Vom Sozio-Kulturellen Zentrum zum festen Spielort der Comedians
„Ich bin am Busbahnhof in den Bus nach Heßler gestiegen und fragte beim Einsteigen den Busfahrer, wo ich denn aussteigen müsse, wenn ich zur Kaue wolle. Darauf brummelte er nur irgendwas, das ich nicht verstand. Ich fragte noch einmal und er pampte mich an „Haldenstraße“. Da dachte ich mir, dass esbesser wäre, jetzt gar nichts mehr zu fragen und suchte mir einfach einenPlatz im Bus. Ich habe also versucht den Durchsagen zuzuhören, die jedoch völlig unverständlich waren und ich wusste wirklich absolut nicht, wo ich raus musste. Nach 20 Minuten wurde ich immer nervöser. Ich hielt ständig ausschau nach Hinweisen auf die Kaue, aber nichts. Als ich schon fast aussteigen wollte, egal wo ich war, meinte der Busfahrer plötzlich quer durch den Bus: „Ey Brille, hier musst Du raus!“ Erst viel später habe ich erkannt, dass das für Gelsenkirchen einer Liebeserklärung gleich kam.“
Ein typisch Gelsenkirchener Erlebnis zum Einstieg in den neuen Job
Mit diesen Worten schildert Helmut Hasenkox seinen ersten Arbeitstag vor rund 20 Jahren in der Kaue an der Wilhelmstraße, die damals noch das sozio-kulturelle Zentrum des Evangelischen Kirchenkreises Gelsenkirchen war, im Stadtfilm „Abenteuer Gelsenkirchen“ [video]videoembedhref[/video]" /> aus dem Jahr 2010.
„Der Evangelische Kirchenkreis hatte damals die Kaue der Zeche Wilhelmine Victoria saniert, um ein sozio-kulturelles Zentrum darin einzurichten. Dafür wurde ein Geschäftsführer gesucht, ich habe mich beworben und den Zuschlag bekommen“, erinnert sich Prof. Dr. Helmut Hasenkox.
Das Leben von Helmut Hasenkox vor Gelsenkirchen
Bis dahin war er bereits im Eventmanagement tätig, arbeitete für diverse große Konzertveranstalter wie Fritz Rau und Marek Lieberberg. Gelsenkirchen und die Kaue stellte für ihn eine neue Herausforderung dar, weil es sein größter Wunsch war selbst ein Haus zu gestalten und diese Gelegenheit bot sich ihm mit der Kaue.
Eine Idee fürs Programm musste her
„Problematisch war nur die Programmlandschaft. Denn die war bereits verteilt hier im Ruhrgebiet. Da gab es für den Rock und Pop bereit den Bahnhof Langendreer in Bochum und die Zeche Carl in Essen. Ein Kollege gab mir den Tipp, einfach Kabarett und Comedy anzubieten. Und so fing es an mit Herbert Knebel, Atze Schroeder, den Mitsfits und vielen anderen, die damals gerade mal am Anfang ihrer Karrieren standen. Und das war genau die richtige Entscheidung, denn das Marktsegment explodierte und die Kaue wurde schnell groß. Man muss sich mal vorstellen, dass es heute Popbands gibt, die begeistert wären, wenn sie so viele Karten verkaufen würden wie Atze, Mittermeier und Co es heute tun“, erzählt Hasenkox, der auch eine Professur an der Westfälischen Hochschule in Buer hat.
