"Rusalka" im MiR: Emotionale Reise einer Wassernixe
Das Musiktheater im Revier präsentiert die Oper „Rusalka“ von Antonín Dvorák in den nächsten Wochen. Ich war schon für Sie bei einer Vorstellung - und bin begeistert.
Wann wird Liebe zu Obsession? Wieviel darf man von sich selbst verlieren, wenn man sich einer anderen Person hingibt? "Rusalka" präsentiert sich nachdenklich in der musikalisch opulenten Inszenierung von Elisabeth Stöppler.
Kaum zu sehen in einem Meer von Weiß ist die Nixe Rusalka, die verträumte jüngste Tochter des Wassermanns. Ein Sinnbild von Naivität stellt sie dar, bildet einen starken Kontrast zu der Promiskuität ihrer Schwestern, den Waldelfen. Sie ist der Liebling ihres Vaters, und doch strebt sie nach mehr: dem Menschsein, um den Prinzen ihrer Träume berühren zu können.
Was als Märchen beginnt, entwickelt sich jedoch bald zum Alptraum: Der Prinz, dem sie ihre Gunst schenkt, soll Rusalkas Verderben sein. Denn um selbst zum Menschen zu werden, wendet sich Rusalka an die Hexe Ježibaba, die ihr zu menschlicher Form und Seele verhelfen soll. Sie möchte „ihren“ Prinzen für sich gewinnen, er soll sie als mehr als nur eine Welle spüren. Der Plan glückt; vorerst. Denn die Nixe musste als Preis für den Körper ihre Stimme zahlen: und der Prinz verliert schnell das Interesse an dem stummen „weißen Reh“ als eine mysteriöse Fremde auf der Bildfläche auftaucht.
Zuvor frönen der Prinz und seine Braut im Wald noch der nackten, reinen Liebe, doch bei ihrer Ankunft im Schloss wird selbiges klinisch gereinigt und dem Prinzen wieder Kleidung (und damit die gesellschaftlichen Zwänge) auferlegt - auch unter Gewaltandrohung gegen das Liebespaar. Eine Liebe zwischen den Welten wird nun zur Obsession, die auch vor sexueller Gewalt nicht Halt macht. Als sich die unbekannte Fürstin schließlich zwischen die Liebenden drängt, wird Rusalka in aller Öffentlichkeit verstoßen - was die Frage aufwirft, ob es je Liebe vonseiten des Prinzen war, oder lediglich eine Obssesion mit Rusalkas Reinheit.
Inmitten ihrer eigenen Verzweiflung, gefangen in den Untiefen des Sees, muss Rusalka nun als Geist verharren. Ježibaba bietet ihr einen Ausweg: sie soll den Prinzen töten und kann dann zu ihrer Familie zurückkehren. Rusalka lehnt jedoch aus ihrer Liebe zu ihm ab. Als der Prinz wieder zur Besinnung kommt und nach ihr ruft, ist es bereits zu spät für eine Versöhnung: Rusalka warnt ihn vor ihrem todbringenden Kuss, doch der reuige Liebhaber bittet um Erlösung, da er nicht ohne sie leben will.
Die Inszenierung von Elisabeth Stöppler überzeugt durch ein puristisches Bühnenbild und die Konzentration auf Rusalkas Charakterentwicklung. Für Gänsehaut sorgt auch die grandiose Darbietung aller Sänger; im Besonderen jedoch Petra Schmidt, deren Rusalka mit viel Gefühl die Wandlung von naiver Leichtigkeit hin zu tiefster Verzweiflung überzeugend darstellt. Die Neue Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Rasmus Baumann schafft es, die Darbietungen in Dvoráks Oper gekonnt zu untermalen und die Stimmung der Szenen emotional zu beeinflussen.
Frank Lichtenberg, für die Kostüme verantwortlich, spielt in dieser Inszenierung mit Farbe: zwischen dem unschuldigen Weiß, dem betörenden Rot und einem tiefen Schwarz, das besonders den letzten Akt beherrscht, arbeitet die Kostümabteilung Hand in Hand mit dem Bühnenbild und der Lichttechnik, um die Handlung zu unterstützen.
Alles in allem ein vergnüglicher Opernabend, der für Gesprächstoff sorgt und zum Nachdenken anregt über die Liebe, die Leidenschaft und die Rolle der Gesellschaft in der Partnerwahl.
„Rusalka“ von Antonín Dvorák wird noch sieben Mal im großen Haus des Musiktheaters im Revier aufgeführt, Karten sind unter 40 97 200 oder über die Website des MiR erhältlich.
Autor:Deborrah Triantafyllidis aus Gelsenkirchen |
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