Kinetik spaltet Stadtverwaltung und Museumsförderverein
Der Förderverein des Kunstmuseums Gelsenkirchen will die Kinetik zum Kern der Museumsausstellung machen. Die Stadtverwaltung ist jedoch nicht von dem Konzept überzeugt. Nun wurde ein Kompromiss ausgehandelt, der allerdings noch nicht in trockenen Tüchern ist.
Bereits im Januar stellte der Förderverein des Kunstmuseums Gelsenkirchen das erste Mal sein „5-Jahres-Konzept für die Weiterentwicklung der Kinetischen Sammlung des Kunstmuseums Gelsenkirchen“ vor. Viele Gespräche und Verhandlungen wurden seitdem geführt - passiert ist bis jetzt jedoch wenig. Besonders die Stadtverwaltung schien sich dem ausgefallenen Konzept gegenüber zu sperren. Beide Seiten haben überzeugende Argumente, im Endeffekt ist, wie so oft, ein Kompromiss dabei herauskommen - der noch nicht in trockenen Tüchern ist.
400.000 Euro über fünf Jahre für die Kinetik
Das Konzept, welches der Förderverein vorgestellt hat, würde in zwei Phasen verlaufen, über insgesamt fünf Jahre. In dieser Zeit würden sämtliche Fördermittel ausschließlich für die Kinetik aufgebracht werden, in den Bereichen Restaurierung (Phase 1) und Neuankauf (Phase 2). Das Gesamtbudget für das Konzept würde dann bei ungefähr 400.000 Euro über fünf Jahre liegen.
Mitinbegriffen in diesem Konzept ist auch die Dauerleihgabe der Kunsthalle Recklinghausen, die über eine große, jedoch auch beschädigte, Kinetik-Sammlung verfügt. Zusätzlich müsste Raum für die vergrößerte Kinetiksammlung geschaffen werden. „Wir dachten an die alte Villa. Sie wird für Wechselausstellungen zunehmend unpraktisch und sie würde genug Platz bieten für die von uns konzipierte Dauerausstellung,“ erklärt Werner Bibl, Vorsitzender des Fördervereins.
Mit Kinetik unter die Top-Museen Europas?
Mit diesem Konzept möchte der Förderverein das Kunstmuseum Gelsenkirchen an die Spitze der Kinetikmuseen in Europa bringen, von denen es nur wenige gibt. „Im Kulturhauptstadtjahr 2010 wurde die Kinetik als DAS Merkmal des Kunstmuseums Gelsenkirchen ausgelobt,“ bestätigt Bibl. Er ist der Meinung, dass die Attraktivität des Museums, und somit auch der Stadt Gelsenkirchen als Kunstort, gesteigert werden kann.
„Wir vom Förderverein wissen, dass wir das Geld sinnvoll investieren müssen. Und wir denken, dass der Ausbau der Kinetik-Abteilung zum Schwerpunkt des Museums eine sinnvolle Investition ist,“ betont der Vorstandsvorsitzende. Zudem meint Bibl, dass eine Spezialisierung des Kunstmuseums zu mehr Aufmerksamkeit für sämtliche künstlerische Aktivitäten in Gelsenkirchen führen könnte.
Während eines runden Tisches setzten sich Vertreter aller Beteiligten und Betroffenen zusammen, aus Kunst, Vereinen, und Politik. Am Ende musste man sich auf einen Kompromiss einigen, da die Stadtverwaltung nicht zulassen will, dass das Kunstmuseum zu einem reinen Kinetikmuseum wird.
Stadtrat Dr. Manfred Beck, Vorstand für den Bereich Vier (Kultur, Bildung, Jugend und Sport), erklärt die Zurückhaltung vonseiten der Stadtverwaltung: „Das Kunstmuseum basiert auf einem Konzept mit vier Säulen: Kinetik, klassische Moderne, Konstruktivismus und Museumspädagogik. Wir wollen dieses Konzept auch weiterhin beibehalten, und keine Säule der anderen vorziehen, da es uns wichtig ist, unseren Auftrag der Öffentlichkeit gegenüber zu erfüllen. Und Gelsenkirchen ist besser gedient mit einem Kunstmuseum, das divers ist, anstatt mit einem reinen Kinetikmuseum.“
Beck betont außerdem, dass die Kinetik-Sammlung in Gelsenkirchen über nicht genügend künstlerisch wertvolle Stücke verfügt, um sich etablieren zu können als Europas bestes Kinetikmuseum, auch nicht mit der genauso wenig bedeutenden Sammlung aus Recklinghausen. „Nur circa ein Viertel der Kinetik-Ausstellunsgstücke sind künstlerisch wertvoll; bei der Sammlung aus Recklinghausen sieht es ähnlich aus,“ betont Beck.
Kinetik kann nicht in die alte Villa umziehen
Auch die Verlagerung der Kinetik in die alte Villa des Kunstmuseums steht außer Frage: „Die Villa wurde dem Kunstverein zugesprochen, und das schon vor langer Zeit. Das kann man jetzt nicht einfach zurücknehmen, vor allem nicht unter diesen Umständen,“ sagt Beck.
Für besonders wichtig hält Beck die Kinetik in ihrer „Appetizer-Funktion“, also als Einstiegsmedium zu höheren Kunstformen: „Wenn Sie Kunstexperten fragen, werden die Ihnen sagen, dass die Kinetik zwar ein tolles Medium ist, um Kinder, Jugendliche und kunstferne Bildungsschichten zu mehr Kunstinteresse zu animieren, aber weiterhin wenig Bedeutung in der Kunstszene hat. Zumal dieser ‚Appetizer-Effekt‘ auch irgendwann nachlässt und diese Gruppen mehr sehen wollen als nur Kinetik.“
Restauration wichtiger als Ausbau der Kinetik
Abschließend bestätigt Beck, dass die Stadtverwaltung sehr interessiert an einer Restaurierung der kaputten Kinetik-Stücke ist: „Das Kunstmuseum erstellt gerade eine Liste, um alle Kinetik-Stücke zu erfassen und jene Stücke, die Priorität haben, an den Anfang der Restaurationsliste zu setzen. Doch auch Stücke aus den anderen Abteilungen werden weiterhin restauriert. Die Neuanschaffungen sind wiederum ein anderes Thema.“
Letzten Endes ist es ein Kompromiss, den beide Seiten eingehen: es wird mehr Geld in die Kinetik investiert, doch die anderen Bereiche werden dabei nicht vernachlässigt. Gut vorstellen kann sich der Stadtrat eine zeitlich begrenzte, große Kinetikausstellung, um den Erfolg der Kinetik erst einmal anzutesten, bevor mehr Geld investiert wird.
Das Kompromiss-Konzept wird der Stadtverwaltung bei der nächsten Sitzung vorgestellt. Bis dahin heißt es: abwarten.
Autor:Deborrah Triantafyllidis aus Gelsenkirchen |
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