Direktkandidaten Barbara Oehmichen und Jürgen Prekel (Bündnis `90/Die Grünen) zum BGE

Während ich in meinem Garten buddle, trifft die Antwort der Grünen ein. Na, das passt doch. Einen herzlichen Dank geht an beide Kandidaten! Ich war ja schon ein wenig ungeduldig, aber muss auch eingestehen, dass ich keine Deadline für die Antworten genannt habe. Ich hätte aber auch nicht gedacht, von allen (bis auf Herrn Wartemeier – SPD – bisher) eine Antwort zu erhalten. Eine Analyse und Zusammenfassung werde ich nach der Wahl auf die Beine stellen.

„Wir hoffen, dass es für Sie okay ist, wenn wir unsere Antworten in einer Email zusammen verschicken.“

Ich bin zwar froh, eine so umfangreiche Antwort zu erhalten. Aber eigentlich war der Sinn meiner Anfrage, wirklich auch die Personen kennen zu lernen. Da ich das Bündnis Grundeinkommen mittlerweile gewählt habe, ist mir der jeweilige Parteiinhalt erst mal nicht so sehr wichtig. Programme sind geduldig. Was ich kennen lernen wollte, sind die Charakteren hinter den Programmen. Die Personen. Wie unterschiedlich diese sein können, habe ich bei der FDP erkennen können.

Nach den Antworten werde ich wieder Bezug nehmen.

Hier die Antworten:

"[1. Wie stehen Sie grundsätzlich zum Bedingungslosen Grundeinkommen?]

Wie Sie sicher mitbekommen haben, gibt es bei den GRÜNEN ein Netzwerk für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens und auch immer wieder entsprechende Anträge zu Parteibeschlüssen oder Wahlprogrammen, die bisher in der Regel leider knapp gescheitert sind. Die nächste Abstimmung dazu wird es bei der Beschlussfassung zum Bundestagswahlprogramm geben und wir hoffen - um damit auch auf Frage 1 einzugehen - dann auf ein anderes Ergebnis als bisher.

Für uns gibt es dabei zwei Gründe: Denn eines erleben wir in Gelsenkirchen täglich. Es gibt nicht genug Arbeit und dadurch entsteht Langzeitarbeitslosigkeit. Und nicht nur diese, sondern auch oft das Gefühl nicht mehr Teil dieser Gesellschaft zu sein, die auf Geld und Einkommen fixiert ist, anstatt auf der Leistung, die ein Mensch bringen könnte. Also zum einen schafft man für diese Menschen eine menschenwürdige Existenzsicherung und zum anderen schafft ein solches Einkommen auch die Freiheit sich in unbezahlten Tätigkeiten zu engagieren und die Gesellschaft zu stärken oder generell vielleicht Freiräume für sein Leben abseits der Erwerbsarbeit zu finden – sofern man dies möchte.
Ich glaube, damit sind wir auch schon auf unsere Antwort zur fünften Frage eingegangen, die man aber auch zusammengefasst mit folgendem Sprichwort beantworten kann: Man nicht lebt um zu arbeiten, sondern arbeitet um zu leben. Und das meinen wir nicht existenziell oder finanziell, sondern in Form einer Selbsterfüllung und eines guten Lebens.

Frage 2 [Hätte das Bündnis Grundeinkommen in Ihnen einen Partner, die erforderlichen Modalitäten erarbeiten zu können?]:

Also um ehrlich zu sein ist die Frage sehr schwer zu beantworten, da sie zwei Bedingungen enthält, die uns noch etwas fern erscheinen: Sowohl das Bündnis, aber auch jemand von uns Beiden müsste auf Landesebene in der Position sein, um dies wirklich voran zu bringen. Dann kommen noch andere Fragen dazu, wie ggf. Koalitionsbeteiligungen. Generell ist dies aufgrund meiner Ansichten aber natürlich vorstellbar.

