Ein neues „Gesicht“ für die Bochumer Straße

Es bedarf noch einer gewissen Vorstellungskraft, um sich die "neue" Bochumer Straße vorzustellen. Hier schauen Oberbürgermeister Frank Baranowski und Stadtbaurat Martin Harter recht skeptisch auf das Gebäude Bochumer Straße 99, allerdings eher angesichts des Mülls, der aus dem leerstehenden Haus geräumt wurde. Foto: Gerd Kaemper
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  • Es bedarf noch einer gewissen Vorstellungskraft, um sich die "neue" Bochumer Straße vorzustellen. Hier schauen Oberbürgermeister Frank Baranowski und Stadtbaurat Martin Harter recht skeptisch auf das Gebäude Bochumer Straße 99, allerdings eher angesichts des Mülls, der aus dem leerstehenden Haus geräumt wurde. Foto: Gerd Kaemper
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„Es ist mehr passiert auf der Bochumer Straße als auf den ersten Blick zu sehen ist. Denn die Entwicklung geschieht nicht von heute auf morgen, aber wir sind auf einem wirklich guten Weg“, verkündete ein stolzer Oberbürgermeis-ter Frank Baranowski bei einem Rundgang über die Bochumer Straße mit Blick auf deren Erneuerung.

Ein weiter Weg bis zum Kreativquartier

Inzwischen ist tatsächlich an einigen Stellen bereits sichtbar, dass sich etwas tut. Doch es gibt noch viel zu tun auf dem Weg zum Kreativquartier.
„Die Idee zum Umgestaltung der Bochumer Straße geht auf Michael von der Mühlen zurück. Als er mich damals darauf ansprach, dachte ich mir, dass ist ein dickes Brett, an dem man auch schnell scheitern kann. Inzwischen bin ich mir aber sicher, dass es die richtige Entscheidung war, die Umgestaltung anzugehen“, schilderte Frank Baranowski.
Für die Umsetzung der Maßnahmen ist die Stadterneuerungsgesellschaft Gelsenkirchen (SEG) zuständig und der Oberbürgermeister dankte der Geschäftsführerin Helga Sander, die mit ihrem Team bereits vieles in Gang und einiges umgesetzt hat.
„Wir sind froh darüber, dass wir mit unserem Büro hier an der Bergmannstraße 5 und damit direkt im Mittelpunkt des Geschehens angesiedelt sind“, erklärte Helga Sander, die von ihrem Räumlichkeiten beobachten kann wie das Gebäude Bochumer Straße 99, eines „ihrer Häuser“ geräumt wird. Und auch die Bergmannstraße 5, die ehemals ein Problemhaus im Quartier darstellte, ist inzwischen grundsaniert mit Hilfe von Wohnungsbaufördermitteln und dient als Beispiel für das neue Gesicht der Bochumer Straße.

Tolle Architektur:Bochumer Straße 99

Das derzeit in Arbeit befindliche „Bügeleisen“-Haus Bochumer Straße 99 ist wird von Sander als städtebaulich herausragend gewertet, befindet sich aber in einem unbewohnbaren Zustand. „Der Besitzer weigerte sich absolut an die Stadt zu verkaufen. Dass die SEG eine Stadtgesellschaft ist, war ihm wohl nicht sofort präsent und so konnte uns der Ankauf gelingen. Inzwischen sind die letzten sechs Wohnungen sozialverträglich freigezogen und die Räumung ist im Gange“, berichtet Helga Sander und ein Blick aus dem Fenster reicht zur Bestätigung.
Das Ziel ist hier einen Beherbergungsbetrieb in Form eines Boarding-Hauses zu errichten. Hier könnten Mitarbeiter der im Wissenschaftspark angesiedelten Unternehmen oder aber auch Studenten ein „Zuhause auf Zeit“ finden, wofür ein Boardinghaus steht.

Neunutzung an derBochumer Straße 94 & 96

Sichtbar wird die Umgestaltung der Bochumer Straße an den Häusern 94 und 96. Die Immobilien wurden 2014 von der SEG erworben und hier befinden sich nun in zwei ebenerdigen Ladenlokalen der Ückendorfer Jugendtreff „Ücky“ und eine stationäre Einrichtung der Mobilen Kita MoKi, die ansonsten mobil in der Stadt unterwegs ist.
Die MoKi bietet hier ein niederschwelliges Angebot für alle Eltern mit ihren Kindern, die noch nicht in einer Regeleinrichtung sind. Es ist keine Anmeldung erforderlich und jedes Kind ist willkommen. Dieses Angebot wird als Vorbereitung auf eine Regelkita gern angenommen von den Eltern unterschiedlichster Nationalitäten.
Im hinteren Bereich der Bochumer Straße 94 entdeckte die Architektin Monika Güldenberg, die für die SEG tätig ist, eine Halle, die sich für Sportangebote eignet, weil sie die passende Größe wie auch Höhe vorweist.
„Die Nutzung der Räume wird natürlich immer in enger Absprache mit dem Bauordnungsamt und auch dem Umweltamt geplant. Aber das hier könnte eine echte Halle für das Quartier werden, in der die Kinder Bewegungsangebote erhalten, aber auch die Erwachsenen Sportkurse wie Pilates oder Selbstverteidigung für Frauen und vieles andere wahrnehmen könnten“, schildert Güldenberg. Darum soll auch noch ein eigener Zugang zu der Halle ermöglicht werden, die derzeit nur über die MoKi erreichbar ist.

