Gelsenkirchenerin veröffentlicht ein Buch über sinnvolles Brachflächenrecycling
Eine Chance für die Natur
„Mir persönlich liegt dieses Thema - vor allem, weil ich inmitten des Ruhrgebiets geboren und aufgewachsen bin - sehr am Herzen, denn dieser (Werte-)Wandel im Ruhrgebiet bietet eine Chance für effektive und nachhaltige Flächenentwicklung, damit auch für zukünftige Generationen die Befriedung ihrer Bedürfnisse gewährleistet ist“, erklärt die Gelsenkirchenerin Katharina Kühn, wenn sie über ihr gerade erschienenes Buch „Brachflächenrecycling – Verringerung der Neuflächeninanspruchnahme am Beispiel der ehemaligen Kokerei Hassel“ spricht.
Katharina Kühn wurde 1998 in Buer geboren, machte ihr Abitur am Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium und studierte an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW in Gelsenkirchen im Rahmen des Dualen Studiums zur Bachelor of Laws bei der Stadt Gelsenkirchen. Wie man sieht handelt es sich bei ihr um ein durch und durch Gelsenkirchener Eigengewächs.
Kein Wunder also, dass sie sich bei ihrer Bachelorthesis auch um ein Gelsenkirchener Thema handelte. Denn darin ging es um Thema Brachflächenrecycling und ihr Professor Dr. Stefan Piasecki ermutigte die Einser-Kandidatin, ihre Arbeitsergebnisse in Form eines Buches auch anderen Interessierten zugänglich zu machen.
Das ist nun geschehen und das Buch „Brachflächenrecycling – Verringerung der Neuflächeninanspruchnahme am Beispiel der ehemaligen Kokerei Hassel“ ist im Tectum-Verlag erschienen. Das Buch bekam vor allem durch die Durchführung von Interviews mit beteiligten Akteuren der Stadt Gelsenkirchen, RAG Montan Immobilienund Ecosoil, einem der führenden Unternehmen Deutschlands im Segment Flächensanierung, am Projekt der ehemaligen Kokerei Hassel einen größeren Blickwinkel im Hinblick auf die praktische Umsetzung solcher Sanierungsprojekte.
Die Bundesregierung hat in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel ausgegeben, die Inanspruchnahme von Flächen zu reduzieren. Welche Auswirkungen die Inanspruchnahme neuer Fläche für Siedlungs- und Verkehrszwecke auf die natürlichen Funktionen des Bodens, die wirtschaftliche Struktur einer Kommune und die soziale Spaltung der Gesellschaft hat, wird häufig unterschätzt.
Sowohl vor dem Hintergrund des voranschreitenden Strukturwandels als auch des fehlenden Wohnraums bzw. verfügbarer Baugrundstücke in vielen Kommunen ist die Thematik hochaktuell – auch angesichts den Auswirkungen des Klimawandels. Das Flächenrecycling stellt sich als ein geeignetes Instrument dar, um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen.
Brachflächenrecycling hat viele Facetten
Vor allem das Recyceln von zum Teil stark vorbelasteten Flächen, etwa durch Altlasten, bietet eine einmalige Chance: Herstellung moderner Betriebsflächen für Produktions- und Dienstleistungsgewerbe, um Arbeitsplätze für die heimische Bevölkerung zu sichern und zu schaffen.
Wie wichtig die Ansiedlung solcher Betriebe in der Region ist, wird auch vor dem Hintergrund der aktuellen Pandemie mehr als deutlich. Aber auch Erholungsflächen oder Wohnbebauung können auf solchen Brachflächen - je nach Sanierungsbedarf der Fläche - realisiert werden.
Wohnen auf der grünen Wiese - Erstrebenswert?
Die Brisanz der Thematik schlägt sich auch in den aktuellen politischen Erwägungen nieder. „Mit großem Bedenken sehe ich die Fortsetzung des eigentlich zum Jahresende 2019 auslaufenden § 13b BauGB. Der Paragraph erlaubt im beschleunigen Verfahren Wohngebiete auf der „grünen Wiese“. Er steht im großen Widerspruch zur deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, der Bodenschutzklausel, zum Klimaschutzplan 2050 sowie den Flächensparzielen. Die Begründung, schnellen Wohnraum in Ballungsräumen zu schaffen, ist diskussionswürdig. Wohnraum in Ballungsgebieten schafft man nicht auf der grünen Wiese, sondern dort, wo er dringend benötigt wird: im Innenbereich einer Kommune. Hier stellen die Brachflächen der Kommunen ein erhebliches Potenzial. Denn das Baugesetzbuch fordert im ersten Paragraphen nicht nur „mit Grund und Boden soll sparsam umgegangen werden“, sondern „die Möglichkeiten durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen“. Der gesellschaftliche und demographische Wandel – geprägt von der Montanindustrie - ist eine Chance effektiver und nachhaltiger Flächenentwicklungen“, glaubt Katharina Kühn.
Kokereigelände wird zum Stadtteilpark
Auch die Stadt Gelsenkirchen weist heutzutage viele zuvor durch den Bergbau genutzte Brachflächen auf. Das Gelände der ehemaligen Kokerei Hassel zeigt als aktuelles Vorzeigeprojekt, welche Chancen die Sanierung einer Industriebrache für einen Stadtteil, aber auch für eine gesamte Stadt bringt. Über Jahrzehnte war das Gelände für die Bevölkerung nicht zugänglich, seit dem 13. Juni 2020 wird der Bevölkerung mit dem Stadtteilpark das zurückgegeben, was die Industrie ihr einmal nahm. Damit soll der Rückzug der Montanindustrie der Stadt Gelsenkirchen – und vor allem dem aufstrebenden Stadtteil Hassel - eine neue Grünfläche bescheren.
Boden - das kostbarste Gut der Menschheit
Die Autorin erklärt ihr Anliegen, das sie mit dem Buch einer breiten Öffentlichkeit nahe legen möchte so: „Mein persönliches Interesse liegt darin, zu einer weiteren Erforschung und Optimierung der Thematik vorsorgender und nachhaltiger Bodenschutz in Form von Brachflächenrecycling im öffentlichen Sektor beizutragen, um langfristig die Flächeninanspruchnahme zu reduzieren. Denn Flächenpolitik ist das Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen, die es zu identifizieren und zu steuern gilt, um die Ressource Boden zu schützen.“
Damit bezieht sie sich darauf, dass bereits im Jahr 1972 in der Europäischen Bodencharta festgehalten wurde: „Der Boden ist eines der kostbarsten Güter der Menschheit“.
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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