Schloss Horst: Ein Museum zum Anfassen und Fühlen
Was muss ein modernes Museum bieten, um junge und alte Besucher gleichermaßen anzusprechen? Dieses Problem beschäftigte auch die Historiker und Pädagogen, die am Museum Schloss Horst – Leben und Arbeiten im Zeitalter der Renaissance beteiligt waren. Und man kann sagen, sie haben das Problem auf anregende, unterhaltsame und aufregende Weise gelöst.
Von Silke Sobotta
GE. „Schloss Horst entstand zwischen 1554 und 1573 auf den Ruinen älterer Höfe und Burgen. Sein architektonisches Konzept war im weiten Umkreis einzigartig und hochmodern.“ So steht es im Flyer zum Museum geschrieben. Die meisten Gelsenkirchener wissen, dass viele Teile des heutigen Schlosses noch aus dieser Zeit stammen, und sie kennen auch Baustellen der Moderne. Aber wie war es vor mehr als 450 Jahren, wenn ein „modernes“ Bauwerk entstand? Was verstand man damals unter modern? Wie bekam man Steine und Materialien ohne Lkws an Ort und Stelle? Oder buddelte Löcher für das Fundament ohne Bagger? Diese und viele andere Fragen beantwortet das Museum, gewährt Einblicke in die damalige Baustelle und lässt interessierte Besucher sogar selbst Hand anlegen an die damals bekannten Werkzeuge.
Wie man sich das vorstellen muss? Ganz einfach. Man betritt den Eingang des Museum im Schloss Horst und wird direkt mit verschiedenen Fragen konfrontiert, die einem eigentlich schon selbst „auf der Zunge liegen“ könnten: Durften die bei der Arbeit Bier trinken? Wohnte eine Prinz im Schloss? und viele mehr.
„Wir wollen hier keine Schatztruhe mit Vitrinen und Gemälden präsentieren, sondern die Geschichte der Menschen erzählen, die hier vor über 400 Jahren gelebt und gearbeitet haben. Wir möchten Besucher vom Kindergartenalter bis zu den Erwachsenen annähern an das damalige Leben“, schildert der „Hausherr von Oberbürgermeisters Gnaden“ Elmar Alshut.
Nur ein Schritt und man ist mitten drin
Und schon öffnet der Historiker die nächste Tür und man findet sich wieder mitten auf einer Baustelle, hört die Arbeiter hämmern und die Vorarbeiter ihre Handlanger antreiben: „Du sollst arbeiten und nicht hier herumstehen!“
Der Boden sieht aus wie der Schlamm der Gräfte, auf der das Schloss errichtet wurde, und es muss gerade geregnet haben, denn es sind überall Pfützen zu sehen, denen man versucht auszuweichen, um sein Schuhwerk zu schonen oder aber auf den ausgelegten Holzbalken zu laufen. Erst bei näherer Betrachtung stellt man fest: Das ist alles unecht! Der Boden ist trocken und fest, kein Problem für die guten Schuhe.
Trotzdem ist man regelrecht eingetaucht in die Zeit der Renaissance. Mit Hilfe von Audio-Guides, jeweils für Kinder und Erwachsene, gibt es an verschiedenen Punkten Informationen zu den Arbeitern auf diesem Teil der Baustelle. „Ein Zahlmeister erzählt die Geschichte der Arbeiten“, erklärt Alshut. „Wir wollen die Besucher etwas sehen und hören lassen, sie aber nicht zum Lesen zwingen. Hier darf man auch alles anfassen und vieles ausprobieren. Nehmen Sie nur diesen Amboss, da kann der Vater mit seinem Sohn mal einen kleinen Vergleich machen und testen, wie schwer der Hammer ist.“
Hier ist der Blick durch „Astlöcher“ erwünscht
Wer dann den Schmied bei der Arbeit beobachten möchte, der kann den Meister durch ein „Astloch“ beobachten und zuschauen, wie er mit seinen Werkzeugen agiert. Ähnliche „Astlöcher“ mit dahinter verborgenen kleinen Filmen gibt es beim Schmied, Zimmermann und Steinmetz.
Es darf aber auch gelesen werden oder besser verinnerlicht werden, dass es noch Originaldokumente aus der Zeit um 1570 gibt. So liegt das Originalbaubuch vor, das allerdings für heutige Leser weder lesbar noch verständlich ist. Denn es ist in alter Schrift und niederdeutscher Mundart verfasst. Aber keine Angst, es gibt eine Übersetzung ins heutige Hochdeutsch.
Anfassen, ausprobieren und mehr
Immer wieder stößt man auf Handwerkskisten, wie sie auf Baustellen üblich waren, und kann darin „wühlen“, anfassen und testen. In der Wohnung des Baumeisters finden sich Kopien der Säulen- und Kapitälchen-Zeichnungen, die im Original in der Glashalle des Schlosses noch heute zu sehen sind.
In einem riesigen Wasserfass, das früher in den Stuben üblich war, kann man einen Film über die den Schloss-Bau und den Bau des Daches sehen und sich Einblicke verschaffen, mit welchen Mitteln und welcher Kraftanstrengung damals agiert wurde.
