Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung
Erinnerungen hochhalten: 8 Mai als Feiertag
Am 8. Mai jährte sich zum 75. Mal der Tag der Befreiung vom Faschismus und damit auch der Tag, der in Deutschland den Weg frei machte für eine Demokratie, wie wir sie heute kennen. Die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano fordert darum, dass der 8. Mai in Deutschland als Tag der Befreiung vom Faschismus zum bundesweiten Feiertag wird. Dem schließt sich auch das Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung an.
Das Aktionsbündnis hat sich mit einem offenen Brief an die städtischen Verantwortlichen und hier insbesondere Oberbürgermeister Frank Baranowski gewandt, um die Petition der Holocaust-Überlebenden und Vorsitzenden des Auschwitz-Komitees in der BRD zu unterstützen. Dabei geht es vor allem darum, diesen Tag in Gelsenkirchen im Gedächtnis der Bürger zu halten, mit all seinen historischen Bedeutungen.
Am Mahnmal für die Opfer des Faschismus im Gelsenkirchener Stadtgarten und damit an einer Stelle, die im Jahre 1950 von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes errichtet wurde, informierten der Sprecher des Aktionsbündnisses Paul M. Erzkamp und das Aktionsbündnismitglied Hartmut Hering über die Idee, die man in Gelsenkirchen mit diesem neuen Feiertag hätte.
Damit schließt sich das Aktionsbündnis der Petition von Bejarano an, aber mit einem Blick auf die Gelsenkirchener Besonderheiten. „Weil es gerade wichtig ist, in Zeiten einer erstarkten rechten Partei, deren Ehrenvorsitzender Alexander Gauland von einem 'Tag der absoluten Niederlage für Deutschland' spricht, wenn er an den 8. Mai denkt. Zudem dürfen wir nicht die Augen verschließen vor rechten Gruppierungen wie die 'Steeler Jungs', die in Ückendorf in einem Kampfsportstudio aktiv sind, oder 'NRW stellt sich quer', die versuchen, in der Stadt an Boden zu gewinnen. Umso wichtiger wäre es, an einem Feiertag 8. Mai den Sieg über den Faschismus und den Aufbau einer Demokratie zu feiern sowie die Erinnerung an die Opfer hochzuhalten und die Täter, Mitläufer und sogenannten Schreibtischtäter nicht einfach zu vergessen“, wünscht sich Erzkamp.
Und das, auch wenn in Gelsenkirchen am 8. Mai die Befreiung schon erfolgt war, wie Hartmut Hering skizziert: „Buer wurde bis zum Kanal bereits am 30. März von amerikanischen Truppen besetzt und in Gelsenkirchen marschierten am 10. April die Briten ein. Die reichsweite Befreiung erfolgte dann aber, mit einer kleinen Ausnahme in Schleswig-Holstein, am 8. Mai.“
Das Aktionsbündnis erläutert, dass viele Deutsche und eben auch Gelsenkirchener gar nicht bemerkt haben, wie sie von den Nazis instrumentalisiert wurden. Entsprechend wird auch nicht wahrgenommen, dass Wohnungslosigkeit, Hunger und mehr in der Nachkriegszeit Folgen der Nazi-Diktatur waren.
Hartmut Hering führt aus, dass Gelsenkirchen durch die Weltkriege in die Kohle- und Stahlindustrie getrieben wurde und gar keine Chance hatte, andere Industrien daneben wachsen zu lassen. „Daran leiden noch heute viele Langzeitarbeitslose, ohne es zu wissen“, stellt Hering fest.
Und genau darum geht es dem Aktionsbündnis bei der Forderung des Feiertages am 8. Mai: Der Tag sollte zur Aufklärung der historischen Ereignisse genutzt werden. „Wir wollen den Bürgern keinen weiteren freien Tag im Mai verschaffen, sondern einen Tag der Aufklärung, in dem Stadtgeschichte thematisiert wird. Dieser Teil der Geschichte muss in den Herzen der Menschen ankommen, damit diese sich gegen den rechten Spuk abgrenzen und wehren“, glauben die Vertreter des Aktionsbündnisses, die sich sehr positiv über die Aktivitäten des Instituts für Stadtgeschichte in diesem Bereich äußerten.
Sie hoffen auf den von ihnen gegebenem Impuls, ein klares Bekenntnis der demokratischen Parteien in Gelsenkirchen in der letzten Ratssitzung vor der Kommunalwahl zu bekommen, um diesen neuen Weg der politischen Bildung auf kommunaler Ebene zu betreiben. Denn wie Hartmut Hering zu bedenken gibt: „Gerade in den Kommunen findet Geschichte statt, schon immer und auch heute noch. Darum müsste die Stadt noch mehr tun, um das historische Bewusstsein zu wecken.“ Damit würde ein Zeichen gesetzt gegen den Rassismus und Antisemitismus, der, wie es in Deutschland, Europa und der Welt immer deutlicher wird, nicht mit dem Jahr 1945 endete. Jüngstes Beispiel sind die rassistischen Ausschreitungen in den USA.
Denn wie Esther Bejarano erklärte, wäre die Schaffung eines Feiertages in Deutschland ein deutliches Signal für Frieden und Freiheit an die Welt. Bejarano fordert: „Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes. Sonntagsreden, die Betroffenheit zeigen, reichen nicht. Es muss gestritten werden für die neue Welt des Friedens und der Freiheit, die die befreiten Häftlinge im Schwur von Buchenwald als Auftrag hinterlassen haben. Deshalb: 8. Mai - arbeitsfrei und Zeit für Antifaschismus!“
Jeder Gelsenkirchener, der sich damit identifizieren möchte und das Anliegen des Aktionsbündnisses unterstützen möchte, kann bis zum 25. Juni, dem Tag der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause, eine Videobotschaft oder auch nur ein Foto auf #GEfeiert8Mai platzieren.
Das Aktionsbündnis
"Das Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung ist ein Zusammenschluss von Einzelpersonen und Vertreter*innen von Organisationen, Initiativen und demokratischen Parteien gegen rechte und rassistische Aktivitäten.
Unser Ziel ist ein diverses und vielfältiges Gelsenkirchen sowie eine friedliche, demokratische und solidarische Gesellschaft. Kein Mensch soll wegen der Abstammung, des Aussehens, einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung, der Hautfarbe, der Herkunft, der Religion, der sexuellen Identität, der sozialen Lage, der Sprache und/oder der politischen Anschauung diskriminiert werden.
Deshalb sprechen wir uns gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aus, u.a. gegen Antisemitismus, Antifeminismus, Antiziganismus, Nationalismus, Rassismus, Sexismus.
Für alle Menschen, die bei uns mitmachen, steht das Anliegen des Antifaschismus und Antirassismus im Zentrum der Forderung. Wir wollen freundschaftlich und solidarisch zusammenarbeiten, unabhängig davon, ob und wie wir sonst organisiert sind."
(Auszug aus der Selbstverständnis-Erklärung 2019)
Holocaust-Überlebende: Esther Bejarano
Esther Bejarano wurde geboren als Esther Loewy am 15. Dezember 1924 in Saarlouis und ist eine deutsch-jüdische Überlebende des KZ Auschwitz-Birkenau. Sie spielte im Mädchenorchester von Auschwitz.
Später engagierte sie sich in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BDA), dessen Ehrenvorsitzende sie ist.
Sie tritt auch heute noch aktiv im Internationalen Auschwitz-Komitee, dessen Vorsitzende sie war, und als Sängerin auf, vor allem mit der Rapgruppe Microphone Mafia aus Köln. Sie hat außerdem mehrere autobiografische Romane geschrieben.
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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