Der Bundestagswahlabend 2013 in Gelsenkirchen

Ein Sieger und auch wieder nicht Sieger: Joachim Poss gewinnt den Wahlkreis Gelsenkirchen, doch seine Partei verfehlt das Ziel, gemeinsam mit den Grünen die schwarz-gelbe Koalition abzulösen. Foto: Gerd Kaemper
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  • Ein Sieger und auch wieder nicht Sieger: Joachim Poss gewinnt den Wahlkreis Gelsenkirchen, doch seine Partei verfehlt das Ziel, gemeinsam mit den Grünen die schwarz-gelbe Koalition abzulösen. Foto: Gerd Kaemper
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Die Bundestagswahl 2013 hat bundesweit, aber auch in Gelsenkirchen vor allem einen Verlierer: Die FDP. Vor vier Jahren feierten die Liberalen in Buer noch die 10 plus X, es wurde getanzt und gejauchzt. Das Bild, das man in diesem Jahr in Buer vorfand war ein ganz anderes.

Doch es bleibt schwer zu sagen, wo die Gewinner und die Verlierer sind. Gute Ergebnisse stehen nicht in allen Fällen für gute Auswirkungen.

So fährt der SPD-Bundestagsabgeordnete Joachim Poss wieder einmal ein tolles persönliches Ergebnis ein und wird zum Sieger des Wahlkreises mit 50,5% der Stimmen. Auch seine Partei kann in Gelsenkirchen noch einmal zwei Prozentpunkte zulegen und kommt auf 44%, 2009 waren es 42. Trotzdem ist sein Ziel und das seiner Partei nicht erreicht, denn die SPD kann nicht wie erhofft gemeinsam mit den Grünen die neue Bundesregierung bilden.
Was auch am Ergebnis der Grünen liegt, die bundesweit 2,3 % an Stimmen verlor und in Gelsenkirchen 1,4%. Dafür zieht die Gelsenkirchenerin Irene Mihalic dank ihres guten Listenplatzes in den neuen Bundestag ein.
Sehr zufrieden mit dem Abschneiden ihrer Partei in Bund und Stadt war die Linke-Direktkandidatin Ingrid Remmers, die zwar selbst nicht in den Bundestag einziehen wird, dazu war ihr Listenplatz zu weit hinten, aber hoch erfreut war über das Ergebnis der Linken.
Sieger auf ganzer Linie ist die CDU, die im Bund nur knapp die absolute Mehrheit verfehlte und in Gelsenkirchen immerhin 4,5% mehr verzeichnen kann, als noch 2009. Für die Christdemokraten zieht mit Oliver Wittke der dritte Gelsenkirchener Politiker in den Bundestag ein.
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Mit einem lachenden und einem weinenden Auge

Im Gespräch mit dem Stadtspiegel zeigte sich die Linke-Direktkandidatin Ingrid Remmers „ziemlich gut zufrieden. Ich hätte mir ein zweistelliges Ergebnis gewünscht, aber mit der Position als dritte Kraft bin ich gut zufrieden. Denn damit haben wir über Jahre gezeigt, dass wir eine stabile Kraft sind.“
Dabei ist Remmers reichlich heiser vom anstrengenden Wahlkampf, wie sie erklärt. Begeistert zeigte sich die Linke-Kandidatin auch von dem Ausgang der Wahlen in Hessen, bei denen die Linke ihr altes Ergebnis beinahe beibehalten konnte. „Dort wie auch in Berlin wurde die gute Politik entsprechend honoriert. Auch die Resonanz in Gelsenkirchen war positiv,“ bewertet Ingrid Remmers die Lage, obwohl die Linke 2009 auf 12.1%, jetzt aber nur noch auf 7,6% der Stimmen kam.
Auf die Frage, was sie glaubt, wie es nun im Bund weitergeht, hat Remmers eine Lösung parat: „CDU und SPD müssen nun schauen. Die SPD hat viel versprochen, was sie abseits eines linken Lagers nicht durchsetzen können wird. Das wird sehr spannend.“ Zum Abschneiden der FDP hat die Linke auch eine klare Meinung: „Das FDP-Ergebnis ist schlicht und ergreifend verdient.“

