Diffamiert Herr Gabriel ALG-II-Empfänger? Auflösung
Wenn ich eine öffentliche Frage stelle, ist es natürlich auch wichtig, die Antworten zu veröffentlichen. In der letzten Woche stellte ich Herrn Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die Frage, ob es stimmt, was mittlerweile mehrere Quellen mitteilten. Hat er Hartz IV-Empfänger wirklich diffamiert?
Seine Antwort kam erstaunlicherweise recht prompt, zog mir jedoch beinahe die Schuhe aus. Um halbwegs freundlich bleiben zu können, benötigte ich einige Tage zum Durchatmen. Ich habe ihm soeben auf der Internetseite abgeordnetenwatch noch mal geschrieben. Seine Antwort und meine neue Frage möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:
Antwort von Herrn Gabriel:
"Sehr geehrte Frau Stoffers,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich gern beantworten möchte.
Um es vorweg zu sagen: Mit meiner Aussage wollte ich in keinster Weise Menschen abwerten, die auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sind!
Eine wesentliche Errungenschaft der Arbeiterbewegung, in deren Tradition die SPD sich sieht, ist der Sozialstaat, der in Artikel 20 des Grundgesetzes verankert ist. Dieser ist für ein menschenwürdiges Leben aller unabdingbar. In mehreren Urteilen hat das Bundesverfassungsgericht herausgearbeitet, dass ein Merkmal des Sozialstaates die Gewährung eines existenzsichernden Minimums ist, das die Leistungen nach dem SGB II ja darstellen. Somit sind diese Zuwendungen nicht Weise überflüssig, sondern hinsichtlich der Menschenwürde unentbehrlich. Ich bin froh, dass die Bundesrepublik Deutschland ein so hoch entwickelter Sozialstaat ist.
Bei meinem Vergleich zwischen der finanziellen Förderung alter Anlagen als Leistungsreserven und der Leistungsgewährung nach dem SGB II wollte ich deutlich machen, dass es sich jeweils um Zahlungen ohne Gegenleistung handelt. Während aber bei der Gewährung eines existenzsichernden Minimums nicht eine Gegenleistung, sondern die Menschenwürde maßgebend ist – und damit Leistungen nach dem SGB II absolut gerechtfertigt sind – müssen bei der Energieversorgung staatliche Zuwendungen sehr wohl auf einer Gegenleistung beruhen.
Mir ist bewusst, dass dieser Vergleich durchaus zu Missverständnissen führen kann, sodass ich zukünftig bei meiner Wortwahl vorsichtiger sein werde.
Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel"
Meine neue Frage befasst sich nun damit, was Herr Gabriel sich denn so überlegen könnte, wie Arbeit im 21. Jahrhundert gestaltet werden kann. Denn die Wirtschaft alleine bringt nicht mehr jeden ihn Lohn und Brot. Dies ist übrigens auch ein Thema, was wir von Stellen anzeigen am kommenden Donnerstag (7.8.) besprechen werden.
Hier meine Frage an Sigmar Gabriel:
"Sehr geehrter Herr Gabriel,
ich beziehe mich auf Ihre Antwort vom 31.7.2014. Freundlicherweise erwähnen Sie den Artikel 20 des Grundgesetzes. Dies ist einer meiner Lieblingsartikel, besonders seit der Umsetzung der Agenda 2010. Denn weiter heißt es dort: „(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“
Die neoliberale Politik der SPD hat nach und nach den Sozialstaat abgebaut. Sie standen immer für den Mindestlohn, sagten Sie. Mit einer rot-rot-grünen Koalition hätten Sie ihn so durchsetzen können, dass niemand davon ausgeschlossen wird. Hartz IV ist ein absolutes Beispiel für eine unsoziale Politik in diesem Land. Die SPD hat somit dazu beigetragen, dass Arbeitnehmerstandards abgebaut werden und den Weg geebnet für Lohndumping und instabile Arbeitsverträge. Darüber hinaus haben ALG II-Empfänger keine Möglichkeit, Sanktionen auf Verfassungswidrigkeit prüfen zu lassen. Denn auch hier wurden Rechte abgebaut und ich rede nicht nur von der Prozesskostenhilfe. Es ist sehr erstaunlich, wie Ihre Antwort an der Lebenswirklichkeit der ALG II-Bezieher vorbei geht und leider reichen 2000 Zeichen nicht aus, um es ihnen deutlich zu machen.
Aber dass gerade Sie von Menschenwürde reden, welche die Politik Ihrer Partei mit Füßen tritt, ist schon ein Faustschlag ins Gesicht eines jeden Menschen, der in Abhängigkeit des SGB lebt.
Es stehen gerade mal, je nach Region 3-10% offene Stellen den Arbeitssuchenden zur Verfügung. Da muss doch auch Ihnen klar werden, dass alleine die Wirtschaft nichts mehr bieten kann, um Menschen in Arbeit zu bringen. Wir müssen das Thema Arbeit neu definieren. Wären Sie bereit dafür, das Thema Arbeit dem 21. Jahrhundert anzupassen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die keinen Druck ausüben, sondern fördern und motivieren?
Mit freundlichen Grüßen
Sandra Stoffers
i. A. Stellen anzeigen
Autor:Sandra Stoffers aus Recklinghausen |
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