Ein Stadtspiegel-Drachen über Bismarck
Wer heute ans Drachen-steigen-lassen denkt, der hat meist Lenkdrachen oder Kites aus ultraleichten Materialien wie Glas- oder Kohlefaser oder auch Aluminium und natürlich an Seide oder Nylon. Die ein wenig älterern Leser erinnern sich aber vermutlich noch an andere Zeiten in Sachen Drachen bauen.
Rainer Hinz ist einer der Letztgenannten. Der 62-jährige Gelsenkirchener hat in seiner Kindheit in Resse so manchen Drachen mit einfachsten Mitteln gebaut und steigen lassen. Und genau daran erinnerte er sich, als er im Stadtspiegel die Ankündigung zum Drachenfest auf Consol gelesen hatte.
„Es hat mir regelrecht in den Fingern gejuckt. Und das obwohl ich meinen letzten Drachen vor gut 15 Jahren für meinen Sohn gebaut hatte“, lacht der Gelsenkirchener, der die Devise vertritt: „Einen teuren Drachen kaufen, das kann jeder“.
Gesagt, getan, machte er sich ans Werk und wurde gerade noch rechtzeitig zum zweiten Tag des Drachenfestes fertig. „Das Drachenbauen haben wir als Kinder von den größeren Jungs gelernt und übernommen. Wir haben damals mit ganz einfachen Holzleisten und gern auch mit Zeitungspapier gearbeitet. Transparentpapier war uns einfach zu teuer. Denn damals befanden sich auf den Häusern ja noch die terrestrischen Antennen mit ihren Zacken an denen sich die Drachen schnell einmal verfangen haben. Wir sind ja nicht aufs freie Feld gegangen, sondern haben die Drachen direkt bei uns in der Straße steigen lassen“, erinnert sich der begeisterte Drachenbauer.
Für seinen diesjährigen Drachen hat er ein wenig mehr investiert, aber nur wirklich ein wenig mehr. Denn er hat sich Buchenholzleisten aus dem Baumarkt besorgt und das Kreuz verleimt, statt es wie früher nur zu verknoten. Mit einer feinen Säge hat er einen Schlitz ins Holz gesetzt, damit die Schnur darin verschwinden konnte und das Ganze ein wenig hübscher aussah.
„Früher haben wir der Mutter ein wenig Mehl abgeschwatzt und mit Wasser eine Mehlpampe gemacht, die hat geklebt wie der Teufel. Es ging aber auch mit Stärke oder Kleister. Jetzt habe ich einen richtigen Klebestift benutzt“, schildert Rainer Hinz.
Der Clou seiner Bauweise ist das Bändchen, das zwischen die Querteile gespannt wird und für Stabilisierung sorgt, verrät er. Dann musste er noch Löcher bohren, um das Ganze in Waage zu bringen und fertig war der Drachen, oder zumindest so gut wie. Denn als Bespannung benutzte Hinz die Stadtspiegel-Titelseite mit dem großen Foto zum Drachenfest.
„Man muss die Zeitung nur gut über den Rahmen und darüber hinaus legen und festkleben. Dann wird alles schön beschnitten – und fertig ist der Drachen. Das Zeitungspapier reicht in der Regel für ein paar Flugstunden, bietet aber auch den Vorteil, dass der Drache schnell und kostengünstig wieder repariert werden kann“, lacht der Drachenbauer.
Fehlt nur noch die Schnur. „Früher gab es da ja so Haspeln mit Schnur zu kaufen. Aber ganz ehrlich: Das ist was für Mädchen. Das geht auch mit Handaufwicklung und einem Hanfseil. Ich hatte aber auch noch weiße Perlonschnur, das ging auch. Dabei muss man nur acht auf seine Hände geben, denn die schneidet sehr schnell ein, wenn der Drache so richtig Zug bekommt“, rät der Fachmann.
Dann gehört noch ein ausgewogener Schwanz dazu und ein wenig Gefühl. Für den Schwanz seines Drachens nutzte der Gelsenkirchener zunächst ebenfalls Zeitungspapier, aber dann stellte er auf Grasbüschelchen um, von denen es auf dem Consolgelände reichlich gab, um den Schwanz ein wenig zu beschweren.
Und der Wind beim Drachenfest war so gut, dass Rainer Hinz noch nicht einmal den zweiten Mann brauchte, der mit dem Drachen vorgeht, damit der Lenker die Leine frei geben kann: „Der Wind war so gut, dass ich den Drachen sogar aus der Hand starten lassen konnte“. Und wenn dann noch die Sache mit dem Gefühl klappt, dann geht der selbstgebaute Drache ab wie „Schmitz Katze“.
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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