Frage 3 [Glauben Sie, dass die herkömmliche Arbeitswelt mit ebenso herkömmlichen volkswirtschaftlichen Instrumenten eine Perspektive erlangen kann?]:

Es ist uns etwas unklar, worauf sie hinauswollen. Was man definitiv festhalten kann, ist, dass es eine enorme Dynamik in der Arbeitswelt gibt. Technologien entwickeln sich weiter, Arbeitsplätze werden digitalisiert oder ausgelagert und von daher ist eine „herkömmliche“ Antwort auf Dauer sicherlich nicht richtig und muss sich anpassen.

Frage 4 [Welche Lösungsansätze haben Sie, um das Thema „Arbeit im 21. Jahrhundert“ so zu gestalten, dass auch die Armut eingedämmt, bestenfalls besiegt werden kann?]:

Also wenn wir das Grundeinkommen und die Frage, ob Armutsbekämpfung nicht eher eine Frage von Verteilungsgerechtigkeit ist, mal beiseitelassen, ist Bildung sicherlich ein wesentlicher Schlüssel, um die wirtschaftliche Situation zu stabilisieren. Gute Schulbildung, ein organisierter Übergang von Schule und Beruf, fundierte Ausbildung und Studium sind wichtige Bausteine dafür. Aber auch Arbeitsplatzsicherheit. Wir haben im Ruhrgebiet die Erfahrung gemacht, was passiert, wenn man zulange an bestimmten Technologien festhält. Unsere Befürchtung ist, dass wir dies beispielsweise beim Automobilmarkt in Deutschland auch gerade tun – was in NRW aufgrund von Zulieferbetrieben auch seine Auswirkungen hätte. Wenn die Deutsche Post als Großabnehmer schon eigene LKW herstellt, merkt man, dass irgendwas am Angebot an modernen Nutzfahrzeugen nicht stimmt.

Aber ansonsten gilt sicherlich: Armutsbekämpfung ist immer eine Frage der Sozialpolitik. Das Grundeinkommen kann dafür ein Ziel sein, aber der Weg dahin ist steinig. Es ist schon schwierig eine Umwandlung der Finanzierung eines sozialen Arbeitsmarkts hinzubekommen, solange die Bundesregierung lieber Arbeitslosigkeit anstatt Arbeit finanziert.

Von daher sind es momentan kleine Schritte, die unserer Ansicht nach weiterführen müssen: Fehler bei Hartz IV müssen beendet werden und dies in eine unbürokratische und armutsfeste Grundsicherung überführt werden, die ohne Stigmatisierung und Sanktionen auskommt.
Ansonsten Danke für Ihre Fragen, dessen Beantwortung leider etwas länger dauerte. Nichtsdestotrotz stehen wir auch gerne für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Barbara Oehmichen und Jürgen Prekel"

Mein Bezug:

Klasse, ein klares Bekenntnis zum Bedingungslosen Grundeinkommen! Nun kenne ich unsere Gelsenkirchener Grünen ja auch schon eine Weile und beinahe hätten wir eine entsprechende Veranstaltung zusammen gemacht. Aber leider verlief das im Sande. Ist lange her. Während bei den LINKEN darüber nur diskutiert wird, schaffen die Grünen immer wieder einen Status, wie auch oben beschrieben.

Ja, ich höre die Stimmen „DIE Grünen, und „DIE SIND NEOLIBERAL“. Mag ja sein. Aber es gibt nicht DIE Grünen und es gibt auch nicht DEN DIREKTKANDIDATEN. Ich versuche mit dieser Umfrage zu differenzieren, Schnittstellen zu erarbeiten, zu erkennen und Brücken zu schlagen.

"Also um ehrlich zu sein ist die Frage sehr schwer zu beantworten, da sie zwei Bedingungen enthält, die uns noch etwas fern erscheinen"

Frage zwei kann man mit dem eigentlichen Willen erklären. Ich hoffe zwar sehr, dass das Bündnis Grundeinkommen in den Landtag gewählt wird, aber bin zu sehr Realist zu ahnen, dass sich die Idee noch nicht so umfangreich in NRW herumgesprochen hat. Die Idee vielleicht, aber nicht die Kenntnis darüber, dass das BGE wählbar ist. In Anbetracht der derzeitigen Umfragewerte bei den Grünen, ist die Kooperation wirklich schwer vorstellbar.

