Auf geht's zum Hammelsprung

Felix Rarreck freut sich im Nachhinein umso mehr, dass er unter allen Bewerbungen zum Jugend-Landtag von Heike Gebhard ausgewählt wurde. Foto: Gerd Kaemper
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  • Felix Rarreck freut sich im Nachhinein umso mehr, dass er unter allen Bewerbungen zum Jugend-Landtag von Heike Gebhard ausgewählt wurde. Foto: Gerd Kaemper
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Drei überaus spannende, interessante und aufregende Tage erlebte der 17-jährige Felix Rarreck Mitte Juni beim 7. Jugend-Landtag Nordrhein-Westfalen. Dabei konnte er sich ein Bild von der Arbeit der Abgeordneten in Ausschüssen, Fraktionssitzunungen und natürlich im Plenarsaal machen und erlebte Politik hautnah. Er machte dabei sogar ähnliche Erfahrungen wie die richtigen Politiker sie aus ihrem Alltagsgeschäft im Landtag kennen.

Wie im wirklichen Abgeordneten-Leben

Heike Gebhard musste bei den Schilderungen des Waldorfschülers so manches Mal schmunzeln und fühlte sich an den Abgeordneten-Alltag erinnert. Auch nach dem inzwischen 7. Jugend-Landtag brachte das von Felix Erlebte die Politikerin das ein ums andere Mal doch zum Erstaunen.
Der Oberstufenschüler an der Waldorfschule Gladbeck ist in verschiedenen Gremien der Schülervertretung aktiv, also was Mitbestimmung, Organisation und demokratisches Empfinden angeht nicht ganz unbefleckt. Doch die fünf Fraktionssitzungen, Expertenanhörungen, Ausschuss-Sitzungen und das abschließende Plenum mit Abstimmung und sogar dem ersten Hammelsprung in der Geschichte des Jugend-Landtages NRW schlauchte den 17-Jährigen am Ende doch.

In Landtag, Ausschuss und Fraktion Platz genommen

Wie seine Gastgeberin nahm Felix natürlich in den Reihen der SPD-Fraktion im Landtag Platz. Felix war Mitglied des Ausschusses Arbeit, Gesundheit und Soziales und befasste sich mit den Themen „Vergabe von Studienplätzen gerechter gestalten“ und „Mehr fürs Leben/den Alltag in der Schule lernen“. Mit den Ergebnissen des Jugend-Landtages wird sich in der nächsten Sitzungsperiode nach der Sommerpause auch der „echte“ Landtag befassen und damit auch Heike Gebhard in ihren Ausschüssen Haushalts- und Finanzausschuss und Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung.
In der SPD-Fraktion war der Gelsenkirchener einer von 99 Jugendlichen, die jeder 30 Sekunden Zeit hatten, um sich vorzustellen. Denn die erste Aufgabe bestand darin, Wahlen durchzuführen. Es galt Schrifführer und Fraktionsvorsitzende zu wählen. Auch ein Jugend-Landtagspräsident muss gewählt werden, und dazu sollten die Personen wenigstens ein ganz klein wenig bekannt sein.

Potential für echte Politiker dabei

Die Vorstellungsrunde gefiel Felix Rarrek sehr gut: „Da war Potential für echte Politiker dabei. Das hat mich schwer beeindruckt.“ Er musste aber auch die Erfahrung machen, dass kleinere Fraktionen bei der Vorstellung natürlich klar im Vorteil waren, weil man dabei weniger den Überblick über die einzelnen „Abgeordneten“ verlieren konnte.

In Sachen Demokratie etwas dazu gelernt

Dass Demokratie nicht einfach ist, lernte der Oberstufenschüler ebenfalls: „Die Abstimmungen waren teils zu früh angesetzt. Da waren die Inhalte nocht nicht ausgereift genug und es ging wieder zurück in die Ausschüsse, ehe es eine weitere Abstimmung gab.“
Diese Erfahrung fand Heike Gebhard sehr gut, weil die jungen Leute so feststellen konnten, dass Politiker keine vorgefasste Meinung haben dürfen, sondern sich auch belehren und überzeugen lassen sollten.

Am Ende stand die Abstimmung

Am Ende entschied der Jugend-Landtag, dass die Studienplatzvergabe gerechter gestaltet werden sollte. Dazu sollte weniger Wert auf den Nummerus Clausus gelegt und mehr die Persönlichkeit des einzelnen Bewerbers von den Hochschulen beachtet werden. Mittels eines Punktesystems sollte eine Wertung erstellt werden, die sich zusammensetzt aus sozialem Engagement, Persönlichkeit, Abitur-Note, Wartezeit und einem neu zu schaffenden landesweiten Einstufungstest.
„Für die Umsetzung fehlen nach Aussage des Haushaltsausschusses aber die finanziellen Mittel, die für das dazu nötige neue Personal erforderlich wären,“ schilderte Felix und Heike Gebhard freut sich schon auf die bevorstehenden Diskussionen darüber in ihren Ausschüssen.

