Spannende Lesung: Meine Erlebnisse als Bergarbeiter im Ruhrgebiet" von Graf Alexander Stenbock-Fermor
Dass der Verlag Henselowsky/Boschmann der Ruhrgebietsliteratur verbunden ist, das wissen viele. Mit der Neu-Herausgabe des Werks "Meine Erlebnisse als Bergarbeiter im Ruhrgebiet" von Graf Alexander Stenbock-Fermor aus dem Jahr 1928 setzt er den Wurzeln unserer Region ein schriftliches Denkmal.
Und weil ihm das Buch so wichtig ist, konzipierte Verleger Werner Boschmann zusammen mit dem Journalisten Lars von der Gönna eine Lesung, die man in der bis auf den letzten Stuhl vollbesetzten Buchhandlung Junius erleben konnte.
"Ein entsetzlicher Krach, wie ein Kanonenschuss, durchriss die Luft. Grell erstrahlte elektrisches Licht über mir. Ich rieb die Augen: Was war geschehen? Wo befand ich mich denn? Und allmählich dämmerte es in mir - "Ah, richtig ... Bergarbeiter ... Ruhrgebiet!", Lars von der Gönna ist ein hervorragender Vorleser, der seine Zuhörer mithilfe der plastischen Textvorgabe des Grafen in die dunkle Welt des Bergbaus der frühen 1920er Jahre entführte. Der junge Graf mit bester Schulbildung begab sich - des Geldes wegen - ein gutes Jahr lang in Duisburg-Hamborn 500 Meter unter Tage, um dort als Schlepper zu arbeiten. "Ich biss die Zähne aufeinander, riss mich zusammen und schippte abermals - ich ächzte, stöhnte, keuchte - aber es gelang: die Schaufel kam über den Wagen, der Inhalt rasselte nach einer kleinen Drehung hinein. Zehnmal gelang es mir - dann fühlte ich mich ausgepumpt und erledigt." So erlebt "das Gräflein" seine ersten Arbeitsstunden.
Die ersten Arbeitsstunden
Werner Boschmann ergänzt die Lesung aus dem Buch mit biografischen Daten zu diesem Alexander Graf von Stenbock-Fermor, der Balte ist, aus russischem und altem schwedischen Adel stammt, und von Kommunismus so weit entfernt ist wie Gelsenkirchen von Dubai. Er lernt fürs Leben. "Das ist dem Buch über sein Jahr im Revier noch gar nicht so anzumerken, da schwingt oft noch eine gewisse Arroganz mit, auch wenn er seine Kumpel mag", erklärt Boschmann. "Aber im Verlaufe seines Lebens wird er zum Kommunisten, seine Autobiographie heißt "Der rote Graf"."
Der rote Graf
"Die Arbeit ging weiter", liest Lars von der Gönna. "Ich fühlte, wie nun meine Kräfte allmählich nachließen. Lange konnte ich es nicht mehr ertragen: Schmerz, Müdigkeit und Hitze drohten mich einfach umzuwerfen! Da hörte ich die Stimme meines Kameraden: "Kumpel, guck mal, was die Uhr ist." Ich hinkte zum Stempel, an dem meine Jacke hing, und griff nach meiner Taschenuhr: "Halb eins." - "Schicht!", rief Franz. Ich atmete auf, Gott sei Dank! Noch einige Minuten und ich wäre einfach umgekippt." Von der Gönna leidet jede Minute mit und seine Zuhörer auch.
"Geschichten werden verloren gehen"
"Wir werden immer die ehemalige Kohle-Region bleiben, aber die Geschichten werden verloren gehen", ist sich der Journalist sicher. "Deshalb ist dieses Buch so wichtig, weil es so authentisch erzählt, wie hart das Leben unter Tage wirklich war. Wir denken heute viel an Zusammenhalt, Taubenväter und Kumpeltum - das war sicher in den 50er und 60er Jahren auch so. Doch Anfang der 20er Jahre ging es bei der Arbeit unter Tage jeden Tag um Leben und Tod." Und weil das Buch des Grafen so wahrhaftig von dieser Zeit erzählt, sei es besonders schön, dass Werner Boschmann dieses wertvolle Zeugnis rund 100 Jahre später nochmal aufgelegt hat. "Es ist festgebunden, hat 170 spannende Seiten und kostet nur 9.90 Euro", ergänzt Gastgeberin Sabine Piechaczek, die sich nicht nur über die erfolgreiche Lesung, sondern auch über den angeregten Austausch zwischen Publikum und Vorlesern freute.
Autor:Silke Heidenblut aus Essen |
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