Ein Appell, der keiner mehr ist!
In der gestrigen Sitzung des Ausschusses für Soziales und Arbeit stand unter anderem der "Gelsenkirchener Appell" auf der Tagesordnung (die WAZ berichtete).
DIE LINKE wurde bereits im Vorfeld nicht einmal als Bestandteil des Unterstützerkreises erwähnt.
Davon abgesehen ist der sogenannte "Gelsenkirchener Appell" nur noch ein Schatten seiner selbst. Außerdem ist auffällig, wie SPD und CDU versuchen, die größten Niederlagen noch als Erfolg zu verkaufen. Das Wort "Mogelpackung" ist noch ein geschöntes Wort für das, was den Bürger*innen da vorgegaukelt wird.
Doch DIE LINKE in Gelsenkirchen ist nicht umsonst im Sozialausschuss vertreten. Daher hier die Äußerungen unserer sozialpolitischen Sprecherin Bettina Peipe zum Nachlesen.
Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,
der Gelsenkirchener Appell in seiner jetzigen Fassung hat leider immer weniger mit dem zu tun, was ursprünglich intendiert war.
Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass kritische Stimmen wie DIE LINKE mit Rücksicht auf bestimmte Parteien gar nicht erst eingeladen wurden.
Schon bei Abfassung des ersten Gelsenkirchener Appells wurde eine windelweiche Begründung dafür geliefert, warum DIE LINKE nicht als Unterstützer unter dem Appell stand. Die üblichen Spielchen, wie man sie auch von Resolutionen des Rates kennt, um DIE LINKE auszugrenzen.
Bei den Betroffenen des derzeitigen Systems kommt so etwas wahrhaftig nicht gut an. Genau die Parteien, die mit ihrer völlig verfehlten Arbeitsmarktpolitik dafür gesorgt haben, dass die Schlangen bei den Jobcentern und den Tafeln länger wurden und weiterhin werden, stellen sich nun hinter den Gelsenkirchener Appell und grenzen die einzige Partei aus, die an der Etablierung dieser Verhältnisse nicht beteiligt war und die frühzeitig vor den neoliberalen Irrlehren gewarnt hat. Genau die Parteien, die den Lockungen der neoliberalen Schwätzer und Berater aufgesessen sind und die ständig damit hausieren gingen, dass der Markt schon alles regelt. Wie sehr das nach hinten losgegangen ist können wir jetzt in Gelsenkirchen beobachten. Deswegen brauchen wir überhaupt solche „Appelle“. Es fiel in Gesprächen mit Arbeitslosen die sarkastische Bemerkung von den Brandstiftern, die jetzt die Feuerwehr spielen. Das sollte allen Unterzeichnern zu denken geben.
Ich finde auch sehr bemerkenswert, dass hier die Kirchen ein solches Ausgrenzungsspielchen mittragen, denn eines muss man hier wohl festhalten, auch die Kirchen sind an der Etablierung unsäglicher Arbeitsverhältnisse und der Umstrukturierung der Gesellschaft hin zu einer solch unsolidarischen Gemeinschaft, die mehr und mehr Arbeitslose produziert, mit beteiligt.
Ich kann mich noch sehr gut an den katholischen Pater erinnern, der sich für die Zwecke der Initiative neue soziale Marktwirtschaft instrumentalisieren ließ. Auch die katholischen Bischöfe kämen hier bei einer Rückschau nicht wirklich gut weg und - so finde ich - bei solchen Ausgrenzungsspielchen sollten die Kirchen vielleicht ein wenig mehr Demut in der Rückschau auf die eigene traurige Rolle und ein wenig mehr Rückgrat bei der notwendigen Diskussion mit Kritikern haben, anstatt falsche Rücksichten auf marktradikale Parteien zu nehmen. Zumal es ja immer gelingt, sehr breitenwirksam zu Barbara-Mahlen einzuladen - da müsste es dann mit Kritikern doch auch gelingen.
Und so muss man sagen, dass die Neufassung des Appells mehr weiße Salbe darstellt, als dass sie die wirklichen Probleme anspricht und eine grundlegendere Veränderung der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik einfordert.
