Christian Stadlhofer kocht, plant und hofft auf die Zukunft
Künstler in der Coronakrise: "Von 100 auf Null"

 Das Theater - hier das Metronom-Theater in Oberhausen bei "Bat out of Hell" - ist seine Welt: Christian Stadlhofer hofft auf den Neustart des kulturellen Lebens.
Archivfoto: Stage/Winkler
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Ohne Theater keine Arbeit: Christian Stadlhofer war der künstlerische Leiter bei "Tanz der Vampire" im Metronom-Theater in Oberhausen, als das Virus und seine Auswirkungen den Kulturbetrieb lahmlegte. Plötzlich Berufsverbot.

"Ich hatte Schwierigkeiten von 100 auf Null zu kommen", gibt der Vollblut-Theatermensch zu.
Als die Theater schließen mussten, war der gebürtige Österreicher bereits in Stuttgart, denn dort sollten die Vampire im April hinziehen. "Wir haben eine Woche lang geprobt, bevor wir auch das nicht mehr durften. Dann haben wir noch drei Tage lang alles vorbereitet, was sich vorbereiten lässt, wenn man nicht mehr proben darf, und dann war Schluss."

Steuererklärung vor der Zeit fertig

Seitdem ist der gelernte Musicaldarsteller, den es immer öfter hinter die Bühne zieht, im heimischen Erle. "Ich habe Dinge erledigt, von denen ich gar nicht wusste, dass sie gemacht werden müssen", schmunzelt der sympathische Künstler. "Unsere Holzbank vor der Tür war zum Beispiel gar nicht mehr schön, da bin ich zwei Jahre lang dran vorbeigegangen, ohne das zu bemerken. Jetzt habe ich sie frisch lackiert und sie sieht wieder gut aus." Auch die Steuern habe er fertig - zum ersten Mal Monate vor der Frist und nicht Stunden...
Während viele Künstler, weil sie nicht mehr auf die Bühnen dürfen, vor dem finanziellen Ruin stehen, ist Christian Stadlhofer noch in einer günstigen Situation. "Ich habe wirklich Glück im Unglück: Nachdem ich jahrelang freischaffend gearbeitet habe, war ich in der jetzigen Situation in einer Festanstellung und bekomme deshalb noch Geld. Das weiß ich wirklich zu schätzen. Für viele Kollegen ist die Situation jetzt schon verheerend, die Soforthilfen greifen nicht, ich hoffe da wird noch nachgebessert."

Theatermensch ohne Theater

Und was macht ein Theatermensch ohne Theater? "Kochen!", sagt er. "Das ist ein großes Hobby von mir. Ich habe endlich alle Kochbücher rauf und runter gekocht: Japanisch, indisch, die Pasta-Omas und ganz viel puerto-ricanisch, weil mein Mann aus Puerto Rico kommt." Die exotischeren Zutaten lasse er gern aus dem Asia-Laden in der City liefern. "Dann habe ich bemerkt, dass man, wenn man das alles auch isst, das irgendwie kompensieren muss, deshalb besitze ich jetzt ein E-Bike", schmunzelt er. Und das, obwohl er die Urlaube mit seinen radbegeisterten Eltern einst grauenhaft fand. "Jetzt habe ich wirklich Lust dazu und mein Vater hat mir zum E-Bike geraten, weil es mehr Spaß machen soll, wenn man mehr Reichweite hat bei den Touren." Als er es abgeholt hat, gab's den ersten Regen seit Wochen, doch davon lässt sich der 39-Jährige nicht abhalten.

Blick in die Kristallkugel

Der Blick in die Theater-Zukunft ist wie einer in die Kristallkugel. "Das diskutieren wir natürlich ausgiebig mit allen Kollegen im Moment. Ich fürchte, wir gucken düsteren Zeiten entgegen und für viele von uns wird es schwierig werden." Wann es wieder Theaterbetrieb geben darf, steht zurzeit in den Sternen. "Dem eigentlichen Plan folgend, arbeite ich ab September in Osnabrück, um dort das Abschlussprojekt mit den Musicalstudenten einzustudieren. Ob es dazu kommen wird, weiß ich nicht, aber wenn ja, bin ich vorbereitet." Sollten die Theater im Herbst wieder öffnen dürfen, dann müssen sich Menschen "trauen" hineinzugehen. "Da bin ich zuversichtlich. Ich glaube, der Hunger auf Theater und Co. wird so groß sein, dass die Zuschauer kommen werden. Ich habe mehr Sorge, dass es nach der Krise viele Menschen gibt, die sich das gar nicht mehr leisten können."
Wie sich die Musiktheater organisieren werden, ist auch eine große Frage. "Die Verschiebungen, die ausgefallenen Premieren, das alles will nachgeholt und organisiert werden. An den Opernhäusern wird Jahre im Vorfeld der Spielplan organisiert, was da alles durcheinandergerät und wie das aufgefangen werden soll, das ist der Wahnsinn." Dass es für die freischaffenden Künstler, zu denen er ab Herbst auch wieder zählt, schwer wird, da ist Stadlhofer sicher. Neue Projekte sollen helfen. "Ich gebe seit langem Workshops für junge Künstler, in den letzten Jahren hat sich ein Thema da hineingeschlichen: Die eigene Präsentation in den sozialen Medien wird immer relevanter. Da arbeite ich an Workshops, die sich auf dieses Thema konzentrieren."

Workshops: Verhalten in sozialen Medien

Und die Kontaktsperre-Zeiten haben eines gezeigt: Nie wurden die sozialen Medien so genutzt, wie in den letzten Wochen. "Da muss man über vieles nachdenken: In welchem Umfang machen Gratis-Streamings einen Sinn? Man muss daran denken, dass Beiträge für immer im Netz bleiben", findet der Wahl-Gelsenkirchener. "Es ist eine gute Zeit, um sich Gedanken über diese Dinge zu machen."
Und das kann man ja ganz gut, wenn man das neue E-Bike auf den Fahrradwegen des Reviers einfährt, bevor hoffentlich bald wieder Arbeit im Theater - in welchem auch immer - auf Christian Stadlhofer wartet...

 Das Theater - hier das Metronom-Theater in Oberhausen bei "Bat out of Hell" - ist seine Welt: Christian Stadlhofer hofft auf den Neustart des kulturellen Lebens.
Archivfoto: Stage/Winkler
Fürs Foto nahm Christian Stadlhofer auch den Helm vor Zollverein kurz ab: Wie so vielen Zugereisten ist ihm das Kirchturmdenken der Ruhrgebietler fremd und er sieht es als großes Ganzes mit vielen (normalerweise auch kulturellen) Möglichkeiten. Foto: Privat
Autor:

Silke Heidenblut aus Essen

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