Koalition kurzzeitig vergessen

Bei der Abstimmung darüber setzten sich SPD und Piraten durch, was Gebhard zur Frage veranlasste, ob sich die „Sozialdemokraten“ denn auch mit dem Koalitionspartner „Grüne“ abgesprochen hätten. „Bei diesem ersten Thema hat das noch nicht geklappt“, gestand der 17-Jährige mit einem Schmunzeln.
Das zweite Thema verdankte der Jugend-Landtag der Jugendlichen mit dem Twitter-Namen Naina, die Anfang des Jahres twitterte: „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann 'ne Gedichtsanalyse schreiben. In vier Sprachen.“
Die Jugendlichen diskutierten in den Fraktionen, Ausschüssen und dem Plenum über Sinn und Unsinn der Einführung eines Schulfaches wie „Hauswirtschaft-Steuer-Miete“ in den Lehrplan. Am Ende entschied sich das Plenum dafür, dass mehr Praxisnähe in die Standardfächer einfließen sollte.

„Mehr fürs Leben und den Alltag lernen“

Außerdem präferierte der Jugend-Landtag die Einführung einer Projektwoche zum Thema „Mehr fürs Leben und den Alltag lernen“. Ob diese aber schulintern oder übergreifend und in der 8. oder 9. Klasse stattfinden sollte, blieb am Ende offen. Hierzu schafften es „SPD“ und „Grüne“, wie Felix schilderte, in einer „spontanen Aktion während der Plenarsitzung“ noch, einen gemeinsamen Beschluss zu fassen.

Kleider machen Leute?

Auch wenn der junge Mann politisch nicht vorbelastet ist, fielen ihm schon Unterschiede zwischen den Jugendlichen in den einzelnen Fraktionen auf: „Die meisten CDU-Abgeordneten erschienen tatsächlich in Anzug und Krawatte. Es gab eine Kleiderordnung. Wir sollten nichts Provozierendes, keine Sprüche auf dem Shirt oder Marken und solche Dinge anziehen. Darum dachte ich, ein Hemd reicht, ein Anzug war schon ein wenig übertrieben.“
Die Piraten demonstrierten ihre Andersartigkeit mit T-Shirts mit Slogans und bei einem Barfuß-Marsch durch den Landtag, der ihnen eine Rüge der Landtagspräsidentin einbrachte, was die Grünen aber nicht daran hinderte, es ihnen gleich zu tun.
Seltsam erschienen dem Jugendlichen die Beschlussfassungen der CDU zu den verschiedenen Themen: „Das waren sehr schwammige Formulierungen und das in nur einem einzigen Satz. Ich weiß nicht, was die sich dabei gedacht haben.“

Die aktuelle Stunde

In der „aktuellen Stunde“ ging es um die Verbesserung der Situation von Flüchtlingen. Dabei waren sich am Ende alle Fraktionen, bis auf die der CDU, einig, dass hier für Abhilfe gesorgt werden muss. Durch mehr Aufklärung der Bevölkerung und der besseren Integration der Flüchtlinge anstatt der Bildung einer Parallel-Gesellschaft durch Ghettosierung.
In einem Eilantrag ging es um die Gleichstellung der Ehe für Alle, der von Grünen und Piraten eingereicht wurde. Auch hierbei waren sich die Fraktionen mit Ausnahme der CDU einig.

Eine spannende Zeit liegt hinter Felix Rarreck

Felix erinnert sich gern an eine spannende Zeit und viele nette Leute, die er kennen gelernt hat und die an Politik interessiert sind. Seine berufliche Zukunft sieht er aber nicht in der Politik: „Politik ist aus meiner Sicht eine zu langwierige Prozedur. Ich möchte schon einen Beruf mit Mitwirkungs- und Organisationsanspruch haben, aber das reicht mir dann auch.“
Heike Gebhard quittierte die vorläufige Absage an die Politik mit Wohlwollen: „Abgeordnete sollten ein Ebenbild der Gesellschaft sein, darum ist es wichtig, viele Berufssparten vertreten zu haben.Wir hatten auch schon einen Briefträger in der Fraktion. So was sorgt dann dafür, dass das richtige Leben in die Politik und kommt und etwas bewirken kann.“

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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