Ninety6 oder Junges Wohnen im Quartier

In den oberen Etagen des Hauses ist bereits das Projekt „Ninety6“ in vollem Gange. Dahinter verbirgt sich Junges Wohnen für Studenten oder Auszubildende und die Wohnungen werden als Wohngemeinschaften für zwei bis maximal drei Bewohner hergerichtet und mit einer Küche ausgestattet.
„Wir haben im Dezember ein Hof-Opening veranstaltet, um dieses Angebot für junge Leute zu bewerben und kurz darauf gingen auch schon die Mietanfragen bei uns ein“, erzählt Helga Sander. Bei dem Opening wurde eine Wand mit einem Ninety6-Graffiti von den jungen Kreativen geschmückt und der Ziegenmichel stellt das passende solide Holzmobilar und die Begrünung zur Verfügung für den Gemeinschaftshof.
Inzwischen haben die Bewohner auch Hand angelegt und den Flur gestaltet und zwar mit einem spannenden Projekt, bei dem die hier wohnende Künstlerin Glora Ferraro zur Musik des Saxophonisten Jakob Jentgens die Wände kreierte.
„Wir haben eine Kommunikation ohne Sprache betrieben, indem ich mich von der Musik habe leiten und inspirieren lassen. Mal waren wir gleichzeitig mal zeitversetzt in Aktion“, schildert die Malerin.
Seit einem Monat hier zu Hause ist auch Ole-Kristian Heyer, der an der Folkwang Universität der Künste Fotografie studiert. Er war zuvor Teilnehmer der Künstlerresidenz Halfmannshof und erfuhr dort von Ninety6. „Ich bin jetzt seit einem Monat hier zu Hause und fühle mich sehr wohl. Die großen und hohen Fenster haben mich sofort begeistert und dank der Doppel- und Dreifachverglasung ist es selbst in den Räumen zur Bochumer Straße hin ruhig. Das Netzwerken hier gefällt mir sehr gut, weil es genreübergreifend ist und bereichert“, schildert der Student.

Das Studienprojekt: Haus Reichstein

Weiter ging die Führung zum „Haus Reichstein“ an der Bochumer Straße 114. „Hier handelt es sich um ein Studienobjekt“, erklärt Monika Güldenberg. Angesichts des Zustandes der 2014 erworbenen Immobilie wurde über einen Abriss nachgedacht. Doch dann entschied sich die SEG für die Nutzung als „Schaustelle“, die sich als Modellhaus für die Sanierung eines Gründerzeitgebäudes eignet.
„Das Haus steht unter Denkmalschutz, weshalb es sich als Modell noch besser eignet. Inzwischen ist viel alte Bausubstanz entkernt und wir sehen, welche Holzschutzmaßnahmen und mehr erforderlich sind. Im Rahmen der altbaugerechten Sanierung nach modernen Maßstäben erhält jede Etage einen Schauraum, in dem sich Interessierte ansehen können, wie das Gebäude sich kernsaniert dargestellt hat und welche Maßnahmen ergriffen wurden. Wir gehen von einem Zeitrahmen von zehn Jahren aus bis zur Fertigstellung“, berichtete Monika Güldenberg.

Kleiner Kiez: BochumerStraße 134 bis 142

An der Bochumer Straße 134 bis 142 erhält das Quartier einen „kleinen Kiez“ oder besser eine Kultur- und Gastronomiemeile. Der gemeinsame Hinterhof soll als Biergarten und weiterer Außengastronomie genutzt werden. Außerdem ist hier der Bau eines Tonstudios geplant.
Im vorderen Bereich sollen die Lokale beheimatet und durch gastronomische Start-ups genutzt werden. Daneben ist die Wiederherstellung des ehemaligen Theaters als Veranstaltungsraum für Theater, Kino, Tanz sowie Raum für private Feiern geplant. „Da es schon erste Interessenten für die Gastronomien gibt, hoffen wir, dass schon im Sommer die erste Saison im Kleinen Kiez eröffnet werden kann“, wünscht sich Helga Sander.

Ein erstes Resümee:Begeisterte junge Leute

Überhaupt ist Helga Sander, die mit der SEG inzwischen über 25 Immobilien an der Bochumer Straße verfügt und auf weitere hofft, begeistert davon, wie gut das langsam entstehende Kreativquartier bereits von den jungen Leuten angenommen wird. Dabei steht auch die Werkstudentin Mila Est hilfreich zur Seite, die einen guten Draht zu den jungen Leuten unterhält.
Monika Güldenberg glaubt, dass „der Labor-Charakter und die Möglichkeit des Mitwirkens und Mitgestaltens den jungen Leuten einen Anreiz bieten.“
Zum Konzept gehört es aber auch, den jungen Leuten die Niederlassung leicht zu machen. So werden die Gastronomie-Start-ups nicht vermietet, sondern gegen Zahlung der Nebenkosten zur Verfügung gestellt. Ihnen zur Seite gestellt wird außerdem ein Berater aus dem Gastronomiebereich und so sieht man von der SEG der Entwicklung positiv entgegen.

Das beste kommt zumSchluss: Heilig Kreuz

Stadtbaurat Martin Harter setzt dem dann noch das Krönchen auf, denn mit der Nutzung der Heilig Kreuz-Kirche als Kulturstätte „kommt etwa 2019 oder 2020 noch das i-Tüpfelchen dazu.“ Harter glaubt, „wenn die Erfolge der Umgestaltung spürbar und sichtbar werden, dann wird es mit der Akzeptanz sehr schnell gehen.“
Das bestätigt Monika Güldenberg, die immer wieder feststellt: „Die Gelsenkirchener zu überzeugen ist schwierig. Die Leute von auswärts lassen sich eher und schneller beeindrucken und begeistern.“

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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