Gute Stimmung und Siegerlaune

Auch im neuen Hans-Sachs-Haus war die CDU im Sitzungszimmer Olztyn anzutreffen, das allerdings im alten HSH noch den Namen Allenstein, also den deutschen Namen der Partnerstadt trug. Dort begrüßte der CDU-Kandidat Oliver Wittke die Christdemokraten und freute sich, ihnen zur Einweihung des Sitzungssaales gleich ein solches Ergebnis und damit verbunden eine solche Feierstimmung bieten zu können.
Beim Eintreffen seines Vorgängers auf Bundesebene, des ehemaligen Bundestagsabgeordneten und Kreisvorsitzenden der CDU Gelsenkirchen, Wolfgang Meckelburg, dankte Wittke diesem für seine gute Unterstützung in den letzten Jahren und Monaten.
Meckelburg zeigte sich sehr erleichtert und das nicht nur über das Wahlergebnis für die CDU und Oliver Wittke, sondern auch darüber, dass er nun seinen Ruhestand unbeschwert genießen kann. Dafür übergab er nun den „Staffelstab“ an seinen Nachfolger im Bund Oliver Wittke. Meckelburg scherzte: „Ich bin ja Ehrenvorsitzender, vermutlich wegen der grauen Haare, und freue mich, dass die Gelsenkirchener CDU wieder im Bundestag vertreten ist und das mit Oliver Wittke. Jetzt kann ich die Staffette in rabenschwarz übergeben. Dazu überreiche ich Dir einen Berlin-Regenschirm.“
Das Strahlen auf dem Gesicht des Kandidaten kann auch die tropische Hitze im Sitzungssaal nicht schwächen. Auch wenn er selbst sagt, dass er bereits total durchgeschwitzt ist, trägt er die Siegeslaune im Gesicht. Und das angesichts der Ergebnisse mit vollem Recht. „Wir genießen die Hochrechnungen und feiern. Das ist ein grandioses Ergebnis für die CDU und Angela Merkel. Und auch wir hier in Gelsenkirchen haben einen Beitrag zu diesem Ergebnis beigetragen. Die CDU hier vor Ort war von ganz jung bis ganz alt hoch motiviert im Wahlkampf engagiert. Das hat viel Spaß gemacht. Und zwar nicht nur wegen des Wahlsieges auf Bundesebene, sondern auch weil ein Gelsenkirchener Vertreter der CDU nach Berlin geht.“
Um 18.30 Uhr fehlten der CDU nach Aussage Wittkes nur noch drei Mandate bis zur absoluten Mehrheit. Doch sein Hoffen, auf die fehlenden Stimmen, wurde am Ende nicht erfüllt. Nun geht es in die Gespräche mit den möglichen Koalitionspartnern.

Geschafft und doch enttäuscht

Die Grünen-Kandidatin Irene Mihalic hat das Ziel erreicht, in den Bundestag einzuziehen, doch ihre Partei ist nicht mitgezogen. Die Grünen musste ihre Position als drittstärkste Partei an die Linke abgeben und es reichte nicht zu einem Regierungswechsel als Koalitionspartner der SPD.
Doch die Gelsenkirchenerin lässt sich nicht unterkriegen: „Ich bin drin, aber ich bin eher traurig über das Ergebnis. Ich hatte einen sicheren Listenplatz. Es wäre eine noch schlimmere Katastrophe nötig gewesen, um meinen Einzug in den Bundestag zu gefährden. Aber es ist schade um die Kolleginnen und Kollegen, die weiter hinten standen auf der Liste.“
Und eins ist für Irene Mihalic ist auch klar: „Das Ergebnis kann man nicht schön reden!“ Sie hat bereits eine „ganz kleine Wohnung in Berlin“, sieht aber ihren Lebensmittelpunkt weiterhin in Gelsenkirchen. Denn nur so kann sie erfahren, was hier nötig ist und etwas dafür in Berlin bewegen. „Ich hoffe, dass es zwischen uns drei Gelsenkirchener Abgeordneten eine parteiübergreifende Zusammenarbeit geben wird, um etwas für Gelsenkirchen zu erreichen, zum Beispiel bei der besseren Finanzausstattung der Kommunen. Hoffen wir das Beste für Gelsenkirchen.“