Hagen Rether von zwei Händen voll Zuschauer zum Hallenfüller
Einer der frühen Kaue-Künstler war auch Hagen Rether, der bei seinem ersten Auftritt in Gelsenkirchen vor gerade einmal neun Leuten spielte. Bei seinen heutigen Gastspielen erzählt er gern: „Die neun Leute wirkten so verloren in dem Raum und ich stand ja auch allein auf der Bühne. Da habe ich sie kurzerhand gebeten, einfach nach vorn zu mir auf die Bühne zu kommen und es wurde sein sehr schöner und intimer Abend.“
Die Kaue platzt aus allen Nähten
In den Anfangsjahren gab es neben der Kaue das Musiktheater im Revier, „das war sozusagen der Hochkultur-Tempel. Und dann gab es noch die Emscher-Lippe-Halle, das war eine Eislaufhalle“, schildert Helmut Hasenkox. Heute haben die drei Spielorte ein gemeinschaftliches Verständnis füreinander und man könnte sagen: Sie befruchten sich gegenseitig. „Das hat zur Folge, dass Menschen, die noch nie im Musiktheater im Revier waren, das Haus kennen lernen, weil sich das MiR durch die emschertainment-Veranstaltungen öffnet. Die Emscher-Lippe-Halle wird keinen Architekturpreis gewinnen, aber sie kann mit dem Platzangebot für 2.500 Personen mithalten mit dem Ruhr-Congress in Bochum und der Gruga-Halle in Essen.
Die Geburtsstunde der emschertainment
Als das von der Stadt Gelsenkirchen in Auftrag gegebene Gutachten der Culturplan AG zu dem Ergebnis kam, dass es sinnvoll wäre, die Spielstätten in Gelsenkirchen – abgesehen vom Musiktheater im Revier – unter ein zentrales Management zu stellen, war das die Geburtsstunde der emschertainment GmbH.
Damit einher ging auch der Wechsel von der Kaue und der Evangelischen Kirche zur GEW, der Stadttochter Gesellschaft für Energie und Wirtschaft, die auch das Sport- Paradies, die Hallenbäder und die Zoom Erlebniswelt betreiben.
Eine Erfolgsgeschichte nimmt ihren Lauf
Nur so war es zu realisieren, dass die emschertainment im WM-Jahr 2006 beim FanFest rund 500.000 Besucher in 32 Tagen unterhielt. Und wer erinnert sich nicht an Tokio Hotel, Bryan Adams, Mustafa Sandal und viele andere mehr, die in der alt-ehrwürdigen Glückauf-Kampfbahn für Begeisterung sorgten.
Zwei Jahre später gab es zur Fußball-Europameister 2008 wieder ein FanFest, diesmal auf dem Gelände des Sport-Paradies und mit dabei war Katie Melua. Es folgten das Kulturhauptstadtjahr 2010, für das das Festivalgelände am Taubenhaus neu entdeckt wurde, wo Manfred Mans Earthband spielte, und die Idee zu den Blind Date Festivals, die mittlerweile zu einer festen Instanz im Veranstaltungsjahr in Gelsenkirchen gehören.
Bei Ruhr.2010 stemmte emschertainment Großveranstaltungen
„Im Kulturhauptstadtjahr hat die emschertainment die Eröffnungsveranstaltung auf Zollverein für Ruhr.2010 gestemmt“, führt Hasenkox aus, der auch einer der Kultuhauptstadt-Verantwortlichen in Gelsenkirchen war.
Inzwischen betreut die emschertainment aber auch Künstler in anderen Städten, zum Beispiel im Theater in Marl, wenn das MiR keine termine frei hat. Oder aber Wunsch der Künstler wie etwa im Fall von Michael Mittermeier, der die emschertainment angefordert hat für seine Auftritte in der Lanxess-Arena in Köln und auch in die Westfalenhalle in Dortmund.
Ein tolles Lob von Reinhard Mey für Gelsenkirchen
„Reinhard Mey spielt sicher auch in schöneren Hallen als der Emscher-Lippe-Halle, aber schätzt die Leute hier und das sowohl beim Publikum als auch beim Veranstalterteam. Und er sagt selbst, dass das Schloss Berge das beste Hotel auf seiner ganzen Tour war“, schildert Helmut Hasenkox.