Und so strotzt denn auch der Appell immer noch vor der üblichen neoliberalen Terminologie. Der Duktus - wie unsere herzallerliebste Kanzlerin sagen würde - bewegt sich auf bekannten Pfaden und Denkmodellen, anstatt endlich daraus auszubrechen. Was zwingend notwendig wäre, weil die Folgen der bisherigen Politik immer desaströser werden. Stattdessen begnügt man sich mit der Forderung, jetzt endlich zumindest für 1000 Menschen - natürlich nur in Abhängigkeit von den Förderbedingungen des Bundes und des Landes - sozial ausgerichtete Arbeitsplätze zu schaffen. Angesichts von zehntausenden Betroffenen ein Tropfen auf den heißen Stein, sintemal wohl nur ein paar hundert herauskommen werden, wenn alles gut läuft.
Wenn man sich anschaut, was im heutigen System alles unter Vermittlungshemmnis läuft. Da wird es einem blümerant. Alleinstehende Frauen, die Kinder betreuen müssen, haben nach dieser Logik ein Vermittlungshemmnis. In Hochglanzbroschüren heißt es dagegen doch immer, dass Kinder unsere Zukunft sind, war das nicht so? Menschen, die chronisch krank oder schwerbeschädigt sind haben sich das sicher nicht ausgesucht, um die Gesellschaft zu schädigen. Man verlangt auch immer „wertschaffende Beiträge für die Stadtgesellschaft“. Das ist auch eine Form von Verwertungslogik, die nicht unserem Menschenbild entspricht. Das erinnert schwer an die Flüchtlinge, die man danach einteilt, ob sie für unseren Arbeitsmarkt brauchbar sind oder eben nicht. Auch der Rückgriff auf Begriffe wie „aktivierende und qualifizierende Effekte“ scheint ein Griff in die Mottenkiste neoliberaler Arbeitsmarktstrategien zu sein - die seit Jahren nicht funktionieren - statt eine Neuausrichtung des Gesamtsystems zu fordern, die überfällig ist. Zumal man hier erwähnen muss, dass die Mittel für Qualifizierungen in den letzten Jahren eher gekürzt wurden.
Der Hauptfokus liegt immer noch auf dem Arbeitslosen und seinen „Defiziten“, wobei zumindest die fortschrittlichen Kräfte hier im Rat sich doch wohl darüber klar sein müssten, dass hier ein strukturelles Problem vorliegt. Zumindest das erwähnt der Appell, das will ich zu seiner Ehrenrettung sagen. Auch die Forderung nach einer Förderung bis zum Eintritt in das Rentenalter - bei Bedarf - ist durchaus positiv zu bewerten. Nur ist dies angesichts der neuen neoliberal ausgerichteten Regierung in NRW wohl mehr ein frommer Wunsch. Auch im Bund zeichnet sich mit der GroKo wohl eher eine fortgesetzte bleierne Zeit ab, keine grundlegende Änderung.
Was es also bräuchte, wäre ein Weckruf mit klaren Forderungen. Tarifflucht müsste beendet werden, Unionbusting müsste unmöglich gemacht werden und entsprechende Strafbefehle ergehen, Befristungen und Leiharbeit gehören auf den Müll, Betriebe, die Gewinne einfahren, sollten nicht einfach Belegschaften entlassen können und diese Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Das wären Forderungen, die wir erwarten würden, aber die kommen nicht.
Somit bleibt nur die Hoffnung, dass die Gewerkschaften hier ein Auge auf die Umsetzung des Appells haben werden, die Hoffnung, dass das Ganze nicht nur zum Kombi-Lohnmodell verkommt, dass ein paar Menschen in Arbeit gebracht werden können und die Hoffnung, dass der öffentliche Druck auf Land und Bund erhalten bleibt und sich hoffentlich noch verstärkt, damit die Armut in dieser Stadt nicht noch weiter anwächst.
DIE LINKE wird sich bei der nachfolgenden Abstimmung enthalten. Denn wir stehen für die Forderung nach einem wirklichen, flächendeckenden sozialen Arbeitsmarkt, der den Namen verdient, nicht für einen vermeintlichen sozialen Arbeitsmarkt, der sich immer noch im Rahmen gescheiterter neoliberaler Arbeitsmarktstrategien bewegt, das führt nicht aus der Sackgasse heraus, sondern zementiert den Status quo, nur jetzt mit einem sozialen Mäntelchen. Für viele Menschen, die betroffen sind, ist das nur noch eine Alibiveranstaltung, um über die wirklichen Probleme nicht sprechen zu müssen. Daran werden wir uns nicht beteiligen. Danke!
Autor:Brunhilde Michaelis aus Gelsenkirchen |
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