Die Zerrissenheit junger Deutscher mit türkischen Wurzeln
Wenn zwei Herzen in der Brust schlagen

Der "Macher" Yildiray Cengiz (vierter von rechts) im Kreise der Riege der Darsteller des Films "Die Wahl". Foto: Gerd Kaemper
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Ein Hauch von Hollywood wehte durch die altehrwürdige Schauburg, als dort die Premiere des Films „Die Wahl“ stattfand. Und Hollywood war auch tatsächlich Gesprächsthema, denn die Hauptdarstellerin des Films ist derzeit wegen einer Hollywood-Verpflichtung in den USA.

Der Gelsenkirchener Yildiray Cengiz ist ein deutscher Unternehmer mit türkischen Wurzeln, der bereits häufiger Filme, etwa als Werbekampagne für das Referat Erziehung bei der Suche nach Pflegeeltern mit Migrationshintergrund, gedreht hat. Auch „Die Wahl“ war ursprünglich als Kurzfilm angedacht, entwickelte sich dann aber über mehrere Jahre zu einem 40-Minuten-Film.
Doch ehe der Film, der Anlass dafür war, dass die Schauburg bis fast auf den letzten Platz gefüllt war, startete, erlebte ein anderer Cengiz-Film eine Wiederaufführung. „Begegnung - Realität ist Konfrontation“ und stammt aus dem Jahr 2012.
Der Film zeigt auch eine Form der Zerrissenheit, aber aus Sicht eines jungen Deutschen, der im Zweifel darüber ist, wie er mit seinen Mitmenschen mit anderen Wurzeln umgehen soll. Und so findet sich der junge Mann nach einem kleinen Rempler mit einer jungen Deutsch-Türkin im Kino wieder, ohne jedoch etwas vom Film mitzubekommen. Denn er hat sein eigenes Kino im Kopf und spielt mögliche Szenarien, die der Rempler nach sich ziehen könnte durch. Dabei rechnet er mit einer handfesten Auseinandersetzung, doch am Ende kommt alles ganz anders. Und das ist gut so.
In „Die Wahl“ hat sich die Deutsch-Türkin Betün, gespielt von Arzu Neuwirth, bei der Miss Turkuaz-Wahl beworben. Ihr Freund Can, dargestellt von Yasin Boynuince, ist stolz auf sie, aber nur bis sie die Einladung ins Finale und damit die große Show vor Publikum erhält.
Can stellt Betül vor die Wahl: „Entweder diese hirnrissige Gaffershow oder ich als Dein Freund. Entscheide Dich: Du hast die Wahl!“ Betül gerät in einen Zwickmühle zwischen zwei Dingen, die ihr am Herzen liegen: Ihr Freund und die Möglichkeit zu beweisen, dass sie nicht nur gut aussieht, sondern auch den Ansprüchen der Miss Turkuaz-Wahl gerecht wird.
Dabei prallen auch die unterschiedlichen Familiengeschichten aufeinander. Denn Betül wächst mit ihrem modernen und offenen Vater sowie einem sie anhimmelnden und in jedem Belang unterstützten Bruder auf, während Can in einer konservativen Familie lebt mit einem strengen Vater und einer fürsorglichen Mutter.
Der Film zeigt neben vielen Aufnahmen von bekannten Orten in Gelsenkirchen auch die Zerrissenheit der beiden Protagonisten zwischen ihrem Leben in der freien und offenen deutschen Gesellschaft und der Beengung, die die türkischen Wurzeln mit sich bringen können. So muss sich auch Can entscheiden, ob er auf die Familie und Freunde hört, die ihm suggerieren, das Betül nicht zu ihm und der Familie passt, und seinem Herzen.
Am Ende bleibt offen, welche Wahl die beiden jungen Leute treffen. Wird Betül in den Bus steigen, der sie zu ihrem großen Abend bringen soll oder opfert sie ihren Traum für ihre Liebe zum Can?
„Ich habe das Ende bewusst offen gelassen“, erläutert Produzent und Regisseur Yildiray Cengiz. „Zum einen sollen die Zuschauer sich selbst eine Meinung bilden darüber, welches die richtige Wahl wäre. Und zum anderen bin ich mir noch nicht sicher, ob es nicht eine Fortsetzung geben wird, die dann aufklärt über die Wahl der beiden jungen Leute“. Dabei lächelt er sehr hintergründig und man wüsste gern, welche Gedanken er gerade hin und her wälzt.
Im Publikum befanden sich mit Annette Berg und Luidger Wolterhoff auch zwei Dezernenten der Stadtverwaltung, die sich nicht nur am Wiedererkennungswert mit Gelsenkirchener Örtlichkeiten erfreuten, sondern auch über die Geschichte, die ein Teil der multikulturellen Stadt Gelsenkirchen ist.
Betroffen machen die Szenen, in denen Yildiray Cengiz, der Inititator und Organisator der Miss Turkuaz-Wahl durch einen Schauspieler gespielt wird, und die zeigen, dass auch er Anfeindungen erleben musste. Und das obwohl er nur jungen Deutsch-Türkinnen eine Bühne bieten möchte, um zu beweisen, dass sie in Deutschland angekommen sind und ihren Weg in der Gesellschaft gefunden haben.
Für die Rolle als Betüls Vater hat Cengiz den Journalisten Baha Güngör gewonnen, der leider die Premiere des Films nicht mehr erlebte, weil er im November verstarb. Güngör war für den Gelsenkirchener eine Art Ziehvater, der ihm jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stand. Baha Güngörs Sohn war anwesend und erklärte: „Der Film hat mich sehr bewegt und er zeigt, dass man seine Wünsche und Träume nie aus den Augen verlieren sollte.“ 
Mit dem Film erfüllte sich der Gelsenkirchener Unternehmer Yildiray Cengiz einen langgehegten Wunsch. Er widmete ihm seinem verstorbenen Vater Sükrü Cengiz, der seinen Kindern einen reichen Literaturschatz hinterlassen hat und seinem Sohn einst riet: „Sohn, sei aufrichtig, weich nicht ab vom wahren Pfad, bewahre Deine Würde und vergiss Deine Herkunft nicht.“

Der "Macher" Yildiray Cengiz (vierter von rechts) im Kreise der Riege der Darsteller des Films "Die Wahl". Foto: Gerd Kaemper
Yildiray Cengiz : "In meiner Brust schlagen zwei Herzen: Eins für meine deutsche Heimat und eins für meinetürkischeHerkunft." Foto: Gerd Kaemper
Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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