Sieger und Verlierer in Einem

Als auf der großen Leinwand im Ratssaal die Kanzlerin strahlend über ihren Sieg spricht, ist Joachim Poss noch nicht dort eingetroffen. Auch nicht als der SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück auf der Leinwand erklärt: „Frau Merkel hat nun die Wahl wie sie an eine Mehrheit kommt“ und ihm Saal Applaus entbrennt. Erst als gegen 19.25 Uhr etwa di Hälfte der Gelsenkirchener Wahllokale ausgezählt sind und Joachim Poss sichere 50% der Erststimmen auf dem Konto hat, wird auch der Sieger des Wahlkreises Gelsenkirchen im Ratssaal gesichtet.
Er richtet seinen Dank an all die vielen Helfer, die seinen Wahlkampf unterstützt haben und erklärt: „Die Hausbesuche haben sich bewährt. Aber auch die Jusos haben sich in besonderer Weise verdient gemacht. Sie hatten beeindruckende Aktionen und Taner Ünalgan trägt nun den Titel Mr. Facebook. Dank auch an die Falken und vor allem an meine Frau, die seit vielen Jahren meine Unterstützerin ist.“
Doch Poss richtete sich auch an die versammelten Sozialdemokraten und versuchte ihre trübe Stimmung aufzuhellen: „Für manche von Euch mag das Ergebnis enttäuschend sein, weil wir nicht das Wahlziel erreicht haben. Doch wir konnten unser Ergebnis bei den Zweitstimmen in Gelsenkirchen im Vergleich zu 2009 um 2 % steigern. Auch auf Bundesebene haben wir nicht das Ziel erreicht und die Grünen sind als Koalitionspartner nicht ausreichend. Während die CDU profitiert hat vom Merkel-Wahlkampf und der Absage an die FDP.“
Doch er baut die Genossen auf, in denen er das gute Programm und die richtigen Themen noch einmal Revue passieren lässt und erklärt: „Die Themen bleiben, auch wenn die SPD nur in der Opposition ist.“
Im Stadtspiegel-Gespräch erklärt Poss: „Die SPD hat sich in den letzten Jahren gut und richtig positioniert. Das beweist auch der Wahlkampf in seiner Geschlossenheit. Das Problem waren die Wohlfühl-Kampagne der Frau Merkel und die Groß-Kommunikation in der SPD. Aber die SPD hat einen guten Endspurt hingelegt und auch das TV-Duell hat für Bewegung gesorgt. Die Steinbrück-Kampagne in der Schlussphase war ebenfalls gut.“
Mit dem Abschneiden der Grünen hatte auch Poss im Vorfeld nicht gerechnet. Denn die Umfragen hatten lange Zeit eine andere Sprache gesprochen. Von den Verlusten hat dann wiederum die CDU profitiert.
Über die Möglichkeit einer großen Koalition wollte Joachim Poss am Wahlabend nicht reden, aber „es wäre eher eine andere Koalition möglich, nämlich schwarz-grün. Sonst gebe es ja auch gar keine Opposition mehr. Würde die CDU allein regieren können, müsste sie konkret werden und könnte sich nicht mehr hinter einem Koalitionspartner verstecken. Bisher wurden alle Probleme weggedrängt, jetzt geht es um Fragen der Infrastruktur, der Kommunal-Finanzierung oder auch des gespaltenen Arbeitsmarktes. Die CDU hat einen Vermeidungswahlkampf betrieben statt mit politischen Inhalten zu punkten. Nun ist sie gefragt.“

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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