Die emschertainment und die Medien
Mit Wehmut erinnert er sich an seine Anfänge in Gelsenkirchen. „1992 gab es hier noch vier Lokalredaktionen, die Ruhrnachrichten, die Buersche Zeitung, die WAZ und den Stadtspiegel, und drei Kulturredakteure. Bei Pressekonferenzen sassen wir vier Redakteuren und Fotografen gegenüber. Die Situation ist heute vollkommen ausgedünnt. Wenn wir mit Zeitungen zusammenarbeiten, beobachten wir natürlich wie sich das bei uns auf den Kartenverkauf auswirkt,“ erklärt der Veranstalter und sagt weiter: „Ein Bericht im Stadtspiegel bedeutet für uns einen Zuwachs beim Kartenverkauf.“
Aber er ist sich auch der heute völlig anderen Situation als vor 20 Jahren bewusst. So bieten auch die neuen Medien durch das Web 2.0 eine neue Werbefläche. „Die konventionelle Medienarbeit befindet sich in einem Riesenumbruch und das wird in den nächsten Jahren so weitergehen.“
Befragt nach den Highlights seiner etwas mehr als 20 Jahre in Gelsenkirchen muss Helmut Hasenkox nachdenken.
Wenn Michael Mittermeier zum Familientreffen kommt
„Für mich ist ein zum Beispiel ein persönliches Highlight, wenn sich zu dem ein oder anderen Künstler über die Jahre hinweg eine persönliche Beziehung entwickelt. Wenn zum Beispiel Michael Mittermeier mit seiner Crew hier im Ruhrgebiet ist, dann ist es für seine Crew und die emschertainment-Crew so etwas wie ein Familientreffen. Natürlich ist es auch ein Highlight einen Weltstar wie Bryan Adams zu veranstalten. Aber mit ihm habe ich glaube gerade mal fünf Sätze gesprochen.Dafür treffe ich mich mit Uwe Lyko alias Herbert Knebel einmal im Monat zum Joggen um den Baldeneysee. Piet Klocke ist der Pate meiner Tochter und mit Jürgen von der Lippe treffe ich mich jedes Jahr zum Kochen.“
"Es gibt nichts, was wir nicht können"
Spätestens seit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 steht für Prof. Dr. Helmut Hasenkox fest: Es gibt keine Veranstaltung, die die emschertainment nicht kann. Das führt er auf sein Team zurück, das ausschließlich aus Gelsenkirchenern besteht und noch dazu nur aus Eigengewächsen.
Durch seine Professur an der Westfälischen Fachhochschule hat Hasenkox die Chance Studenten eine Praxisphase zu bieten bei der emschertainment und so wieder neue junge Leute anzuwerben. Jessica Szodruch ist vor zehn Jahren von der Fachhochschule zur emschertainment gekommen. Olaf Zeuchner kam durch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme dazu und ist heute Meister für Veranstaltungstechnik. Stephan Streuter kam im Jahre 1993 auf Hasenkox zu, um Konzerte mit Nachwuchsbands zu etablieren, heute ist er der Produktionsleiter bei allen großen Veranstaltungen.
Das Blind Date-Festival als feste Institution im Kalender
Seit drei Jahren hat sich das Taubenhaus als Veranstaltungsort etabliert durch das Blind Date, ein Format mit Eigenständigkeit. Denn es gibt jedes Jahr einen echten Top Act, aber der Name wird nicht verraten.
Für das Bürgerforum im Hans-Sachs-Haus muss noch ein neues Format entwickelt werden, doch wer die emschertainment und ihren Geschäftsführer kennt, der weiß, dass es gelingen wird. Auch wenn Hasenkox sagt: „Es ist eine völlige Blackbox. Keiner weiß wie das funktioniert, wenn sich der Veranstaltungssaal mitten im Verwaltungsapparat befindet. Das Hans-Sachs-Haus ist ein tolles Haus, das für viel Prestige sorgen wird, nachdem von dieser Ecke zehn Jahre lang nur ein Negativ-Image ausging. Jetzt legt das HSH Zeugnis darüber ab, was hier geht. Nun sind die Bürger gefragt, die das Haus für sich annehmen müssen.“
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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