seit 10 Jahren und der Flüchtlingsstrom wurde schon vor 20 Jahren angekündigt. Man wusste nur noch nicht genau, wann es wirklich losgehen würde. Tatsächlich habe ich das noch im Politikunterricht in der Berufsschule gelernt, als wir uns inhaltlich Krisengebieten widmeten. Ich konnte nicht umhin, der Dame zu sagen, dass man diese Situation auch als in einer Demokratie lebender Mensch hätte vorausahnen können.
Meine Erkenntnis an diesem Stand war, dass es keine Lösungen gibt. Aber geredet wird viel.
GGW – Gelsenkirchener gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH
Jepp, hier war ich richtig. Gemeinnützigkeit – Fördergelder – öffentliche Hand, ich hoffte auf Erkenntnisse auch hier. Der erste Anlauf war der Verweis auf eine Kollegin. Der zweite Anlauf war der Verweis auf Herrn Eismann aus der Geschäftsleitung. Irgendwann schafft man es doch, den Richtigen anzutreffen und es hat sich gelohnt. Herr Eismann erwies sich als ein ausgesprochen angenehmer Gesprächspartner. Und auch hier stellte ich wieder meine Frage. Natürlich wurde mir auch hier gesagt, dass es ausreichend Wohnungen für Leistungsempfänger im SGB gäbe. Ebenso werden in den Wohnungen der GGW auch Flüchtlinge untergebracht, die nach einem Jahr auch die Möglichkeit bekämen einen Mietvertrag zu erhalten.
Auf meine Frage, wie die GGW mit den Nebenkosten umgehen wird, die nun durch Gebührenerhöhungen beispielsweise bei Müll oder Abwasser steigen werden, bekam ich die Antwort, dass es sich ja nur um 3-6 Euro pro Jahr handeln würde. Meine lieben treuen und auch neuen Leser, bitte behalten wir doch mal die Zahl im Hinterkopf. Schauen wir doch dann mal bei unserer Nebenkostenabrechnung für 2015 nach, ob das denn so stimmen möge.
Ich erwähnte, dass die Senkung der Kosten der Unterkunft nicht für Mieterhöhungen ausgerichtet sind, wie in diesem Jahr bei der LEG erfolgt. Das wären nur Einzelfälle, bekam ich als Antwort. Wie leicht man das so sagen kann, hat man keine statistische Grundlage. Denn von der Stadt Gelsenkirchen wurde mir in einem Antwortschreiben mitgeteilt, dass die Empirica-Studie auf Grund mangelnder statistischer Grundlagen beauftrag wurde. Und die zweifeln wir an. Es gibt also keine repräsentativen Werte, welche belegen, ob Mieterhöhungen in diesem Jahr bei Leistungsbeziehern erfolgten.
Oftmals wird zwischen Vermietern und Mietern ein Deal gemacht, von dem die Behörden nichts mitbekommen. Die Lebenswirklichkeit, der sich die Stadt Gelsenkirchen zu entziehen scheint, ist eine ganz andere als in der Empirica-Studie ermittelt. Es gibt Dinge, die kann ein statistisches Unternehmen, fernab der Kenntnisse über die Menschen einer Stadt, nicht ermitteln. Und es wird auch immer schwieriger. Denn die Angst der Menschen lässt sie schweigend Lösungen finden, die sie scheinbar über einen Zeitraum retten kann. Dann wird die Mietlücke mit dem Regelsatz bezahlt, dann werden die Nebenkostenerhöhungen nicht weiter in die Kosten der Unterkunft einberechnet sondern lieber ein mal im Jahr nachgezahlt. Denn die Meldung beim Jobcenter bedeutet wieder Bürokratie, Angst vor Nichtgenehmigung, wenn der Satz überschritten wurde. Niemand möchte eine Umzugsaufforderung im Briefkasten finden. Das ist Psychoterror pur.
Also, was ein Einzelfall ist oder nicht, kann Herr Eismann gar nicht beurteilen.
Wohnungen wären genug da. Eine Aussage, die mir durch die Bank bestätigt wurde. Nun stellt sich jedoch folgende Frage:
Schaue ich mir die Entwicklung der Arbeitslosenstatistik seit Februar 2015 an, so sind nunmehr 1.900 Menschen im ALG II dazugekommen. Sozialhilfeempfänger nicht mal mitgezählt. Wie viele Neuanträge mögen wohl darunter sein? Die Definition von Neuantrag ist ja noch nicht belegt und muss bei der Stadt erfragt werden.
Ich schaue mir regelmäßig den Wohnungsmarkt an und finde nicht die Angebote, welche eine immer größer werdende Anzahl an Nachfragen decken könnte. Eine Statistik veröffentlichte ich bereits hier.
