Oper von Kurt Weill und Bertolt Brecht zeigt den Menschen als schlimmstes Übel
Wider das Verführen

Pure Dekadenz herrscht in Mahagonny, jedenfalls solange die Bewohner Geld haben. Die leichten Mädchen lassen keine Wünsche der betuchten Herren unerfüllt und Dreieinigkeitsmoses sorgt derweil am Ofen für die Grillwürstchen.
Foto: Karl + Monika Forster
3Bilder
  • Pure Dekadenz herrscht in Mahagonny, jedenfalls solange die Bewohner Geld haben. Die leichten Mädchen lassen keine Wünsche der betuchten Herren unerfüllt und Dreieinigkeitsmoses sorgt derweil am Ofen für die Grillwürstchen.
    Foto: Karl + Monika Forster
  • hochgeladen von silke sobotta

Die Premiere der Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ von Kurt Weill und Bertolt Brecht sorgte im Musiktheater im Revier für nachdenkliche Stimmung. Dabei überzeugten Musik und Gesang im gewohnten Maße.

Regisseur Jan Peter widmet sich in seiner Inszenierung der Intention Brechts, der mit dieser Oper seine Systemkritik darlegen wollte und schon 1927 auf die Gefahr der Verführung und der dem Menschen innewohnenden Schlechtigkeit aufmerksam machen wollte.
Jan Peter verlegt die Handlung in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg und inszeniert ein multi-visuelles Spiel, bei dem Filmsequenzen das ausgebombte Deutschland, demonstrierende Arbeiter und auch verschiedenste Götterbilder zeigen.
Die drei Protagonisten, die Witwe Leokadja Begbick, Fatty und Dreieinigkeitsmoses, sind auf der Flucht vor den Constablers und entledigen sich, zumindest zum Teil, der Zeichen ihres Denkens. So reißt sich Fatty eine Hakenkreuzbinde vom Arm, während Dreieinigkeitsmoses bis zum bitteren Ende mit Uniformrock, Militärmütze und Adiletten auftritt. Ihm fällt es auch schwer, den zum Hitlergruß schnellen wollenden Arm unter Kontrolle zu halten. Witwe Begbick kann auf ihre Peitsche zum Westernoutfit nicht verzichten. Für ihre „weißen Westen sorgt Persil“, wie ein Banner dem Zuschauer verrät.
Um sich eine neue Identität und nicht zuletzt auch eine neue Lebensaufgabe zu schaffen, gründen die drei im Nirgendwo eine neue Stadt mit Namen Mahagonny. Hier bieten sie alles, was der Mensch begehrt: Leichte Mädchen, Speis, Trank und Boxkämpfe. Mit „Fahrscheinen ins Glück“ werben die drei „Heilsbringer“ für ihre neue Stadt.
Diesem Lockruf können sich auch die vier lebenshungrigen Holzfäller aus Alaska, Paul Ackermann, Jakob Schmidt, Sparbüchsenheinrich und Alaskawolfjoe, nicht verschließen und genießen eine Weile die Dekadenz des Ortes.
Als ein Hurrikan droht, hier in Form des Angriffs einer Fliegerstaffel und mit Atompilzen dargestellt, ruft Paul Ackermann dazu auf, die letzten Stunden mit allem zu verbringen, was dem Menschen Freude bereitet: „Fressen, Ficken, Boxen und Saufen“. Nacheinander fallen Pauls Freunde der Wolllust, Völlerei und kämpferischen Maßlosigkeit zum Opfer.
Und auch für Paul schlägt das Schicksal zu, denn der Hurrikan zieht vorbei, aber schlimmer als jede Naturkatastrophe ist der Mensch und Paul Ackermann begeht in einer Stadt wie Mahagonny die größte Sünde überhaupt: Er hat kein Geld.
Weder seine Liebschaft, die Hure Jenny Hill, noch sein Freund Sparbüchsenheinrich sind bereit ihm zu helfen und so ist Pauls Schicksal besiegelt. Denn seine Zechprellerei kostet ihn das Leben, während ein Mörder sich freikaufen kann.
Den wahren Schurken, der Witwe Begbick, Fatty und Dreieinigskeitsmoses hingegen bleibt das Schicksal hold und sie ziehen weiter, um eine neue Stadt zu gründen und andernorts Menschen zu verführen und ihres Geldes zu berauben...
Die von Kathrin-Susann Brose konzipierte Bühne bietet reichlich Anlass für Phantasie, wenn Witwe Begbick und Fatty von einer Art KZ-Wachturm das Geschehen verfolgen, sich hinter den ach so weißen Tapeten noch Hakenkreuz-Malereien verbergen oder die zerlegten Körper der Verlierer aus Mahagonny dem großen Ofen übergeben werden.
Einmal mehr beweisen das MiR-Ensemble ebenso wie der Chor großes Können. Herausragend zeigen sich Almuth Herbst als Leokadja Begbick, Martin Homrich als Paul Ackermann, Anke Sieloff als Jenny Hill und Tobias Glagau als Völlerei betreibender Jakob Schmidt.
Unter der Leitung von Thomas Rimes spielt die Neue Philharmonie Westfalen die eigenwillige Komposition Kurt Weills, die Züge von Jazz, moderner Tanzmusik, aber auch klassischen Klängen zu bieten hat, stilsicher und von temporeich bis melancholisch.
Zu sehen ist „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ im Großen Haus des Musiktheaters im Revier noch am 2., 14. und 22. Februar, 17. und 22. März, 14. und 20. April sowie am 4. Mai. Karten gibt es an der Theaterkasse unter Telefon 4097-200.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

12 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.