„Zeitsprünge: Meine Schillstraßen-Gasse in Gelsenkirchen-Ückendorf“
Viele meiner Gemälde der vergangenen Zeit führten zurück in die Vergangenheit, in meine Kindheit und Jugend im Gelsenkirchener Stadtteil Ückendorf der 50-er und beginnenden 60-er Jahre. Ich suchte auf verschiedenste Art eine Verbindung herzustellen zwischen den in meinem Kopf vorhandenen Erinnerungen und den Erinnerungsorten, wie sie sich heute darstellen, Vergangenheit und Gegenwart symbiotisch miteinander zu verschmelzen. Im vorliegenden Gemälde kommt als dritte Zeitebene noch die Zukunft hinzu.
Der Blick fällt vom Hof durch die zwischen den Häusern Schillstraße 7 und 9 liegende Gasse auf das gegenüber, jenseits der Straße liegende Haus Nr. 6. Diese Gasse mitsamt dem im Rücken des Betrachters liegenden Hof war - neben unserer eigenen Hoffläche hinter Schillstraße 7 - einer der bevorzugten Spielorte meiner Kindheit. Im staubig-grauen Hof von Schillstraße 9 gab es etliche Ställe, und in einer Hausecke pflegte ein cholerischer alter Mann an Fahrrädern zu schrauben - von den Älteren deshalb hinter vorgehaltener Hand als „Fahrradmarder“ bezeichnet -, dessen plötzliche Zornesausbrüche wir Kinder fürchteten.
In der Gasse selbst gab es damals nur ein einziges Fenster, das zum Haus Nr. 9 gehörte und hinter dem eine vielköpfige Familie wohnte, deren Mädchen mit ihren Freundinnen gerne unterhalb jenes Fensters mit ihren Puppen spielten, während wir Jungs uns mit unseren Spielzeugautos befassten, mit Geld oder Klickern gegen die Hauswand „stuckten“ oder uns wilde, lautstarke Verfolgungsjagden und Platzpatronengefechte als Cowboys und Indianer lieferten, bis uns der in seiner Ruhe gestörte kriegsbeschädigte Herr M. aus dem ersten Stock der Schillstraße 6 gegenüber wütend zur Ordnung rief.
Heute sind die früher schwärzlich-schrundigen Backsteinmauern allesamt glatt verputzt, eine lange Reihe von Garagen macht sich hofübergreifend breit, der schmutzig-graue Staub der Gasse ist längst einer sauberen Pflasterung gewichen.
Ich habe in meinem Gemälde das Rad der Zeit zurückgedreht in die Fünfziger Jahre, die ärmlich-heruntergekommenen Nachkriegsfassaden und die raue Umgebung meiner Kindheit wiederhergestellt. An jener Hausecke, an der ich als Kind nach meinen Spielkumpanen Rudi, Jürgen, Otto und Norbert Ausschau hielt, steht jetzt der ältere Mann von heute, blickt neugierig und in gespannter Erwartung in die gleiche Richtung wie das frühere Schillstraßen-Kind.
Man schaut in diesem Gemälde zurück in eine weiter zurück liegende Vergangenheit, hält einen Wimpernschlag lang in der Gegenwart inne und wird zugleich Zeuge eines versuchten Blickes in die Zukunft.
Vielleicht passt diese malerische Allegorie gerade an den Anfang eines neuen Jahres, an dem wir wieder über eine weitere vergangene Zeit zurückblicken und gegenwärtig über Zukünftiges mutmaßen.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, mich bei allen herzlich zu bedanken, die sich meine hier präsentierten Gemälde angeschaut und ggf. darüber reflektiert haben. Ich bin dankbar für die Teilnahme an meinen Gedanken und Erinnerungen und werde diese begonnene Bilderreise in die Ückendorfer Vergangenheit gerne und regelmäßig fortsetzen.
Ich wünsche allen wohlwollenden Betrachtern meiner Gemälde ein an guten Erinnerungen reiches Jahr 2014!
Herzlichst:
Ihr/Euer Wolfgang Moritz
Autor:Wolfgang Moritz aus Gelsenkirchen |
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