Das Wahltaxi der spD – Wofür gibt es Gesetze?
Die letzte Bundestagwahl liegt schon ein wenig zurück, aber folgender Fall hat weiterhin Bestand. Die spD-Gelsenkirchen bot am Wahltag Folgendes an:
„Bürgerinnen und Bürger, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind und ins Wahllokal gefahren werden möchten, werden zu Hause abgeholt und im Anschluss auch wieder zurückgefahren.“
Dem gegenüber stand das Bundeswahlgesetz §32
„Wahlpropaganda ist auch in unmittelbarer Umgebung des Wahlgebäudes unzulässig, wenn sie nach Form und Inhalt geeignet ist, die Wählerinnen und Wähler bei der Stimmabgabe zu beeinflussen.“
Ob gegen dieses Gesetz verstoßen wurde, wollte ich genau wissen und stellte an den Bundeswahlleiter eine Anfrage gemäß des Informationsfreiheitsgesetzes. Diese Anfrage ist hier nachzulesen.
Die Antwort aus dem Büro des Bundeswahlleiters klingt doch ein wenig verstörend:
„Gemäß § 32 Absatz 1 Bundeswahlgesetz sind während der Wahlzeit in und an dem Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet, sowie unmittelbar vor dem Zugang zu dem Gebäude jede Beeinflussung der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild sowie jede Unterschriftensammlung verboten (unzulässige Wahlpropaganda). Sinn und Zweck ist die Gewährleistung der Wahlfreiheit und die Sicherung der Wahlgleichheit (Schreiber, BWahlG, 10. Aufl., § 32 Rn. 1).
Darüber hinaus stehen Wählernötigung, Wählertäuschung und Wählerbestechung gemäß §§ 108, 108a und 108b Strafgesetzbuch unter Strafe. Danach wird in die Freiheit der Wahl eingegriffen, wenn
der Wähler rechtswidrig mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel, durch Missbrauch eines beruflichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses oder durch sonstigen wirtschaftlichen Druck genötigt oder gehindert wird, zu wählen oder sein Wahlrecht in einem bestimmten Sinne auszuüben;
durch Täuschung bewirkt wird, dass jemand bei der Stimmabgabe über den Inhalt seiner Erklärung irrt oder gegen seinen Willen nicht oder ungültig wählt;
dafür, dass jemand nicht oder in einem bestimmten Sinne wählt, Geschenke oder andere Vorteile angeboten, versprochen oder gewährt werden.
Ob ein reiner Fahrservice zu Wahllokalen als solcher eine unzulässige Wählerbeeinflussung oder eine unzulässige Wahlpropaganda darstellt, ist äußerst fraglich.
Für eine unzulässige Beeinflussung spricht zunächst, dass durch den Shuttle-Service eine Beeinflussungsmöglichkeit durchaus besteht. So könnten die Benutzer des Shuttle-Services sich aufgrund der Annahme der Leistung verpflichtet fühlen, auch die den Service anbietende Partei zu wählen. Zudem könnte während der Fahrt durch Fahrer oder Begleitpersonal Parteiwerbung betrieben und dadurch unzulässig in die Wahlfreiheit der Wähler eingegriffen werden.
Andererseits ist der Wähler nicht verpflichtet, den Fahrservice in Anspruch zu nehmen. So kann sich zum Beispiel ein Wähler, der des Lesens unkundig ist oder der wegen einer körperlichen Beeinträchtigung gehindert ist, den Stimmzettel zu kennzeichnen, zu falten oder selbst in die Wahlurne zu werfen, gemäß § 33 Absatz 2 Bundeswahlgesetz der Hilfe einer anderen Person bedienen (Hilfsperson). Dies gilt erst recht für die Inanspruchnahme einer Hilfe zur Beförderung ins Wahllokal. Die Auswahl der Hilfsperson liegt allein im Ermessen des Wahlberechtigten (§ 57 Bundeswahlordnung). Auch muss Parteiwerbung während der Fahrt nicht zwingend betrieben werden oder nicht derart massiv, dass sie sich als Eingriff in die Wahlfreiheit darstellt.
Ob es im Rahmen eines Fahrservices durch eine Partei zu einem Eingriff in die Wahlfreiheit kommt und dieser damit eine unzulässige Wählerbeeinflussung oder einer unzulässige Wahlpropaganda darstellt, hängt daher stets von dem jeweiligen Einzelfall und den konkreten Umständen ab. Maßgeblich ist, ob die eigenverantwortliche Wahlentscheidung der Wähler gewährleistet bleibt oder nicht. Dem Bundeswahlleiter ist bislang kein Fall bekannt, bei dem es im Rahmen eines angebotenen Fahrservices zu einer unzulässigen Wählerbeeinflussung gekommen sein soll.“
Fazit:
Es wird in die Freiheit der Wahl eingegriffen, wenn jemand nicht oder in einem bestimmten Sinne wählt, Geschenke oder andere Vorteile angeboten, versprochen oder gewährt werden. Und es wird bestätigt, dass „durch den Shuttle-Service eine Beeinflussungsmöglichkeit durchaus besteht“. Aber „dem Bundeswahlleiter ist bislang kein Fall bekannt, bei dem es im Rahmen eines angebotenen Fahrservices zu einer unzulässigen Wählerbeeinflussung gekommen sein soll.“
Und somit ist das Wahltaxi keine Wahlpropaganda gemäß §32 BWG.
Man könnte es auch so sagen: „Bisher ist dem Staatsanwalt nicht bekannt, ob die Bank bei einem Überfall Schaden genommen hat. Also liegt der Tatbestand eines Banküberfalls auch nicht vor.“
Es besteht die Möglichkeit einer Beeinflussung, aber irgendwie ist das doch keine Beeinflussung. Da bleibt die Frage, aus welch einer Motivationslage die spD-Gelsenkirchen dieses Wahltaxi überhaupt finanziert hat? Einfach nur, weil sie gute Menschen sein wollen?
Autor:Sandra Stoffers aus Recklinghausen |
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