„Mit dem frei:raum muss es einfach weitergehen!“
Enes spielt auf dem Klavier, Josef auf der Gitarre, Oguz, Sinan, Bilal und Hulusi spielen Karten, Orhan und Önder Backgammon. Ein typischer Nachmittag im frei:raum, dem offenen Raumangebot für die Jugend in Schalke an der Liboriusstraße. Doch die Fördermittel für den frei:raum laufen aus und sein „Überleben“ ist nicht gesichert.
Ein frei:raum für Jugendliche
Im Frühjahr 2013 wurde der frei:raum auf den Weg gebracht. Die Jugendlichen aus Schalke waren eingeladen, sich an der Gestaltung und Inneneinrichtung zu beteiligen und ihren ganz persönlichen Rückzugsort mitten im Quartier nach ihrem Geschmack und ihren Interessen zu gestalten.
Die Revier Ressourcen hatten gemeinsam mit Künstlerin Claudia Lüke die Idee zu diesem Rückzugsort für die Jugendlichen, die sonst oft nichts anderes als die Straße hatten, um sich zu treffen auf den Weg gebracht in einem leerstehenden Ladenlokal.
Ein Treffpunkt ohne Zwang und Kosten
Die jungen Leute folgten dem Aufruf, auch wenn sie noch gar nicht so ganz sicher waren, was eigentlich hinter dem frei:raum stecken sollte. Als das Projekt dann Fahrt aufnahm, die ersten Wände gestaltet, die Theke gebaut und langsam aber sicher auch Sitzmöbel Einzug hielten, schwante den jungen Leuten, dass sie hier genau das finden würden, was sie immer vermisst hatten: Einen Treffpunkt ohne kommerziellen Zwang, dafür aber mit umso mehr Freiheit und Ruhe und einfach dem guten Gefühl unter sich zu sein.
Ein echtes Erfolgsprojekt
Seitdem hat sich der frei:raum zu einem echten Erfolg gemausert. Beinahe täglich nutzen die jungen Leute die Möglichkeit, sich hier zu treffen, um zu quatschen, zu spielen, gemeinsam zu musizieren oder einfach mal abzuhängen. Und das alles, ohne dass sie einen Cent Geld ausgeben müssen, wenn sie nicht wollen.
„Wenn wir uns in einem Lokal treffen, können wir nicht stundenlang an einem Getränk rumnuckeln. Das sieht kein Gastronom so gern“, schildert Rafael.
Josef war der erste von ihnen, der auf diese Chance aufmerksam wurde, weil er einem Aushang am Schalker Gymnasium gefolgt war, der auf einen Poetry Slam im frei:raum hingewiesen hatte. Schnell machte das Angebot die Runde unter den Abiturienten und heute trifft man ab dem späten Nachmittag mitunter bis zu 20 junge Leute dort an.
Einfach mal abhängen ohne verzehren zu müssen
„Wir kommen hierher um ein wenig Musik zu machen, mal was zu trinken oder einfach mal nur zu sitzen und zu quatschen. Hier kennt Jeder Jeden und jeder von uns hat hier neue Freunde gefunden“, verrät Sinan.
„Im Winter hätten wir ohne den frei:raum gar keine Chance uns zu treffen, weil wir es uns nicht leisten können, irgendwo reinzugehen und was zu trinken“, erzählt Oguz.
Gitarrenkurs mit Jimmy Hartwich und mehr
Dazu kommt das ein oder andere Projekt, wie der Gitarrenkurs von Jimmy Hartwich, der bei den jungen Leuten ganz hoch im Kurs steht.
Und weil der frei:raum mehr sein will als nur ein Raum zum Abhängen, wurde den jungen Leuten nahe gelegt, dass sich der ein oder andere zum Jugendleiter qualifizieren lassen sollte. Denn eine gewissen Aufsicht muss sein, bei aller Freiheit, die hier geboten wird.
Gleich mehrere von ihnen haben beim Jugendamt eine mehrwöchige Qualifikation durchlaufen und sind nun stolze Besitzer einer „Juleika“ oder besser Jugendleiterkarte. Damit tragen sie selbst dazu bei, dass der frei:raum quasi unter „Aufsicht“ steht und übernehmen selbstständig Verantwortung. Ein guter Schritt in Richtung Erwachsen werden, auch wenn natürlich manchmal ein echter Erwachsener vorbeischaut, weil die Jugendlichen ab und an auch einen Rat oder Hilfe benötigen.
Keine "geschlossene" Gesellschaft
Die meisten Jugendlichen sind zwischen 16 und 20 Jahre alt und es passiert immer mal wieder, dass ein neues Gesicht plötzlich und unvermittelt hereinschneit.
„Erinnert ihr euch noch an den Franzosen, der auf einmal hier war? Der hat mitbekommen, dass wir hier Musik gemacht haben und war plötzlich hier und machte einfach mal mit. Und das obwohl wir gar keinen dabei hatten, der französisch in der Schule hat“, freut sich Bilal.
„Hier kann jeder seine Kreativität ausleben. Und es gibt sogar schon Filme über uns auf youtube“, strahlt Orhan.
Sponsoren gesucht für die Nebenkosten
Claudia Lüke, die nicht nur als pädagogische Kraft geholfen hat den frei:raum aufzubauen und durch ihre künstlerische Tätigkeit die Jugendlichen zur eigenen Kreativität bei der Gestaltung anregte, sondern auch durch die direkte Nachbarschaft ihres Ateliers am Leben des Raumes Anteil hat, erklärt, was benötigt wird um das Fortbestehen zu sichern: „Eigentlich reden wir hier über Fixkosten von rund 4.000 Euro im Jahr. Die Räumlichkeit muss mit Strom beheizt werden und der ist bekanntlich nicht ganz billig. Die Jugendlichen versuchen zwar schon Energie einzusparen, wo es eben geht, aber der Betrag ist schon knapp bemessen.“
Dass hier nur von den Nebenkosten die Rede ist, wird ermöglicht durch das Engagement der VEWO Wohnungsverwaltung GmbH, die den Raum kostenlos zur Verfügung stellt.
Die Fortführung ist das Ziel
Weiteres Geld würde gebraucht, um weiterhin Projekte anbieten zu können, wie den Gitarrenkurs, ein Kunstprojekt oder der Jahreszeit entsprechend eine Weihnachtsfeier. Die Jugendlichen sind jedenfalls für jedes Engagement und jede finanzielle Unterstützung dankbar, die den Fortbestand des frei:raum sichert.
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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