Aber wir gehen ganz inhaltlich auf eine Zusammenarbeit ein. Wenngleich das BGE jetzt nicht in die Parlamente kommt, weil eben auch die mediale Reichweite noch nicht ausreicht, sind die Schnittstellen wichtig. Vielleicht können wir gar für die Bundestagswahl mal eine Schnittstelle öffentlich diskutieren oder kommunizieren.

"Es ist uns etwas unklar, worauf sie hinauswollen."

Meine Frage auf die herkömmlichen volkswirtschaftlichen Instrumente geht dahin, wie z. B. mit der Ressource menschlicher Arbeit umgegangen wird. Ein Arbeitsmarkt ist ein Markt, in dem ein Angebot in Bezug zur Nachfrage steht. Dieser Markt wird derzeit von der SPD in einen „Sozialen Arbeitsmarkt“ umgedeutet. Aber ein Markt, der auf Gewinne mit Gütern und Dienstleistungen ausgerichtet ist, kann einen sozialen Arbeitsmarkt nicht halten.

Durch Steuermittel werden Menschen in eine, na man kann es fast erfundene Arbeit nennen, gedrängt. Hier werden Steuergelder einfach sinnlos eingesetzt, welche nicht unbedingt einer Nachfrage folgen. Auch hier muss volkswirtschaftlich gedacht werden. Ansonsten fließen Steuergelder zur Selbstbespaßung in Kanäle, die keinem volkswirtschaftlichen Kreislauf dienen.

Da hilft eher ein BGE, aber da sind wir uns ja einig. Die üblichen Steuerinstrumente der Volkswirtschaft sind derzeit nicht mehr ohne Weiteres einsetzbar, wenn der Kapitalismus weiter mit blinden Hüllen an den Börsen spekuliert. Gelder fließen ohne reale Werte die dahinterstecken. Die menschliche Arbeit findet sich an der Börse nicht mehr wieder. Das Thema ist wirklich sehr weitreichend, dass ich gerade dazu neige, mich zu verzetteln. Das wäre eine Diskussion für sich. Aber vielleicht wird hier etwas deutlicher, wie ich meine Frage meinte.

„Also wenn wir das Grundeinkommen und die Frage, ob Armutsbekämpfung nicht eher eine Frage von Verteilungsgerechtigkeit ist, mal beiseitelassen, ist Bildung sicherlich ein wesentlicher Schlüssel, um die wirtschaftliche Situation zu stabilisieren.“

Im Thema Bildung sind sich alle Parteien einig. Was mir jedoch grundsätzlich fehlt, sind die Blicke in unser Bildungssystem. Dies ist durch PISA und dem langen Arm der Wirtschaft, durch die INSM (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft), Bertelsmann und Co. sehr stark verroht. Leistung, Leistung, Leistung, nur nicht hinter anderen Bundesländern zurückliegen, Wettbewerb. Und bloß kein gesellschaftswissenschaftliches Studium anstreben.

Es wird doch kaum auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen eingegangen. Es geht doch auch gar nicht mehr darum, zu bilden. Es geht nur noch darum, einen Wettbewerb auszuüben. Aber Menschen müssen nicht stets im Wettbewerb stehen. Sie können sich auch einfach mal entwickeln und das mit Wissen. Bildung wird von außen aufgestülpt. Jemand bestimmt, was (aus)gebildet wird. Aber was wollen die SchülerInnen wirklich wissen? Wer fragt danach?

Auch hier sind wir wieder bei einem Thema, das noch viel tiefer diskutiert werden muss.

Aus diesem Grunde danke ich noch mal ganz besonders Frau Oehmichen und Herrn Prekel. Denn hier wird gezeigt, weshalb ich meine Anfrage gestartet habe. Die Ein-Themen-Partei „Bündnis Grundeinkommen“ nimmt auf so viele Bereiche Bezug, das haben beide Kandidaten der CDU leider überhaupt nicht verstanden.

Ein persönliches Gespräch würde mich sicherlich sehr interessieren.

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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