Am Schreibpult des Baumeisters befinden sich Siegel, Mappen, Siegellack und die Schere zum Aufschneiden der versiegelten Post. Ein 13-Knoten-Seil diente damals als Rechenschieber, ein großer Reißzirkel wurde genutzt, um die Konstruktionspläne in möglichst naturgetreuem Maßstab auf gekälkte Wände oder den Boden zu zeichnen.
Unter dem großen Modell zum Schlossbau befindet sich ein Ausgrabungsplan, anhand dessen man nachvollziehen kann, dass das Modell den tatsächlichen Gebäuden des Schlosses entspricht.
Atmosphäre spielt eine große Rolle
Wer noch nie auf einem Einbeinhocker gesessen und dabei gearbeitet hat, sollte hier einmal sein Glück versuchen. „Die Atmosphäre war uns wichtig“, klärt Elmar Alshut auf und verweist dabei auf die „Fenster“. Man erblickt die Wildpferde, wie sie damals im Emscherbruch lebten, und ein anderes Fenster gewährt einen Blick auf das Gerüst der Baustelle. Ein Stück weiter blickt man in einen Kloakenschacht, wie man ihn seinerzeit an allen Ecken fand. Apropos finden: Genau in diesen Schächten fanden die Archäologen bei ihren Ausgrabungen vor einigen Jahren viele Kannen, Schüsseln und Töpfe, die heute im Museum zu sehen sind.
Man bewegt sich vorbei an Gerüsten, die von wagemutigen Kindern auch bestiegen werden dürfen. An anderer Stelle kann sich der heutige Bauherr oder Baumarkt-Fan davon überzeugen, dass die damaligen Lotwaagen den heutigen Wasserwaagen in nichts nachstanden.
Statt einer Stechuhr verwendete man im 16. Jahrhundert auf der Schlossbaustelle ein Kerbholz, um den Lohn des Arbeiters zu ermitteln. Dabei wurde aus einem Ast zwei ineinander passende Hölzer gespalten, eines für den Arbeitnehmer und eines für den Bauherrn. An einem Zähltisch wurde dann ermittelt, wieviele Albus, Stüber oder Gulden der Arbeiter verdient hat. Mittels einer Münzwaage wurde der Wert der Münzen errechnet, denn der variierte aufgrund der unterschiedlichen Legierungen der Geldstücke. „Einer verwendete mehr, ein anderer weniger Silber. Auch wenn überall der gleiche Wert drauf stand, waren die Münzen nicht immer gleich viel wert“, erklärt der Historiker.
Für die Kinder gibt es einen speziellen Pädagogikraum, in dem zum Beispiel „Pitchendopp“ gespielt werden kann, ein über 500 Jahre altes Kinderspiel. Die Kleinen können Feuerschlagen mit Hilfe von Feuersteinen. Es gibt Verkleidungen, Ritterrüstungen und auch Helme und so manch ein Besucher wird erstaunt sein über die Gewichte, die so ein Ritter mit sich tragen musste.
Ganz im Sinne der Initiatoren des Museums wird hier „die gute alte Zeit nicht beschönigt“, wie Elmar Alshut mit einem verschmitzten Lächeln kund tut.
Es wird noch das ein oder andere folgen
Und das Museum ist noch nicht zu Ende gestaltet. Bis zum nächsten Gaudium im Jahr 2012 wird noch das Leben der Arbeiter wie auch des adeligen Bauherrenpaares zum Leben erweckt. Doch schon jetzt bietet es viele lehrreiche Einblicke, die helfen die Geschichte verständlicher und erfassbarer zu machen.
Stadtspiegel und Stadt Gelsenkirchen laden Familien ins Museum ein
Wessen Interesse für das Museum geweckt wurde, der sollte aufmerksam weiterlesen. Denn der Stadtspiegel lädt am Sonntag, 27. März ab 14 Uhr Gelsenkirchener Familien zu einem Besuch in das Museum ein.
Dabei besteht neben der Führung, die der Baumeister höchstpersönlich vornehmen wird, durch die „Renaissance-Baustelle Schloss Horst“ die Gelegenheit für die Kinder, den Pädagogikraum zu erkunden, und für die Erwachsenen, mit Oberbürgermeister Frank Baranowski zu plaudern. Das Stadtoberhaupt wird zu Fragen und Anregungen der Bürger Stellung nehmen. Ein ritterlicher Imbiss rundet diesen Familiensonntag ab. Serviert wird dabei von standesgemäß in mittelalterlichen Gewändern gewandeten Personen.
Wer dabei sein möchte, sollte eine Postkarte mit dem Stichwort „Besuch im Museum Schloss Horst“, der Anzahl der Familienmitglieder, deren Alter (!) und einer Telefonnummer, unter der Sie erreichbar sind, an den Stadtspiegel, Florastraße 6, 45879 Gelsenkirchen schicken. Einsendeschluss ist Samstag, der 12. März. Die Teilnehmer werden aus allen Einsendungen ausgelost. Viel Glück!
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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