Um der Wahrheit in Gelsenkirchen ein Stück weit näher zu kommen, müsste eine Anfrage gemäß IFG (Informations-Freiheits-Gesetz) beim Jobcenter in Bezug zur Umzugsaufforderung gestellt werden. Darüber hinaus müssen Anfragen bei den Wohnungsgesellschaften gestellt werden, welcher ALG-II-fähiger Wohnraum gerade zur Verfügung steht. Einschlägige Internetplattformen haben bereits im ersten Ergebnis gezeigt, dass NICHT genug Wohnraum verfügbar ist. Ich kann also alles nach und nach erfragen. Aber mit den Menschen, die in so einer Situation sind, könnte ich noch viel besser arbeiten. Auch hier brauche ich Erkenntnisse. Ich würde die Informationen auch vertraulich behandeln und je nach Abstimmung veröffentlichen.
Nun ist es auch wichtig zu erfahren WAS für ein Wohnraum für arme Menschen zur Verfügung steht. Die Tagespresse berichtet regelmäßig nicht besonders gut über den Zustand und den Standards von Wohnungen, die für Leistungsbezieher bezahlbar sind. Oftmals ist von Schimmel die Rede oder dass der Vermieter sich nicht kümmert. Ich gebe zu, über die GGW diesbezüglich noch nichts gehört oder gelesen zu haben. Aber wer ein wenig recherchiert, wird entsprechende Berichte über andere Anbieter schnell finden.
Und was nicht vergessen werden darf: WO sind diese Wohnungen zu finden? Besteht die Gefahr der Ghettoisierung? Werden ALG-II-Bezieher, Sozialhilfeempfänger und Flüchtlinge an den Stadtrand gedrängt? Nichts, was es nicht bereits in Düsseldorf schon gibt. Auch hier müssen wir die Augen offen halten.
Herr Eismann meinte, dass man natürlich nicht erwarten kann, in der Straße oder dem Stadtteil zu wohnen, in der man gerne wohnen möchte. Da müsse man schon ein flexibel sein. Was, wenn dieser Stadtteil oder das Wohnumfeld über keine ausreichende Nahversorgung verfügt? Auch ein Thema, dass in Gelsenkirchen eine große Rolle spielt. Oder wird dann die Gafög wieder einen gemeinnützigen Lebensmittelladen eröffnen, in dem Löhne gezahlt werden, welche den Wettbewerb verzerren könnten? Schafft sich die Stadt gerade ihren eigenen Billiglohnwohnsektor? Hier kommen viele Fäden zusammen, die wir als BürgerInnen beobachten müssen.
Ich erfuhr noch, dass Menschen, die im Bezug sind, bei Mieterhöhungen mit der GGW verhandeln können. Es wäre möglich, diese zurückzuhalten, bis dass eine Arbeitsstelle gefunden sei. Dazu bedarf es einen jährlichen Nachweis, um zu beweisen, dass man noch im ALG II ist. Auch diese Situation birgt eine Gefahr in sich. Nimmt ein Langzeitarbeitsloser einen Job an, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass er ihn schneller wieder verliert, als dass er wieder in das ALG I käme. Der ungesetzliche Mindestlohn macht es möglich. Verliert der Mieter also seine Arbeit, die Miete wurde jedoch erhöht, fällt er wieder ins ALG II. Dann die Frage: Befindet sich die Miete noch im Bereich der Mietobergrenze? Oder wird dieser Antrag auf ALG II gleich als Neuantrag gewertet und gleich mit der neuen Mietobergrenze, also noch weniger Geld, bemessen? Fragen über Fragen, die auch ein Herr Eismann nicht beantworten kann.
Erkenntnis bei der GGW: Es gibt viele Wohnungen, so wird behauptet. Gibt es aber ausreichend Wohnungen? Das kann niemand beantworten. Man kann mit dem Vermieter über den einen oder andern Euro in der Miete verhandeln. Auch das hörte ich von anderen Anbietern.
Fazit: Es war sehr aufschlussreich, die andere Seite auf dem Wohnungsmarkt kennen zu lernen. Die Unterhaltungen waren leider nicht so sehr tiefgreifend, wie ich es für meine Arbeit benötige. Aber das habe ich auch nicht erwartet. Leider konnte ich weitere Anbieter nicht interviewen, weil es mein Zeitplan nicht hergab.
Wir stellen fest: Es gibt noch sehr viel zu tun. Wir brauchen aber auch mehr Erkenntnisse über die Lebenswirklichkeit. Wer hat Probleme eine Wohnung zu finden und woran scheitert es? Wer kämpft mit seinem Regelsatz, schließt damit die Lücke und geht dann zur Tafel?
Eines ist klar: Mit dem Senken der Kosten der Unterkunft im SGB bei Neuanträgen hat die Stadt Gelsenkirchen das Tischtuch zum Thema „Soziales“ zerschnitten. Das Schweigen aller Stadtpolitiker ist nur ein Armutszeugnis ihrer selbst. Wenn wir was verändern wollen, müssen wir als BürgerInnen zusammenkommen und Lösungen finden.
Weiterführende Links:
Förderung des sozialen Wohnungsraums
NRW will sozialen Wohnungsbau mit Geldspritze ankurbeln
Autor:Sandra Stoffers aus Recklinghausen |
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