Der Rassismus ist mitten unter uns

….das musste ich heute leider wieder erleben. Ich betrat einen Laden und verfolgte ein Gespräch. Dort ging es um eine Broschüre der Stadt Gelsenkirchen und über die Vermüllung durch Rumänen und Bulgaren. Ich konnte mir jetzt nicht erklären, dass unsere Stadt rassistische Ansätze hat und fragte nach. Tatsächlich erinnerte ich mich an die Broschüre, die vor einigen Wochen auch in meinem Hausflur lag. Ein wenig stößt mir schon der Tenor auf, dass sich das Verhalten von Vermüllung nur auf einen bestimmten Kulturkreis bezieht. Dennoch sehe ich diese Broschüre eher als (verzweifelten) Versuch der Stadt, dem aufkeimenden Rassismus etwas entgegenzusetzen. Aber was will man von einer Gesellschaft erwarten, die nicht mehr über die Lokalpresse aber auch erweiterten Medien Aufklärung erlangt? Da kann auch eine Broschüre nichts bewirken. Die Menschen sehen, was sie sehen wollen.

So hörte ich nur, dass sich eine weibliche Person richtig aufbäumte und mit voller Inbrunst verlauten ließ, dass DIE Rumänen und DIE Bulgaren ALLES vermüllen und man kann sich ja gar nicht mehr aus dem Hause trauen. Und überhaupt die ganzen Einbrüche. Das sind ja ALLES DIE!

Ich versuchte wenigstens ein wenig Differenzierung in die Verallgemeinerung hineinzubekommen. Es sei bestimmt einiges im Argen, aber das wäre nicht nur bei Rumänen und Bulgaren so. Ferner versuchte ich zu verstehen zu geben, dass unsere Probleme doch viel tiefer gehen. Wer schafft denn hier Arbeitslosigkeit und zahlt keine anständigen Löhne mehr? Wer sind denn die wahren Sozialschmarotzer, welche Arbeitgeberförderungen einkassieren und dann die Menschen nach Ablauf der Frist wieder auf die Straße setzen. Wo kommt es denn wohl her, dass wir uns gerne über andere erheben, denen es noch schlechter geht, als uns und tun so, als wären sie an allem Schuld. Wenn die Menschen in einem Land keine gesicherte Existenz haben, sehen sie nur, dass andere ihnen was wegnehmen wollen. Wer aber den größten Teil des Kuchens bekommt und woher unsere wirkliche soziale Schieflage kommt, das wollen Personen mit so einer aggressiven Haltung nicht wissen.

Es hat nämlich einen Grund, wieso ein Mensch seine Heimat verlässt und nicht nur das, seine Familie, Freunde, Netzwerk, Kultur. In einem Land, in dem nur 150 Euro Mindestlohn im Monat gezahlt wird, die Deutsche Wirtschaft sich immer mehr ausbreitet, um mit Billiglohn produzieren zu lassen, werden Menschen auch durch diese Wirtschaft weiter in die Armut getrieben. Aber bei der Korruption im Öffentlichen Dienst und der Politik in den Ländern räumt unsere Politik nicht auf. Nein, sie lassen sich mit dem Germany Trade and Invest (GTAI) nieder und dann schimpfen solche Personen heraus, dass man diese Menschen hier nicht will?! Die Deutsche Politik und Wirtschaft, was ja auch kaum noch zu trennen ist, macht sich in diesen Ländern breit. Sie sorgt nicht für eine Lebensgrundlage der Menschen vor Ort, sondern nutzen diese durch die niedrigen Löhne noch aus.

Es muss Aufklärung her, das hat die Stadt (bedingt gut) versucht. Es ist schwer, aber wir brauchen die Auseinandersetzung und das Aufeinander zugehen, als dieses „Ich bin die Leitkultur und Du der Ausländer“. Diese Verallgemeinerung ist nicht zu ertragen. Es sind nicht immer DIE und ALLE. Es gibt auch genug Deutsche, die ihren Müll einfach auf die Straße werfen oder Autos abgemeldet stehen lassen. Das sind Bilder, welche den sozialen Rahmen der Stadt prägen. Wer kein Geld mehr hat, muss sich eben illegal helfen. Und dann kommt der Frust dazu „Ist mir doch egal. Sollen die anderen meinen Dreck wegmachen“. Diese Einstellung gibt es auf allen Seiten. Es bring jedoch nichts, wenn eine fast hysterische Person dann den ganzen Laden aufmischt, mit dem Hinweis, dass sie sich bald nicht mehr hinaus traut. Nun, ihrer Erzählung nach, wird ja auch Überall eingebrochen. Also ist sie zu Hause auch nicht sicher. Ich kann ihr dann nur empfehlen, nach Rumänien oder Bulgarien auszuwandern. Denn die sind ja ALLE hier.

Beim Hinausgehen sagte ich ihr noch, dass sie nicht besser sei, als die Menschen, die sie verurteilt. Mit dem Ausgrenzen und sich über andere erheben, wird sie keine Lösung finden können. Mit Hass schon gar nicht. „Dann bin ich eben so wie DIE und habe mich angepasst!“, sagte sie schnippisch und ging.

Wir dürfen uns nicht von diesem Gefühl, dass uns jemand was weg nimmt so leiten lassen, dass wir dieses scheinbare Machtlosigkeit an die weitergeben, die sich noch weniger wehren können. Wenn jemand in der Nachbarschaft die Straße vermüllt, geht doch auf die Menschen zu. Redet miteinander, bietet Hilfe an. Erklärt, wieso das nicht so sinnvoll ist. Versucht zu verstehen. Es wird nicht die Politik und auch kein anderer eine Lösung finden. Die eigene Unzufriedenheit, den Hass und Ängste kann nur jeder einzelne versuchen zu überwinden.

Ich will nicht in einer Stadt leben, in der man Rassismus erlebt. Ich möchte in einer Stadt leben, in der man aufeinander zugeht. Niemand ist gerne arm, niemand hat gerne Existenzangst und niemand ist gerne ausgegrenzt. Ob als Deutscher, Rumäne, Bulgare oder eben als Mensch.

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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