Die Lust am Schabernack

Am 1. werden die Leute in den April geschickt

„Da sitzt eine Spinne auf der Schulter.“ Noch ehe der so Angesprochene nachdenken kann, schlägt er wahrscheinlich um sich oder schreit: „Mach sie weg!“ Erst am herzhaften Lachen der anderen wird er erkennen, dass es sich hier um einen Aprilscherz gehandelt hat. Einen ziemlich angestaubten zwar, aber einen wirksamen, weil er auf die Urängste der meisten Menschen zielt und erst mal einen erschreckten Menschen hinterlässt.

Der 1. April ist seit Jahrhunderten der Tag, an dem Menschen veralbert oder ihnen dicke Lügen aufgetischt, sie quasi „in den April geschickt werden“. Während klar ist, dass 1618 in Bayern erstmals diese Formulierung gebraucht wurde, weiß niemand, auf welches Ereignis genau dieser internationale Brauch zurückzuführen ist.

Wer hat's erfunden?

Es gibt da einige Erklärungen aus Politik, Landeskultur und Religion: Da wäre ein römisches Narrenfest angeblich am 1. April zu Ehren der Göttin Venus mit rauschenden Orgien und jede Menge mutwilliger Streiche unter Freunden oder die Verschiebung der ursprünglich zum 1. April 1540 vom Augsburger Reichstag beschlossenen Vereinheitlichung des staatlichen Münzwesens , das Spekulanten Hohn und Spott einbrachte. Vielleicht hat „April-fool“, wie der 1. April im englisch sprachigen Raum genannt wird, mit dem Erlass des französischen Königs Karl IX. 1564 zu tun: Im Zuge einer Reformierung des Gregorianischen Klaenders wurde das bis dahin am 1. April gefeierte Neujahrsfest auf den 1. Januar verlegt. Wer dem nicht folgen wollte, galt als „April-Narr“ und bekam als Neujahrsgeschenke Scherze und Lügengeschichten. Der 1. April als Unglückstag liefert religiöse Erklärungen: Nach altem Glauben wurde Judas Ischariot, Jesus Verräter, an diesem Tag geboren und Luzifer in die Hölle geschickt.

Schadenfreude – und es geht uns besser

Alles Vermutungen. Sicher ist: Die Lust am Schabernack ist uralt und es macht Spaß, Leute an der Nase herumzuführen. Warum? Das erklärt der Psychologe Dr. Michael Titze in seinem Aufsatz „Die disziplinarische Funktion der Schadenfreude – oder: Die Ambivalenz des Lachens“ (erschienen in P. Wahl, H. Sasse & U. Lehmkuhl (Hg.): Freude – Jenseits von Ach und Weh? Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht – Beiträge zur Individualpsychologie, Band 37, S. 11–39).
Schadenfreude heißt das Stichwort. Der Aprilscherz erlaube uns einen sogenannten Abwärtsvergleich, heißt es in dem Beitrag. Das heißt: Wenn wir jemandem erfolgreich eine Lüge auftischen, schneiden wir im Vergleich zu dieser Person besser ab, weil wir selbstverständlich nie darauf hereingefallen wären. Wir fühlen uns kompetenter und überlegen.
Das ist zwar gemein, erfüllt aber, so Titze, eine wichtige psychologische Funktion: Er fördert den eigenen Selbstwert.

Wenn Ihnen heute also jemand einen Bären aufbinden will, dies möglicherweise glaubwürdig schafft, seien Sie nicht so streng mit ihm: Er macht es, um sich gut zu fühlen und lachen zu können. Und herzhaftes Lachen ist gesund, kann Stress abbauen, entspannen und soll Glückshormone freisetzen. Da ist der Schreck mit der Spinne bald vergessen.

Autor:

Silvia Dammer aus Hagen

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